Bis zu 150-mal pro Tag berühren wir unser Smartphone. Checken Mails, telefonieren, twittern, fotografieren und chatten mit Kollegen. Mit keinem anderen Gerät haben wir so häufig Hautkontakt, kein anderes Gerät nehmen wir überallhin mit: ins Tram, ins Büro, aufs WC, in die Küche und in den Ausgang.
«Smartphones kommen mit mehr Körperteilen und mehr Bakterien in Kontakt als Toilettensitze», warnten indische Forscher unlängst im Fachblatt «Journal of Clinical and Diagnostic Research».Das Smartphone als Hort für Keime und Bakterien rückt zunehmend in den Fokus der Forschung.
In den USA testeten Forscher die Smartphones von Spitalmitarbeitern – und fanden auf 94,5 Prozent der Displays Bakterien, darunter sogar solche, die resistent gegen Antibiotika und deshalb besonders gefährlich sind. Britische Forscher wiesen auf jedem sechsten Smartphone Spuren von Fäkalbakterien nach. Und der TÜV Rheinland warnte im letzten Jahr vor Keimen, Pilzen und Bakterien auf dem Display, die vor allem für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem und in Zeiten von Erkältungswellen gefährlich werden können.
Dazu passt auch die Geschichte von Anna B. (35)*. Sie entdeckte in ihrem Gesicht plötzlich Pusteln. Rot waren sie, neben dem rechten Ohr, am Hals hinunter in Richtung Kinn. «Sie sahen aus wie Pickel», sagt Anna. «Dabei dachte ich, ich wäre aus dem Alter schon längst raus!» Die Zürcherin konsultierte einen Dermatologen. Die Diagnose: Smartphone-Akne, eine neuartige Krankheit, hervorgerufen durch häufigen Kontakt mit dem Smartphone. Dabei übertragen sich Keime auf dem Display auf die Haut und reizen diese. Empfindliche Haut ist besonders gefährdet.
Das iPhone als Keimschleuder und Krankheitsüberträger? Wir wollten es genau wissen. In einem Zürcher Labor liessen wir vier Smartphones auf Keime untersuchen. Mit einem Abklatschtest suchten die Mikrobiologen nach sogenannten aeroben mesophilen Keimen und Fäkalbakterien. Die Proben wurden im Labor genommen und anschliessend drei Tage lang bei bis zu 37 Grad bebrütet. In dieser Zeit haben die Keime Zeit, zu wachsen – die Belastung der Smartphone-Displays wird sichtbar.
Das Ergebnis: Alle Smartphones wiesen Keime auf, allerdings keine Enterobakterien, also Fäkalbakterien. Die aeroben mesophilen Keime sind der Gradmesser für die bakterielle Gesamtbelastung. Zwei Smartphones wiesen eine Keimbelastung von 100 KBE pro 25 cm2 auf – und gelten folglich als «unsauber». Bei zwei weiteren lag die Keimbelastung tiefer, mit 47 KBE und 14 KBE.
Die zuständige Mikrobiologin erklärt: «Es handelt sich dabei vermutlich überwiegend um typische Hautkeime.» Die seien im Grundsatz unbedenklich. Allerdings rät sie: «Um Keimbildung zu vermeiden, sollte man sein Natel öfter reinigen, zum Beispiel mit handelsüblichen Wischtüchern.»
Die Ergebnisse decken sich mit denen einer Studie der Hochschule Furtwangen (D). Markus Egert, Professor für Mikrobiologie, hat mit seinem Team die iPhones von 60 Studenten untersucht. Sein Fazit: «Es ist unwahrscheinlich, dass Smartphones eine grössere gesundheitliche Bedrohung für gesunde Menschen darstellen als andere Oberflächen, die wir regelmässig berühren.»
Völlige Entwarnung will Egert aber nicht geben: «Wir haben auch potenziell gefährliche Bakterien gefunden», sagt er. «Deshalb sollten sich Smartphone-Nutzer bewusst sein, dass diese Bakterien zu einem Risiko werden können.» Gefährdet seien Menschen mit einem geschwächten Immunsystem – oder Leute, die ihre Smartphones etwa in Spitälern verwenden und diese dann an Dritte weitergeben.
Es sei deshalb wichtig, das Smartphone wie Hände und Brillen regelmässig zu reinigen. Das weiss mittlerweile auch Anna B. Sie ist wieder pickelfrei – weil sie ihr iPhone regelmässig säubert und von Keimen befreit.
*Name der Redaktion bekannt