Ein Bildschirm voller Ziffern und Formeln. Ein junger Mann sitzt davor, hackt in die Tasten. Neben ihm verdreht ein anderer zwei Drähte miteinander, um sie kurz darauf zu löten. Im Obergeschoss ertönt ein schwirrendes Geräusch, mal lauter, mal leiser. Die Mitarbeiter lassen sich davon nicht irritieren, nehmen es wohl gar nicht mehr wahr. In diesem Büro in Lausanne gestalten 75 Angestellte neue Technologien für die Zukunft – das Unternehmen Flyability stellt Drohnen her.
Wir glauben, Drohnen zu kennen: Für wenige Hundert Franken kaufen sie Hobbyfotografen im nächsten Supermarkt, um Luftbilder von oben zu schiessen. Immer wieder gibt es Ärger mit den kleinen Flugobjekten. Doch damit haben die Drohnen von Flyability nicht viel zu tun. Sie sind nicht für die private Verwendung gedacht. Das belegt der Preis: 25 000 Franken kostet ein Exemplar. Ein fliegendes Ding, umhüllt von einem kugelförmigen Käfig. Dieser schützt das sensitive Flugobjekt vor Zusammenstössen. Die Drohne ist in der Lage, in räumlich begrenzte Umgebungen zu fliegen, wo Menschen nur mit Mühe hinkommen. Wie Tanklager oder Cheminées. Dort macht sie zum Beispiel Aufnahmen von Lecks.
Flyability ist aber nicht die einzige Drohnenfirma mit Erfindergeist. Der Bund schätzt, dass in der Schweiz inzwischen rund 80 Firmen in der Drohnen-Industrie tätig sind. Tendenz steigend. Viele davon in und um Lausanne – die Region entwickelt sich zum Drohnen-Valley. Die Schweiz, bekannt für Schokolade, Käse und Uhren, ist in den letzten Jahren ein Mekka für unbemannte Luftfahrzeuge geworden. Besonders beim Entwickeln sind Schweizerinnen und Schweizer spitze.
Von fliegenden Insekten inspiriert
Mitverantwortlich für den Boom sind die beiden technischen Hochschulen in Lausanne (EPFL) und Zürich (ETH). Beide verfügen über Robotik-Institute, in denen die klügsten Köpfe zusammenfinden. 2017 absolvierten 246 Studentinnen und Studenten ihren Master in Engineering an der EPFL. 140 haben promoviert. Viele von ihnen haben sich im Labor von Professor Dario Floreano das nötige Fachwissen angeeignet. An der Schnittstelle verschiedener Disziplinen wie der Evolutionären Robotik oder der bioinspirierten Drohnen verwandelten die Studierenden ihre Ideen in Erfolgsprodukte.
Floreano war es auch, der 2010 die Ausschreibung für einen Schweizer Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS, auch NCCR Robotics) in Robotik gewinnen konnte. Floreano baute eine landesweite Organisation auf, die erstklassige Wissenschaftler aus dem ganzen Land zusammenführt, finanziert durch den Bund. «Der NFS Robotik föderiert die Entwicklung von auf den Menschen ausgerichtete Robotertechnologien für mehr Lebensqualität», erklärt Jan Kerschgens, der Geschäftsführer und Technologietransferbeauftragte des NFS Robotik an der EPFL. Insgesamt haben sie in den letzten vier Jahren 13 Start-ups unterstützt. Flyability ist eines davon.
Die beiden Gründer von Flyability, Patrick Thévoz und Adrien Briod, haben sich bereits während ihres Studiums an der EPFL für autonome Technik begeistert. Die Idee für ihr Produkt hatten sie nach den Erdbebenkatastrophen in Fukushima und Haiti. «Wir glauben, dass Roboter anstelle von Menschen in gefährliche und schwer zugängliche Bereiche geschickt werden sollen», erklärt der Geschäftsführer Patrick Thévoz. Inspirieren liessen sie sich von fliegenden Insekten. «Diese haben die Fähigkeit, nach einem Zusammenstoss einfach weiterzufliegen. Das sollte unsere Drohne auch können.»
Drohnen für die Eliteeinheit der französischen Polizei
Vor vier Jahren hat das Team mit der Arbeit an der Drohne und dem flexiblen Gitterkäfig begonnen, acht Prototypen hergestellt, bis es schlussendlich seinen «Elios» auf den Markt brachte. Nun arbeiten bereits über 300 Industrieunternehmen weltweit mit den Produkten von Flyability. Eine Eliteeinheit der französischen Polizei etwa setzt sie ein, oder die Stadt Barcelona für ihr Abwassersystem. Gemäss Thévoz sind sie zwar in einem Nischenmarkt tätig. «Es ist aber ein Markt, der ständig wächst.»
Noch ganz am Anfang steht die Firma Motion Pilot. Ein weiteres Spin-off der EPFL. Während des Studiums haben die Gründer Timothée Peter, Benjamin Bonnal und Arthur Gay eine Steuerung für Drohnen entwickelt, die auf die Bewegung der Hand reagiert. Auf kleinstem Raum basteln die drei Tüftler heute an ihrem Produkt, testen ihren Regler auf dem Feld nebenan. «Die Interaktion mit der Drohne wird durch die Bewegungssteuerung intuitiver und lebendiger», erklärt Geschäftsführer Peter. Ein Produkt für die Freizeit, das den Spassfaktor erhöht. Der Regler von Motion Pilot macht das Flugerlebnis spannender und attraktiver. «Nicht aber unbedingt einfacher», so Peter. Eine Drohne zu fliegen brauche noch immer viel Achtsamkeit und Übung.
Trotz der vielen weiteren Start-ups hat es das Unternehmen geschafft, sich in der Branche zu etablieren. Konkurrenzdruck ist gemäss Peter nicht wirklich vorhanden. «In der Schweiz arbeiten wir zwar alle an ähnlichen Produkten, sind in der gleichen Industrie tätig. Unsere Ziele sind aber ganz unterschiedlich.» Man tausche sich aus, hole sich Tipps. Und diskutiere gar über Partnerschaften.
Vorfälle zwingen Behörde zu strengeren Gesetzen
Diese regelmässige Zusammenarbeit ist ein weiterer Faktor, weshalb es einige Dutzend Unternehmen in Lausanne geschafft haben, sich im Gewerbe zu behaupten. Ausserdem können sie auch auf die Unterstützung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl) zählen. Nicht in Form von Subventionen, sondern durch gesetzliche Rahmenbedingungen. «Wir wollen diese möglichst industriefreundlich gestalten», erklärt Urs Holderegger, Leiter Kommunikation Bazl. In der Schweiz wird nicht zwischen privater und kommerzieller Drohnennutzung unterschieden. Wer sich an die Regulierungen hält, darf seine Drohne fliegen lassen. Unternehmen brauchen keine Bewilligung, um ihre Produkte zu testen. In unseren Nachbarländern sowie in den USA ist die Gesetzgebung gemäss Holderegger weit weniger liberal.
Dennoch wird das Bazl die Regulierungen in Zukunft anpassen müssen. Denn heute ist es schwierig, den Drohnenbesitzer bei einem Zwischenfall ausfindig zu machen.
Drohne beinahe mit Flugzeug kollidiert
Zwischenfälle gibt es immer wieder. Der jüngste Vorfall wurde vor wenigen Tagen publik gemacht: Am 29. September surrte eine Drohne nur 20 Meter an einer Swiss-Maschine vorbei. Verletzt wurde niemand, doch die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle beurteilt den Vorfall als schwer. «Aus solchen Gründen wird es Verschärfungen geben», macht Holderegger klar. «Wahrscheinlich in Form eines Registrierungstools.» Dabei wolle man die Industrie aber nicht einschränken. «Diese Entwicklung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat, müssen wir weiter vorantreiben.» Schliesslich soll die Schweiz ihre internationale Vorreiterrolle in der Drohnentechnologie laut Holderegger nicht verlieren.
An diese Regeln müssen sich Drohnenpiloten halten
Sicherheitsabstand
Ich halte mich fünf
Kilometer von Flug- und Heliplätzen fern.
Höhenmeter
In Kontrollzonen fliege ich nicht höher als
150 Meter über Grund.
Überblick
Ich lasse meine Drohne nie aus den Augen.
Mitmenschen
Grossen Menschenansammlungen nähere ich mich nicht. Wenn doch: Mindestens
100 Meter Abstand.
Fluggewicht
Meine Drohne ist in der Luft nicht schwerer
als 30 Kilo.
Privatsphäre
Respektiere ich immer.
An diese Regeln müssen sich Drohnenpiloten halten
Sicherheitsabstand
Ich halte mich fünf
Kilometer von Flug- und Heliplätzen fern.
Höhenmeter
In Kontrollzonen fliege ich nicht höher als
150 Meter über Grund.
Überblick
Ich lasse meine Drohne nie aus den Augen.
Mitmenschen
Grossen Menschenansammlungen nähere ich mich nicht. Wenn doch: Mindestens
100 Meter Abstand.
Fluggewicht
Meine Drohne ist in der Luft nicht schwerer
als 30 Kilo.
Privatsphäre
Respektiere ich immer.