Professor Vetterli erklärt
Tech-Hype

Martin Vetterli ist Präsident der EPFL in Lausanne und führender Experte für Digitalisierung. Jede Woche erklärt er Begriffe aus der digitalen Welt.
Publiziert: 08.07.2018 um 14:26 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:08 Uhr
Riesiger Hype um neue Technologie: Verkaufsstart des iPhone 5 in Zürich.
Foto: Fabio Confessore
Martin Vetterli
Martin VetterliPräsident der EPFL Lausanne

Die Techbranche ist nicht so stylish wie die Modebranche, aber sie ist ebenso anfällig für Trends. Die Technologie macht oft grosse Versprechungen und weckt damit Hoffnungen, die zu Trends und Hypes führen. Wie können wir also herausfinden, ob eine neue Technologie wirklich ein «heisses Thema» ist und nicht nur eine vorüber­gehende Modeerscheinung?

Schauen wir uns doch zwei ­Beispiele aus den vergangenen digitalen Jahrzehnten an, um dies besser einschätzen zu ­können. Eines ist das Konzept des Peer-to-Peer (P2P), das vor etwa 15 Jahren begann. Die Idee dahinter war, dass wir zum Austausch von Internetdienstleistungen alle direkt miteinander verbunden sein sollten, anstatt von zentralisierten Instanzen abhängig zu sein. Auf diesem Prinzip basierte unter anderem Skype – heute ist davon nur noch wenig übrig, auch Skype ist wieder zu einem traditionellen zentralisierten Modell zurückgekehrt.

Bevor es das iPhone gab, gab es unter Spezialisten viel Skepsis 

Ein anderes Konzept aus dem letzten Jahrzehnt ist das Cloud Computing. Die Idee bestand ­darin, IT als Service bereitzustellen, sodass Unternehmen und Mitarbeiter ihre Rechenleistung dynamisch und skalierbar ­mieten können, anstatt eigene Server kaufen und installieren zu müssen. In diesem Fall waren die Auswirkungen dramatisch, und die gesamte IT-Branche hat sich verändert.

Es geht jedoch nicht nur darum, ob eine Idee funktioniert oder verpufft. Manchmal ereignen sich grössere Transformationen erst im zweiten oder dritten Schritt. Denken Sie zum Beispiel an Smartphones. Bevor das ­iPhone kam, gab es unter Spezialisten reichlich Skepsis ­bezüglich der mobilen Computernutzung. Doch dann kam endlich die richtige Kombination aus Technologie, Design und ­Produktinnovation – und die Smartphones setzten sich durch.

Es gibt Anzeichen, ob eine Technologie sich durchsetzen wird

Also, welche Lehre können wir daraus ziehen? Im Moment ­ihres Erscheinens ist es noch sehr schwer einzuschätzen, welche Auswirkungen eine neue Technologie auf die ­Gesellschaft hat. Doch obwohl wir die Zukunft nicht vorher­sagen können, gibt es immer ­Anzeichen, auf die man achten sollte.

Dafür müssen wir eine ­rationale Perspektive einnehmen und sachliche Fragen stellen wie: Erfüllen die Einsatzmöglichkeiten Bedürfnisse? Wird die Technologie, abgesehen von den Urhebern, auch tatsächlich von den Menschen ­angenommen? Gibt es Symptome einer Blase, die mit der Domain ­verbunden ist? ­

Nehmen Sie zum Beispiel zwei der ­aktuellen heissen Themen: Blockchain und ­künstliche Intelligenz. Beide sind aus technischer und wissen­schaftlicher Sicht ­definitiv interessant, und beide werden intensiv besprochen und sind in den Medien ­präsent. Aber wo werden sie in zehn ­Jahren stehen?

Der beste Indikator bleibt die Zeit. Denn die Zeit ist sehr gut darin, die Spreu vom Weizen zu trennen. Und nüchtern ausgedrückt würde ich mich einfach an das Credo «Don’t believe the hype» halten, wenn es darum geht, Techniktrends zu beurteilen. Dieser berühmte Satz stammt von Noam Chomsky und wurde durch ein Lied der amerikanischen Hip-Hop-Band Public Enemy im Bewusstsein der ­Massen verankert. Oder war das auch nur ein weiterer Hype?

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Krypto-Paradies Zug

Zug zählt weltweit zu den Zentren der Blockchain-Technologie. Diese ist ein Speichersystem, das dezentral und fälschungssicher ist, aber grosse Mengen an Energie verschlingt. Die bekanntesten Blockchain-Anwendungen sind die Krypto-Währungen Bitcoin und Ethereum. Wie Elocations finanzieren sich viele Firmen mit Blockchain-Anwendungen durch die Ausgabe von Token – auf Englisch Initial Coin Offering (ICO). Anders als Aktien begründen Token keine Besitzrechte an der Firma, lassen sich im Erfolgsfall aber für eine technologische Anwendung nutzen. Letztes Jahr brachten ICOs vier Milliarden Franken ein. Rund ein Drittel davon soll in der Schweiz gelandet sein. Wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Anfang Woche warnte, besteht bei rund einem Fünftel aller ICOs ein Betrugsverdacht.

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