Auf Schritt und Tritt dabei
Wie gesund sind Fitness-Gadgets wirklich?

Schritte zählen, Schlaf überwachen, Sport messen – Fitnesstracker und smarte Uhren sorgen sich um unsere Gesundheit. BLICK erklärt, was das bringt.
Publiziert: 29.11.2017 um 11:06 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:33 Uhr
Fitnesstracker können zu mehr Sport und Bewegung animieren, allerdings fallen auch viele sehr persönliche Daten an.
Foto: Getty
Lorenz Keller

Über 100 Millionen Wearables haben die Hersteller 2016 weltweit verkauft. Also tragbare Gadgets wie Armbänder oder Uhren. Und das Wachstum geht weiter. In diesem Jahr dürften es laut den Analysten von IDC über 120 Millionen sein. Bis 2021 soll sich die Zahl auf 240 Millionen Geräte pro Jahr verdoppeln.

Die meisten Wearables sind Fitnesstracker, oft in Form von Armbändern oder Sportuhren. Aber auch die hoch entwickelten Smartwatches wie die Apple Watch sind ganz auf Sport und Gesundheit ausgerichtet.

Sie zählen jeden Schritt, überwachen die Schlafphasen, berechnen den Kalorienverbrauch beim Sport und bieten ausgefeilte Trainingsprogramme. Einfache Geräte haben einen Bewegungssensor, um Schritte zu zählen. Hightech-Gadgets kombinieren das mit einem Pulssensor, GPS-Tracker oder gar Höhenmesser. Sportliche Leistungen können damit im Detail erfasst werden. Doch die Meinungen gehen auseinander, ob das etwas bringt.

Tracker kann kontraproduktiv sein

Sportforscherin Christina Spengler ist kritisch. Sie untersucht am ETH-Institut für Bewegungswissenschaften und Sport Leistungsfähigkeit und Ausdauer. Zwar sei es positiv, dass viele Menschen sich ein Bewegungsziel setzten und sich für ein aktives Leben entschieden. «Aber ein Tracker kann kontraproduktiv sein, wenn er zur Selbstüberschätzung führt.»

Positiver sieht Rahel Gilgen-Ammann von der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen BE das digitale Tracking. «Fitnesstracker können einen gesünderen Lebensstil unterstützen», sagt sie. Weil sie helfen, die eigenen Aktivitätsvorsätze zu realisieren.

Das Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz (hepa.ch) empfiehlt, jeden Tag mindestens 10'000 Schritte zu gehen und sich 150 Minuten pro Woche mit mindestens mittlerer Intensität zu bewegen. Also etwa zu wandern, Velo zu fahren oder im Garten zu arbeiten. «Eine subjektive Einschätzung der eigenen Aktivitäten ist sehr schwierig. Man überschätzt sich meistens», sagt Gilgen-Ammann. Die digitalen Messgeräte zeigen schwarz auf weiss, ob man die gesteckten Ziele erreicht und die Bewegungsempfehlungen erfüllt oder nicht.

Die Gadgets können zu mehr Bewegung motivieren

Dass die meisten Tracker nicht exakt sind, räumen alle Experten ein. Trotzdem könne ein normales Fitnessarmband motivierend sein, sagt Rahel Gilgen-Ammann.

«Es können persönliche Zielsetzungen in den Tracker eingegeben werden, dadurch fühlt sich der Träger direkt angesprochen», sagt sie. Wer die Bewegungsdaten auf Internet-Plattformen mit Freunden teilt, erreicht gar eine Art Wettkampfatmosphäre, was zu einer Steigerung der Aktivität führen kann. 

Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse dazu? «Die Ergebnisse zeigen, dass durch den Einsatz von Fitnesstrackern die körperliche Aktivität gesteigert sowie das Körpergewicht reduziert werden konnte», sagt Rahel Gilgen-Ammann. Allerdings seien die Resultate mit Vorsicht zu geniessen: Die Untersuchungsgruppen seien klein und umfassten nur spezielle Gruppen. Zudem fehlten langfristige Studien.

Die digitalen Gesundheitsdaten unter Kontrolle halten

Ein Problem ist schon heute offensichtlich: der Datenschutz. Christina Spengler von der ETH nutzt etwa Fitness-Apps nie mit dem richtigen Namen und gibt möglichst wenige Daten wie das Alter ein. Und auch Rahel Gilgen-Ammann findet: «Wer sein ganzes Bewegungsverhalten inklusive Ortsangaben preisgibt, verrät sehr viel über sich.»

Beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten ist das Thema angekommen. Dort gibt es ein Infoblatt mit Tipps. Unter anderem solle man unbedingt AGB und Datenschutzbestimmungen für einen Tracker oder eine App lesen.

Der Datenschützer untersucht momentan vor allem Angebote von Krankenkassen, die Fitnessdaten mit Trackern erheben und dafür Prämienrabatte gewähren. Aktuell zum Beispiel die Helsana App, mit der man unter anderem Pluspunkte sammeln kann, wenn man aktiv ist. Für die Punkte gibts bis 300 Franken jährlich und Rabatte bei Partnern.

Prämienrabatte sind nur bei Zusatzversicherungen möglich – nicht in der Grundversicherung. Die Nutzer müssen einwilligen, dass ihre Daten kommerziell genutzt werden. Laut Gesetz müssen sie die Verwertung ablehnen können. Zudem darf der finanzielle Anreiz nicht so gross sein, dass sich jemand zur Freigabe der Daten gezwungen sieht.

Was bringt die Zukunft? Die Datenerhebung wird weiter perfektioniert. Die Sensoren werden kleiner, billiger und leistungsfähiger und in Alltagsgegenstände wie Schmuck oder Kleidung integriert. Während man heute Schritt- oder Aktivitätszahlen selber auswerten muss, übernehmen dies in Zukunft Algorithmen.

Künstliche Intelligenz wird einem Gesundheitstipps geben, die ideale Schlafenszeit ankündigen oder einen Vorschlag machen, welche Aktivität angesagt wäre. Dank Zugriff auf den Terminkalender kann sie auch gleich sagen, wann Zeit dafür ist. Der digitale Personal Trainer kann die Motivation stärken und zu einem gesünderen Leben helfen. Aber er kann auch die persönliche Freiheit einengen und den letzten Rest Spontaneität vertreiben. Und die Kontrolle über die eigenen Gesundheitsdaten zu behalten, wird noch schwieriger.

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