Digitalisierungsexperte Professor Martin Vetterli erklärt
Wieso wird man süchtig nach Facebook?

Martin Vetterli ist Präsident der EPFL in Lausanne und führender Experte für Digitalisierung. Jede Woche erklärt er Begriffe aus der digitalen Welt.
Publiziert: 08.04.2018 um 13:13 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:25 Uhr
Foto: REUTERS
Martin Vetterli
Martin VetterliPräsident der EPFL Lausanne

Laut einigen Experten ist das Kerngeschäft von sozialen Netzwerken wie Facebook dem Drogengeschäft nicht unähnlich. Es geht um ­Abhängigkeit. Tatsächlich ist da etwas dran: Facebook will Sie dazu bewegen, immer wieder zurückzukommen. Und nur Drogendealer und IT-Leute nennen ihre Kunden «User». Aber wie macht Sie Facebook high?

Im Prinzip sind Sie beim ­Surfen im Internet nichts anderes als eine Nummer ohne Identität (die Nummer dient dazu, Ihren Computer zu identifizieren). ­Soziale Medien wie Face­book versuchen ein psycho­logisches Profil von Ihnen nachzubilden, indem sie alle möglichen Spuren sammeln, die Sie hinterlassen: von Daten wie ­Ihren Profileinstellungen und Freunden auf Face­book bis hin zu Offline-Daten von Aggregatoren wie Kreditkartenunternehmen und natürlich durch Ihre Likes/Gefällt mir auf Facebook (tatsächlich wurde der berühmte Like-Button von Facebook genau zu diesem Zweck im Jahr 2009 erst eingeführt). 

Jeder sieht andere Werbeanzeigen

Basierend auf all diesen Daten wird Facebook Ihnen den besten Inhalt vorschlagen, der zu Ihrem neuen digitalen Profil passt. Wenn Sie regelmässig Katzen­bilder liken, wird Facebook ­Ihnen noch mehr solche Bilder vorschlagen. Aber die genaue Methode, wie Facebook dies durchführt, ist Teil seines patentierten Geschäftsgeheimnisses. Jedoch ist der wirkliche Grund, warum Facebook ein Profil von Ihnen erstellt, ein anderer. Es geht darum, dass Sie dort Zeit verbringen und Ihre Aufmerksamkeit so lange wie möglich erhalten werden soll. Schliesslich ist es ähnlich wie bei einem Fernsehsender: Je mehr Aufmerksamkeit Sie Facebook schenken, desto besser kann es Ihnen massgeschneiderte Produkte verkaufen.

Hier tritt allerdings der gemeine Punkt zutage: Anders als im Fernsehzeitalter sieht jeder, der im Internet unterwegs ist, unterschiedliche Werbeanzeigen! Betrachtet man das Katzenbeispiel, bedeutet dies, dass Sie «nützliche» Posts für Katzenprodukte sehen werden und Ihre Freunde, basierend auf deren Likes, etwas völlig anderes. Das ist an und für sich nichts Schlechtes, denn es werden Ihnen letztlich nützliche Anzeigen vorgeschlagen (was definitiv besser ist, als noch ­einen der endlosen Waschmittel-Werbespots im Fernsehen der 90er anzuschauen). Allerdings kann die Profilerstellung auch verwendet werden, um gezielt politische Werbung zu platzieren.

Unternehmen können Daten ausnutzen

Wie Sie wahrscheinlich durch die Presse gehört haben, war das Unternehmen Cambridge Analytica in der Lage, an grosse Mengen solcher persönlichen Face­book-Daten von 87 Millionen Nutzern zu gelangen. Auf dieser Datengrundlage konnte es heraus­finden, dass Leute, ­denen KitKats gefiel, auch dazu neigten, Israel zu hassen. Dann hat es ­solche Trends benutzt, um ­spezifische, mit Israel zusammenhängende Nachrichten für KitKat-Fans bereitzustellen (wahrscheinlich aus der Kam­pagne von Donald Trump).

Es ist so weit gegangen, dass der Vorstandschef des Unternehmens kürzlich erklärte, dass es mittlerweile vier- bis fünftausend Datenpunkte über jede Einzelperson habe, die in den Vereinigten Staaten lebt! Wir sollten also vorsichtig sein mit dem, was wir auf Facebook liken, denn es kann – wie bei echten Drogen – böse enden.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?