Professor Vetterli erklärt
Was bewirkt die Digitalisierung in der Medizin?

Martin Vetterli ist Präsident der EPFL in Lausanne und führender Experte für Digitalisierung. Jede Woche erklärt er Begriffe aus der digitalen Welt.
Publiziert: 04.03.2018 um 12:34 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:50 Uhr
Martin Vetterli
Martin VetterliPräsident der EPFL Lausanne
Die Digitalisierung macht die Sequenzierung des menschlichen Genoms günstiger. Im Bild ein DNA-Strang.
Foto: iStockphotos

Kürzlich sass ich bei meinem Arzt im Wartezimmer, als mir auffiel, wie stark sich das medizinische Feld in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Die blosse Tat-sache, dass alle lebenden Organismen auf dem Planeten die gleiche Technik zur Speicherung von Informationen, die DNA, nutzen, hat unsere Sicht auf das Leben völlig verändert. Aber es steckte noch mehr dahinter: Zum ersten Mal können alle Organismen hinsichtlich der Ähnlichkeit ihrer DNA-Stränge in einem Computer miteinander verglichen werden. Aber wie funktioniert das?

Apfel oder Pomme

Stellen Sie sich vor, Sie haben drei verschiedene DNA-Stränge, zum Beispiel ein Gen eines Menschenaffen, einen ähnlichen Strang Ihres Körpers und ­einen von meinem. Oder, um es deut-licher zu machen, verwenden wir drei Wörter (die auch Stränge sind), nämlich «APPLE» (das englische Wort für Apfel), sowie «APFEL» und die fran-zösische Version «POMME». Wie ähnlich sind sich diese drei Wörter? Welcher Buchstabe könnte sich mit welchem decken?

Es gibt verschiedene Algorithmen, um dieses Problem zu lösen, aber alle haben gemeinsam, dass sie die Buchstaben innerhalb der verschiedenen Wörter vergleichen und sie so ausrichten, dass die Übereinstimmungsfehler minimiert werden. Zum Beispiel haben in dem obigen Fall die Wörter «APPLE» und «APFEL» mehr Buchstaben in ähnlichen Positionen als die Wörter «APPLE» und «POMME». Die beiden Wörter passen also besser zueinander. Basierend auf der besten Ausrichtung wird dann ein Gesamtähnlichkeitswert berechnet. Dieser Wert ist bei ähnlichen Wörtern offensichtlich höher und weist auf ­einen gemeinsamen Ursprung hin.
In sehr ähnlicher Weise ordnet das Gebiet der Bioinformatik die «Buchstaben» unserer DNA (die sogenannten Basen) von verschiedenen Menschen oder Tieren einander zu. Dabei kam zum Beispiel heraus, dass Menschen und Schimpansen insgesamt weniger als zwei Prozent an Unterschieden aufweisen. Allerdings unterscheiden sich zwei Menschen noch weniger voneinander, nämlich nur etwa 0,1 Prozent – dieser kleine Faktor aber macht jeden von uns einzigartig!

Hunderte Millionen Dollar für ein Genom

Um solche Vergleiche anstellen zu können, müssen wir zunächst Zugang zum genetischen Code eines Organismus haben. Während eine solche Leistung zu ­Beginn des 21. Jahrhunderts fast unmöglich war und die Sequentialisierung eines vollständigen menschlichen Genoms Hunderte Millionen US-Dollar kostete, kann man das heute für ungefähr 1000 US-Dollar machen. Alle diese Stränge, von Genen bis zu Proteinen, müssen jedoch auch auf einigen grossen Servern gespeichert werden. Und es ist an dieser Stelle interessant, darauf hinzuweisen, dass eine der am häufigsten verwendeten Datenbanken für biologische Stränge in der Schweiz am Schweizerischen Institut für Bioinformatik in Lausanne stationiert ist.

Dies ist erst der Anfang der ­digi- talen Revolution in der Medizin. Man kann sich nur ansatzweise vorstellen, welchen Einfluss sie auf die Zukunft der ­Medizin haben wird. In der Zwischenzeit warte ich noch immer im Wartezimmer auf den Arzt ...

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