Zwei Computerfreaks bringen das Hashtag auf die Bildschirme der Welt: «#define» leuchtet die helle Schrift auf schwarzem Hintergrund. 1978 definieren die Amerikaner Brian Kernighan und Dennis Ritchie die Raute – oder den Gartenhag, wie das Doppelkreuzin der Schweiz treffend heisst – als Befehlseingabe in ihrer Computerprogrammiersprache C, einem Vorläufer von Java.
Das ist nun genau 40 Jahre her. Seither hat die Raute durch Twitter, Google, Facebook & Co. im Internet eine beispiellose Karriere gemacht. Alleine bei Twitter, wo man das Doppelkreuz (Hash) vor einem Begriff bereits seit 2007 zur Markierung (Tag) eines Schlagworts benutzt, gehen gegenwärtig täglich rund 125 Millionen Hashtags durch die Luft. Auch wenn ein # auf einem Smartphone bloss wenige Millimeter misst, liesse sich mit den aneinandergereihten Gartenhägen einer Twitter-Woche die ganze Schweiz umzäunen.
Chris Messina twittert das erste Hashtag
Ein Zeichen zingelt uns ein und hat jeden im Griff – nicht nur Schweizer, auch Chinesen und sogar Araber, obwohl es eine Art Kreuz ist. «#MeToo – ein Hashtag geht um die Welt», titelte neulich selbst die alte Tante NZZ auf der Frontseite. Der globale Erfolg der Raute hat vor allem mit der weltweiten Verbreitung des Zeichens auf jeder Telefontastatur seit den 1960er-Jahren zu tun: unten rechts. Und bei der Einführung des Hashtags für Twitter hatten die meisten noch ein Tastenhandy von Nokia; das iPhone mit dem Touchscreen kam erst 2007 auf den Markt.
Der US-Software-Entwickler Chris Messina kommt 2006 zu Twitter und überlegt sich gleich zu Beginn, wie er Tweets mit bestimmten Inhalten oder zu bestimmten Themen ordnen und auffindbar machen kann. Er beobachtet, dass man sich in gewissen Online-Chat-Foren die Entwicklung von Kernighan und Ritchie zu eigen gemacht hat, um Texte zu kanalisieren. Und er denkt sich: Lasst uns für Twitter einfach dieses Rautezeichen nehmen und damit Gespräche verschlagworten.
Am Donnerstag, 23. August 2007, abends um 8.25 Uhr, ist es so weit: Der 23-jährige Messina schickt seine Idee den Twitter-Gründern und setzt damit den ersten Tweet mit einem Hashtag ab. «How do you feel about using # (pound) for groups. As in #barcamp [msg]?», twittert er – «Was meint ihr dazu, das # (Pfundzeichen) für Gruppen zu verwenden wie in #offeneTagung [Nachricht]?» Die Empfänger finden den Vorschlag zunächst zu nerdig, doch Tausende liken den Tweet. Noch heute bekommt Messina Dankesbekundungen für seine wegweisende Idee.
Dass Messina in Zusammenhang mit # von einem Pfundzeichen spricht, hat mit dem englischen Sprachgebrauch zu tun. Und der weist auf die altehrwürdige Herkunft des Doppelkreuzes hin. Seine Wurzeln gehen nämlich bis ins antike Rom zurück: Dort kommt die lateinische Bezeichnung «libra pondo» für ein Pfund Gewicht auf. Das römische Pfund entspricht ein bisschen mehr als 300 heutigen Gramm.
Im Mittelalter fasst man «libra pondo» zu lp zusammen; und wie damals für eine Abkürzung üblich, verbindet ein waagrechter Strich die beiden Kleinbuchstaben. Da Geschäftsleute das Zeichen derart oft in ihren Geschäftsbüchern und Dokumenten gebrauchen, schleicht sich irgendwann eine Nachlässigkeit ein: Die beiden Buchstaben verschmelzen zu einem kleinen Doppelkreuz – so zumindest besagt es eine Theorie über die Herkunft des Rautezeichens. Wenn auch nicht als Gewichtsangabe, so hat sich im Englischen das Rautezeichen vor einer Zahl lange als sogenanntes «number sign» etwa in Adressen gehalten.
Instagram hat dem Hashtag zum Durchbruch verholfen
Vom römischen Gewicht über den Adresszusatz und die Programmiersprache bis zum Twitterzeichen: Das Doppelkreuz hat schon in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung gefunden.
Doch nicht genug damit: In der Verwaltung steht # für einen Minister, in einem Interview umschreibt ein Journalist mit # ein Schimpfwort des Gegenübers, im Schach meint # matt. Und in der Medizin steht # für einen Knochenbruch. Deshalb muss man auf feine Unterschiede achten: Während MFK-# eine Mittelfussfraktur bezeichnet, nimmt ein Tweet #MFK auf ein Museum für Kommunikation Bezug.
#MFK kann der Bildung einer Interessengruppe von Museumsbesuchern dienen, aber viel häufiger hilft es heute bei der Verschlagwortung von Fotos, die man zum Beispiel in solchen Ausstellungsräumen gemacht hat. Chris Messina ist deshalb überzeugt, dass erst der Bilderdienst Instagram zum Durchbruch des Hashtags geführt hat. Denn erst mit einer Beschreibung lässt sich ein Foto schnell auffinden. Doch auch darin wird sich das Rautezeichen bestimmt nicht erschöpfen: In ein paar Jahren werden wir das universell taugliche # sicher in einem neuen Bereich in einer weiteren Funktion wiederfinden. Wetten?