Zwei Jahre hat Google am Projekt «Tango» herumgebastelt. Das System ist viel mehr als eine App mit integriertem Store. Es ist eine Technologie, um erstmals Augmented Reality (AR) perfekt in mobile Geräte zu integrieren.
Augmented Reality bedeutet die Vermischung von künstlicher und realer Welt. Bekannteste Anwendung ist «Pokémon Go». Allerdings kann das Game Realität und Fiktion nur rudimentär miteinander verbinden. Mit «Tango» kann nun das Smartphone die Umgebung tatsächlich vermessen.
Dazu braucht es viele Sensoren und Kameras. Das Lenovo Phab 2 Pro als erstes Seriengerät mit Google «Tango» hat gleich vier Kameras eingebaut. Das Wunderhandy kann damit Abstände und die Grösse von Gegenständen ermitteln und weiss immer, wo es sich im Raum befindet. Das tönt simpel, ist aber technisch sehr komplex.
Mit der Handykamera ein Möbelstück vermessen
Einfachster Anwendungsbereich: Die «Measure»-App starten und mit zwei Klicks zwei Punkte im Raum auswählen. Die App misst nun die Distanz wie ein Metermass. Und das ziemlich genau, wie wir nachgeprüft haben. Um etwa die Länge einer Wand oder die Dimensionen eines Möbelstücks zu bestimmen, ist das praktisch.
Über die zentrale «Tango»-App findet man weitere empfehlenswerte Programme. Allerdings nur eine Auswahl, den Rest muss man sich mühsam im Store selber zusammensuchen. Allerdings gibts es momentan sowieso nicht viel mehr als 30 Apps für das Augmented-Reality-System.
Im Test haben wir neben der Vermessung einen zweiten sinnvollen Anwendungsbereich gefunden: das Interior-Design. In mehreren Apps kann man sich virtuell seine Wohnung neu einrichten.
Mit einem Klick stellt man sich präzise 3-D-Modelle von Sesseln oder Tischen ins Zimmer und sieht, wie sie dort wirken würden. In Zukunft wird man sich die Möbel dann auch gleich in Echt bestellen können.
Viele Apps bieten nicht mehr als Unterhaltung. Etwa Games, die man sich virtuell auf den Wohnzimmertisch projizieren kann. Oder Programme, mit denen auf Fotos oder Videos Hologramm-Figuren auftauchen. Das gabs bislang auch schon. Erstmals lassen sich Figuren wie ein Dinosaurier exakt an einen Ort wie einen Stuhl platzieren. Und er bleibt auch dort stehen, wenn man die Kamera schwenkt. Man kann sogar rundherum gehen.
Das Lenovo Phab 2 Pro ist als Handy vor allem gross
Das Lenovo Phab 2 Pro ist auch ein Smartphone. Allerdings ein Monster-Teil. Das Display misst 6,4 Zoll, das Gewicht beträgt 259 Gramm. Das sind schon fast die Werte eines Tablets. Man kann daher das riesige Handy kaum einhändig bedienen. Für den mobilen Alltag ist es zu gross und zu schwer.
Die unpraktische Display-Grösse hat dann Vorteile, wenn man Videos anschaut oder Games spielt. Diese sehen dank 2560 x 1440 Pixeln Auflösung und scharfem Bildschirm richtig gut aus. Lenovo hat dem ersten Gerät mit der brandneuen Technik kein spezielles Design verpasst. Das ist etwas schade.
Technisch ist das Lenovo Phab 2 Pro mit Achtkernprozessor und 4 GB Arbeitsspeicher sowie erweiterbaren 64 GB Speicherkapazität in der oberen Mittelklasse angesiedelt. Überdurchschnittlich ist die 16-Megapixel-Kamera, die auch ganz normale Fotos schiessen kann. Sie profitiert von der eingebauten Sensortechnik, fokussiert schnell und gleicht schwierige Lichtverhältnisse aus.
Auch die Audioqualität ist herausragend. Nicht über die mittelmässigen Lautsprecher, sondern über Kopfhörer. Die integrierte Dolby-App verbessert die Hörqualität deutlich – auch weil man den Sound-Output nach seinem Gusto konfigurieren und auf die Stärken des eigenen Kopfhörers ausrichten kann.
Der Akku ist 4050 mAh gross. Nutzt man das Android-Gerät normal, sind zwei Tage Laufzeit ohne Nachladen möglich. Die Augmented-Reality-Anwendungen sind allerdings Stromfresser.
Das Lenovo Phab 2 Pro gibts für 579 Franken, etwa bei Digitec.ch. Ein sehr fairer Preis. Lenovo und Google berechnen damit für die neue Technik praktisch keinen Aufschlag.
Das BLICK-Fazit: Die Augmented-Reality-Anwendungen im Lenovo Phab 2 Pro beeindrucken im ersten Moment. Doch schnell merkt man, dass Google «Tango» noch nicht wirklich ausgereift ist. Apps stürzen ab, manchmal stellt das System die virtuellen Objekte unrealistisch gross in die Realität.
Wenn die Lust am Ausprobieren verschwunden ist, bleibt man etwas ratlos zurück. Die AR-Games machen Spass und haben Potenzial. Auch im Bereich Vermessung, Architektur und Design gibts sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten. Aber nur dafür ist der technische Aufwand zu gross.
Dazu kommt das momentan noch magere App-Angebot. So ist das Phab 2 Pro zwar faszinierend, kann aber noch nicht den Beweis erbringen, dass Google «Tango» mehr als eine Spielerei ist.