Die Zukunft am Finger
Diesen Ring ziehe ich so schnell nicht wieder aus

Sind schlaue Ringe die Lösung für alle Leute, die keine klobigen Smartwatches mögen? Blick hat den Ultrahuman Air getestet. Er überzeugt durch sein Schlaftracking und die lange Akkulaufzeit.
Publiziert: 24.08.2024 um 13:15 Uhr
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Der Ultrahuman Air sieht aus wie ein normaler Ring.
Foto: Tobias Bolzern
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Tobias BolzernRedaktor Digital

Wer seine Vitalparameter überwachen will, greift heute zu einer Smartwatch. Mir sind sie aber alle zu klobig, und das ständige Aufladen der modernen Uhren nervt mich. Weiter kommt hinzu, dass ich kein Uhrentyp bin. 25 Jahre meines Lebens habe ich gar keine Uhr getragen. Und wenn heute etwas am Handgelenk baumelt, ist das immer noch ein komisches Gefühl. Da scheint mir ein Smartring genau das Richtige zu sein – oder?

24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr: Ein Smartring am Finger überwacht mit verschiedenen Sensoren die Vitalität – rund um die Uhr. Solche Minicomputer für den Finger gibt es zwar schon seit über zehn Jahren, doch sie sind noch immer ein Nischenprodukt. Das soll sich bald ändern. So hat Samsung, der weltgrösste Handyhersteller, im Juli einen Smartring auf den Markt gebracht. In der Schweiz wird er allerdings erst 2025 erhältlich sein. Doch schon heute bieten verschiedene Hersteller intelligente Ringe an. Blick hat den Ultrahuman Air drei Monate lang getestet.

Grösse 9 passt perfekt

Im Gegensatz zu einem Uhrenarmband kann der Smartring nicht einfach an die Grösse des Fingers angepasst werden. Deshalb kommt nach der Bestellung des Rings zuerst eine Schachtel mit zehn Plastikringen in verschiedenen Grössen per Post. Hergestellt mit einem 3D-Drucker – das hat Charme. Denn hinter dem Ring steckt kein Megakonzern, sondern ein Start-up aus Indien.

Drei Finger kommen für den Ring infrage: Zeige-, Mittel- und Ringfinger. Wählt man die passende Grösse, sollte man ein bis zwei Nächte damit schlafen und ihn sicher 48 Stunden tragen. Denn die Finger können anschwellen. Ich habe mit der Grösse Nummer 9 den perfekten Ring gefunden. Ein paar Tage später kam dann der echte Smartring mit der Post.

Den Ultrahuman Air gibt es in verschiedenen Farben. Ich habe mich für das Modell Raw Titanium entschieden. Das wirkt auf mich am dezentesten. Schwarz war mir zu brutal und Silber und Gold zu glänzend. Und wie sieht er aus? Wenn man nicht weiss, dass es ein Smartring ist, sieht man es von aussen nicht. Man merkt auch kaum, dass man ihn trägt. Denn er wiegt je nach Grösse nur 2,4 bis 3,6 Gramm. Beim Modell aus Titan bekommt der Ring nach ein paar Wochen ein paar Kratzer. Das trägt aber zu einer schönen Patina bei.

Leuchtturm in der Nacht

Da der Ring kein Display hat, muss er erst mit der entsprechenden App gekoppelt werden. Diese gibt es sowohl für Android-Handys als auch für das iPhone. Die Einrichtung ist bubieinfach und in wenigen Sekunden erledigt. Dann kann es losgehen. Hinter einer Schicht aus Epoxidharz verbergen sich mehrere Sensoren. Sie messen die Hauttemperatur, den Blutsauerstoff oder per Infrarot den Puls über die Veränderung des Blutvolumens (Photoplethysmographie, kurz PPG). Wenn dieser Sensor aktiv ist, schimmert der Ring leicht grün. Ich reagiere zwar in der Nacht sensibel auf Licht, mich hat das aber nie gestört.

Schlafqualität: 96 Prozent

Die Messdaten werden per Bluetooth Low Energy auf das Handy übertragen. Die wichtigste Funktion ist für mich die Schlafüberwachung. Die App zeigt mir jeden Morgen an, wie meine Schlafqualität war, wie ich geschlafen habe, ob es unruhige Momente gab und wie viele Schlafzyklen ich hatte. Am Ende der Woche erhalte ich ausserdem eine Trendanalyse, wie sich mein Schlaf entwickelt hat. Der Ring hat mir geholfen, meinen Schlaf deutlich zu verbessern. Denn er zeichnet nicht nur auf, sondern gibt auch hilfreiche Tipps, wie man die Werte verbessern kann. Zum Beispiel, wann ich auf Stimulanzien wie Kaffee verzichten oder wann ich ins Bett gehen sollte.

Auch das Training kann der Smartring überwachen – allerdings ist diese Funktion noch in der Testphase. Die Eingabe ist umständlich. So muss man das Training vorher manuell starten. Zur Auswahl stehen zahlreiche Disziplinen: Wandern, Paintball, Reiten, Fechten und auch Yoga sind dabei. Diese Funktion habe ich nicht genutzt. Wer hier den Fokus hat, für den ist der Ring weniger gut geeignet als eine Smartwatch. Denn die meisten modernen Uhren können im Gegensatz zum Ring automatisch erkennen, wann und sogar welches Training man absolviert. 

Der Akku hält sechs Tage

Was automatisch erfasst wird, sind die Schritte. Allerdings sind Ringe zum Zählen der Schritte weniger gut geeignet als Uhren und Schrittzähler. Man sollte sich also nicht zu sehr auf die Zahl verlassen. Bei mir hat der Ring an manchen Tagen bis zu 20 Prozent weniger Schritte angezeigt als mein Smartphone, das im Hosensack war und die gleiche Strecke zurückgelegt hat wie der Ring.

Der Ultrahuman Air hat eine Laufzeit von etwa sechs Tagen. Im Test wurde er oft sonntags aufgeladen und musste erst am Freitagabend wieder an die Steckdose. Zum Aufladen wird der Ring auf ein Ladegerät gesteckt, das über USB-C mit dem Stromnetz verbunden ist. Etwas unangenehm: Beim Aufladen wird der Ring sehr heiss. Deshalb sollte man nach dem Aufladen etwas warten, bevor man ihn wieder aufsetzt.

Zwar ist der Ring laut Hersteller bis zu 100 Meter wasserdicht. Ich habe ihn aber jedes Mal zum Duschen oder Händewaschen abgenommen – und deshalb zwei Mal kurz verloren. Beim ersten Mal habe ich ihn nur mit viel Glück wiedergefunden. Beim zweiten Mal habe ich die Suchfunktion ausprobiert, die per Update in die App gekommen ist. Sie zeigt an, ob man sich in der Nähe befindet. Wirklich genau ist sie aber nicht. Immerhin weiss man, ob man sich im selben Raum wie der Ring befindet.

Ring ohne Abomodell

Auch die App hat noch Schwächen. Sie wurde zwar in den vergangenen Monaten weiterentwickelt, und es sind sogar einige neue Funktionen hinzugekommen. Aber noch immer zeigt sie mir an manchen Stellen meine Temperatur in Fahrenheit statt in Celsius an. Und auch bei der deutschen Übersetzung der App hapert es noch an einigen Stellen. Wer die Ultrahuman-App nicht nutzen möchte, kann seine Daten auch an andere beliebte Apps wie Strava, Google Health oder Apple Health übertragen.

Im Gegensatz zu anderen Ringherstellern – etwa Oura – verkauft Ultrahuman mit seinem 350 US-Dollar teuren Fingercomputer kein Abo. Alle beschriebenen Funktionen sind inklusive. Mittlerweile gibt es aber einen Mini-Shop innerhalb der App. Dort können zusätzliche Funktionen heruntergeladen werden, zum Beispiel ein Tracker für den weiblichen Zyklus. Auch Partnerfirmen können dort Funktionen anbieten. So gibt es eine Erkennung von Vorhofflimmern. Diese kostet 5 Dollar im Monat, ist aber in der Schweiz gar nicht verfügbar. Das ist bisher die einzige Funktion in dem Store, die etwas kostet.

Was ich mir noch gewünscht hätte, wäre ein NFC-Chip im Ring, um mit dem Gerät an der Kasse bezahlen zu können. Dann könnte man auch mal das Smartphone zu Hause lassen und nur mit dem Ring unterwegs sein. Das gibt es aber bisher nicht.

Ultrahuman Air: Mein Fazit

Der Ultrahuman Air ist eine interessante Alternative zur Smartwatch. Für mich und andere, die kein Gerät am Handgelenk tragen wollen, sind solche intelligenten Ringe ein echter Gewinn. Mich persönlich hat das Schlaftracking total überzeugt, weshalb ich den Ring auch weiterhin tragen werde. Ich möchte aber noch weitere Smartringe ausprobieren. Allerdings hat der Ultrahuman Air auch Schwächen, wie die ungenaue Schrittzählung oder das bisher nicht ausgereifte Workout-Tracking. Da für mich die beiden Dinge nicht so wichtig sind, ist das nicht schlimm. Für den Ring sprechen wiederum die lange Akkulaufzeit und die Tatsache, dass er ohne Abo-Modell funktioniert. Mit einigen Verbesserungen in der App und etwaigen zusätzlichen Features wie einem NFC-Chip könnte der Ultrahuman Air Smartring sein volles Potenzial entfalten.

Transparenz bei Blick

Dieses Gerät wurde Blick vom Hersteller für den Test zur Verfügung gestellt. Der Hersteller hat keinerlei Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung.

Dieses Gerät wurde Blick vom Hersteller für den Test zur Verfügung gestellt. Der Hersteller hat keinerlei Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung.

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