Ist der boomende Videodienst Zoom überhaupt sicher?
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Porno, Hacker, Datenschutz
Ist der boomende Videodienst Zoom überhaupt sicher?

Streams gehackt, Daten weitergegeben – sogar die Staatsanwaltschaft untersucht. US-Anbieter Zoom feiert mit seiner Plattform für Videokonferenzen während der Corona-Krise gigantische Erfolge, hat aber auch massive Probleme. BLICK sagt, ob man Zoom noch nutzen soll.
Publiziert: 01.04.2020 um 17:49 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2020 um 09:19 Uhr
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Sogar die englische Regierung mit Premierminister Boris Johnson (oben links) nutzt Zoom für Videomeetings. Datenschützer kritisieren aber den Anbieter.
Foto: AFP
Lorenz Keller

Der US-Anbieter Zoom ist einer der Überflieger während der Corona-Krise. Seit Anfang Jahr hat sich der Aktienkurs von knapp 70 auf 150 Dollar mehr als verdoppelt. Doch das Unternehmen mit knapp 2000 Angestellten aus San José (Kalifornien) gerät in mehreren Punkten in die Kritik.

  • Datenschutz: Die iPhone-App von Zoom hat Daten ohne Wissen des Nutzers an Facebook weitergegeben. Das Unternehmen hat sich entschuldigt und die eigenen Richtlinien angepasst – aber erst am 28. März. Es heisst nun explizit: «Wir verkaufen Ihre personenbezogenen Daten nicht.» Und: «Wir verwenden die auf der Grundlage Ihrer Nutzung unserer Dienste, u. a. Ihrer Meetings, erhobenen Daten nicht für Werbezwecke.» Trotzdem hat sich die New Yorker Staatsanwaltschaft eingeschaltet und will von Zoom Auskunft zu Nutzerdaten und Privatsphäre.
  • Sicherheitsprobleme: Datenschützer haben sich schon letztes Jahr beschwert, dass Zoom Sicherheitsprotokolle der Internetbrowser umgeht, um auf die Webcams zuzugreifen. Denn den Videodienst kann man auch ohne zusätzliches Programm direkt im Browser nutzen. Die Lücke konnte von Hackern genutzt werden, um Menschen auszuspionieren. Und das auch, wenn man Zoom gar nicht mehr nutzt.
  • Gehackte Videokonferenzen: In den USA kam es zu Fällen von virtuellen Übergriffen. So konnten Hacker mit Durchprobieren von Links einfach so an Videokonferenzen teilnehmen – und haben dort etwa in einer Schulstunde Nazisymbole oder Pornos eingeblendet. Wichtig ist daher auf jeden Fall, dass man in den Einstellungen die Videochats auf «privat» stellt.

Kann man Zoom noch trauen?

Beliebt ist die Software vor allem, weil sie einfach und teilweise gratis ist. So kann man bis 100 Teilnehmer für eine maximal 40-minütige Schaltung ohne Kosten einladen. Besprechungen zu zweit sind sogar unbeschränkt gratis möglich. «Zudem funktioniert es auf allen Plattformen wie PCs, Macs und auch Smartphones», sagt Digital-Experte Jean-Claude Frick von Comparis.ch. Zoom laufe auch beim momentanen Andrang relativ stabil.

Die Schwachstellen und Vorwürfe sind zwar grösstenteils behoben, kann man aber dem US-Anbieter überhaupt noch trauen? «Praktisch alle ausländischen Videokonferenz-Lösungen sind teilweise bedenklich, was den Datenschutz angeht», sagt der Experte. Trotzdem rät er zu einer pragmatischen Herangehensweise. Wenn möglich, solle man eine andere Lösung nutzen. «Ist der Kontakt aber in der jetzigen Situation nur mit Zoom machbar, dann ist es vertretbar», sagt Frick.

Wichtig sei, dass man sich bewusst ist, dass Gratis-Dienste immer irgendwie finanziert werden. Zum Beispiel mit Werbeeinblendungen, aber teilweise auch mit der Auswertung von Nutzerdaten.

Es gibt auch eine Gratis-Alternative aus der Schweiz

Der Comparis-Experte kennt auch einige Alternativen. Für den privaten Kontakt reiche etwa auch die in den Smartphones integrierte Videochatfunktion, also FaceTime beim iPhone oder Google Hangouts bei Android. Beide bieten auch Gruppen-Videochats an. Auch WhatsApp hat eine plattformübergreifende Videochatfunktion mit bis zu vier Personen eingebaut.

Bekannte Businesslösungen sind Google mit Meet und Microsoft mit Skype und Teams. Eine verschlüsselte, kostenlose Schweizer Lösung für Online Meetings gibts von Switch, einer Stiftung der Schweizer Hochschulen.

Beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten kann man übrigens zum konkreten Fall noch nichts sagen. «Nicht alle Apps für die digitale Zusammenarbeit wie etwa für Videokonferenzen oder Home-Teaching schützen die Privatsphäre ausreichend», schreibt Hugo Wyler, Leiter Kommunikation auf Anfrage von BLICK.

Daher sei eine zurückhaltende Nutzung angezeigt und man solle Alternativen prüfen. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte beschäftige sich aber zur Zeit intensiv mit der Frage und werde die Resultate der Evaluation veröffentlichen. Der Datenschutzbeauftragte des Kanton Zürichs hat übrigens eine Liste mit Anwendungen für die digitale Zusammenarbeit aufgeschaltet. Hier ist Zoom auch erwähnt: «Zoom kann nur während der Corona-Krise eingesetzt werden. Voraussetzung ist, dass das Global Data Processing Addendum unterzeichnet und an Zoom retourniert wird.»

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