Was die neue Sony ZV-1 soll, ist eigentlich auf den ersten Blick eindeutig. Die kompakte Kamera ist ganz aufs Videofilmen ausgelegt. Mit allen wichtigen Features, die man für hochqualitative Aufnahmen braucht – gerade auch, wenn man sich selber filmen will.
Vlog nennt sich das etwa auf Youtube beliebte Format, seine Alltagsgeschichten aus der eigenen Perspektive zu erzählen. Aber auch für Webseiten, Blogs oder nur für die eigenen Social-Media-Kanäle produzieren heute auch ganz normale Nutzer erstaunlich professionelle Bewegtbilder. Über Hobbys, Sport, Fitness oder einfach so zum Spass.
Doch richtet sich die ZV-1 nun an solche Amateure – oder doch nicht eher an Profis, die eine portable Zweitkamera brauchen? Das ist auch nach dem ausführlichen BLICK-Test nicht ganz klar.
Der Preis deutet schon mal eher auf den Profi-Bereich hin. Denn die ab Juni erhältliche ZV-1 kostet immerhin 880 Franken. Der passende Grip ist mit 220 Franken auch nicht gerade günstig. Auch das komplizierte Menü mit den unglaublich vielen Video- und Fotofeatures deutet auf erfahrene Nutzer hin. Als Einsteiger verliert man da schnell die Übersicht.
Immerhin hat Sony einige Software-Spielereien eingebaut, die sich an Amateure richten. So dass man trotzdem ganz schnell mit den ersten Videos loslegen kann. Und: Auch ohne viel Erfahrung gelingen Aufnahmen, die besser und professioneller aussehen als mit den besten Smartphone-Kameras.
Das liegt an der Technik, die drin steckt. Sony hat in die ZV-1 denselben 1-Zoll-Sensor eingebaut wie in der vielgelobten RX100 VII, die mindestens 1000 Franken kostet. Die RX-Serie von Sony ist ja auch bei Profis beliebt, die mit einer Kompaktkamera Fotos in Spiegelreflex-Qualität machen wollen.
Ein Leichtgewicht mit drehbarem Screen und Mic-Eingang
Mit weniger als 300 Gramm ist die ZV-1 ein Leichtgewicht und teilt sich die meisten Komponenten mit der RX-Serie: technisch oft ein Mix aus RX 100 V und RX 100 VII. Das Objektiv entspricht 24 bis 70 Millimeter, der schnelle Autofokus kann 315 Punkte gleichzeitig ansteuern.
Die wichtigsten Features sind aber, dass man den 3-Zoll-Bildschirm seitlich ausklappen und drehen kann. So hat man sich perfekt im Bild, wenn man sich selber filmt. Clever auch, dass der Klappbildschirm auf der Seite durch nichts blockiert wird. Weder durch Anschlüsse noch durch Zubehör.
Wichtig für Filmer ist auch der Mikrofon-Eingang, der spezielle Auslöser für Videos und der Blitzschuh, um Zubehör aufzustecken. Bei Sony-Mikrofonen etwa geht das dank eines direkten Kontaktes sogar ohne zusätzliches Kabel.
Soweit hat Sony die Video-Pflichten locker erfüllt. Und die Japaner bieten sogar einen Bonus: Einerseits lässt sich der Mikrofon-Pegel permanent im Screen anzeigen, andererseits sieht man dank eines starken roten Lichtes auf der Vorderseite auch bei Sonne immer, ob die Kamera wirklich aufzeichnet. Nichts ist nämlich ärgerlicher als wenn man meint, dass man auf Record gedrückt hat und dann ist trotzdem nichts auf der Speicherkarte.
Sony vergeigt die Bestnote in den Details
Im ausführlichen Alltagstest zeigen sich dann aber auch Schwächen, manche sind sogar nervig. Profis etwa werden enttäuscht sein, dass man problemlos 4K aufnehmen kann, aber nur bis zu 30 Bildern pro Sekunde. Für die auf Youtube so beliebten Zeitlupen und etwas mehr Spielraum bei der Nachbearbeitung ist das zu wenig.
Einsteiger wird das weniger kümmern. Doch gerade die junge Generation wird ob der antiquierten Menüführung und des Screens staunen. Der Bildschirm ist zudem nur ein «halber» Touchscreen. Man kann zwar mit einem Fingertipp auf etwas fokussieren, die ganzen Menüs lassen sich aber nur mit den Knöpfen bedienen. Nicht mal das riesige Play-Symbol beim Abspielen von Videos ist ein echter Touch-Button.
Dass kein Kopfhörer-Ausgang integriert ist, um den Ton zu kontrollieren, ist bei einer kompakten Videocam verschmerzbar. Nicht aber, dass Sony in dieser Preisklasse auf den veralteten Micro-USB-Anschluss setzt. Den braucht man nicht nur, um Daten zu übertragen, sondern auch, um den Akku zu laden. Denn ein separates Ladegerät für die Batterie ist nicht inklusive.
Im Test konnten wir etwas über 40 Minuten filmen. Das tönt im ersten Moment nach viel, aber wer ein paar Minuten Video produziert, wird ganz schnell die Batterie in einem Shooting leeren. Ein zweiter Akku für 55 Franken ist daher sicher empfehlenswert.
Bester Grund für die Sony ZV-1 ist die Bildqualität
Ein letzter Kritikpunkt noch: Die 220 Franken teure Halterung ist leider teilweise eine Fehlkonstruktion. Zwar ist es praktisch, dass man direkt am Grip die Aufnahmen starten und weitere Funktionen bedienen kann. Der Stick lässt sich auch ganz einfach in einen kleinen Tripod verwandeln, der Winkel lässt sich mit einem Knopfdruck verstellen. Dass die aufgeschraubte Halterung auch gleich noch das Speicherkarten- und Akku-Fach blockiert, ist da fast schon Nebensache.
Aber: Gerade für Video-Blogs taugt die Halterung nicht. Will man sich selber filmen, muss man trotzdem die Hand weit nach vorne strecken. Denn mit maximal 24 Millimeter hat man halt kein wirklich weites Weitwinkel-Objektiv zur Verfügung. Damit man gut im Bild ist, braucht es also etwas Distanz. Der Stick müsste doppelt so lang sein, damit er sinnvoll und bequem eingesetzt werden kann.
Es gibt aber einen sehr guten Grund, sich die ZV-1 trotzdem genauer anzuschauen. Denn die Videoqualität ist ausgezeichnet. Man könnte auch sehr gute Fotos machen, wer das aber primär möchte, der ist mit einer RX-100 besser bedient.
Die Videoqualität ist ausgezeichnet. An Lichtwechsel oder unvorteilhafte Verhältnisse passt sich die kompakte Kamera ausserordentlich gut an. Auch der Fokus reagiert schnell und zuverlässig. Das ist fürs schnelle Filmen sehr wichtig – und auch Einsteiger müssen nicht viel machen, ausser die Motive im Bild zu halten.
Einsteiger werden auch Spass an den speziellen Vlog-Modi haben: So kann man den Hintergrund automatisch unscharf stellen, was sehr gut funktioniert. Oder der Produkte-Präsentations-Modus, der schnell darauf reagiert, wenn man etwas in die Kamera hält.
Das BLICK-Testfazit: Die Sony ZV-1 hat zwei Zielgruppen. Video-Einsteiger, die bereit sind, recht viel Geld zu investieren, und dafür eine sehr gute Bildqualität erhalten und sich dann nach und nach in die tiefen der Menüs vorwagen wollen. Und dann Profis, die eine leichte, kleine und portable Zweitkamera brauchen, die eine möglichst gute Qualität liefert und die trotzdem Klappdisplay und Mikrofon-Anschluss hat.
Überzeugend sind die Videos, die man damit ganz einfach machen kann. Schade, hat Sony nicht noch konsequenter in Richtung Videoshooting entwickelt und alle Aspekte genau durchgedacht.