Foto: Reuters/Archivbild

Bizarrer Prozess um falschen Apple-Support
Ist Informatiker René K. (48) ein 0900er-Abzocker?

Hat Informatiker René K. mit kostenpflichtigen Nummern Leute abgezockt, die Hilfe bei Handy- oder Computerproblemen suchten? Vor dem Bezirksgericht Zürich waren zwei gegenteilige Meinungen zu hören.
Publiziert: 23.01.2019 um 21:36 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2019 um 09:46 Uhr
Simple Masche, simple Design: Mit dieser Google-optimierten Webseite geht der Supporter auf Kundenfang – sie ist immer noch online.
Foto: Screenshot BLICK
Lorenz Keller
Lorenz KellerDigital-Redaktor

Das Reden überlässt Informatiker René K.* (48) beim Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich meist seinem Pflichtverteidiger. Nur zur Person gibt er kurz Auskunft. Seit 30 Jahren arbeitete er als selbständiger Informatiker, bis er im August 2016 verhaftet wurde und danach 77 Tage in Untersuchungshaft verbrachte.

«Die Firma erlitt dadurch Totalschaden», sagt der Zürcher. Seither lebt er vom Vermögen, musste die zwei Geschäftsautos verkaufen, darunter einen Lamborghini. Schulden habe er keine, er müsse aber die Mutter pflegen, und das Vermögen sei wegen der langen Verfahrensdauer nun aufgebraucht. 

Auf Nachfrage des vorsitzenden Richters räumt er ein, dass er 25'000 Franken Schadenersatz aus einer Vorstrafe nicht gezahlt habe. Das Bezirksgericht – notabene mit demselben Richter – und später das Obergericht hatten ihn 2010 in einem Betrugsfall zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt.

Hier setzt auch die Staatsanwältin an. Trotz Vorstrafe habe René K. weiter sogenannte Mehrwertdienstnummern mit 0900er-Vorwahl betrieben und damit gewerbsmässig betrogen.

1.99 Franken pro Minute – auch nach Weiterleitung

Konkret: 2015 und 2016 habe er diverse Telefonnummern eingerichtet, die für Anrufer 1.99 Franken pro Minute kosten. In Branchenverzeichnissen bot er seine Dienste unter dem Stichwort «Apple Support» an – mit Postadressen in der ganzen Schweiz.

Auch über Google-Anzeigen warb er für Hilfe bei Problemen mit Apple-Produkten rund um die Uhr. Auch mit den Namen Samsung, Microsoft und Google hat der Angeklagte für seine kostenpflichtigen Telefonnummern geworben. Diverse rudimentäre Webseiten waren mit den Inseraten verbunden.

Der Vorwurf: Die User hätten gemeint, sie würden die offizielle Supportnummer anrufen. Zudem habe er ohne Angestellte den beworbenen 24-Stunden-Support gar nicht anbieten können. Statt aktiv Hilfe zu leisten, sei der grösste Teil der Anrufe direkt an die jeweiligen Supportnummern der Hersteller weitergeleitet worden, die gratis oder deutlich günstiger gewesen wären.

Nur manchmal habe René K. selbst abgenommen und nach «kurzer, belangloser Unterhaltung» auf die offiziellen Telefonnummern weitergeleitet. Auch auf Nachfrage habe er nicht offengelegt, dass er nicht Angestellter der bekannten Hersteller sei. Bei jeder Umleitung habe der Anrufer die 1.99 Franken pro Minute weiterzahlen müssen, bis zum Ende des Anrufs.

Staatsanwältin will dreieinhalb Jahre Gefängnis

Der Informatiker hat laut Anklage ein kompliziertes Konstrukt genutzt, um die Weiterleitungen zu verschleiern. Die Nummer, die schliesslich zur Weiterleitung an Apple, Google, Samsung oder Microsoft genutzt wurde, sei die einer anderen Informatikfirma mit normaler 044er-Vorwahl gewesen und zudem alle rund zwei Wochen geändert worden.

Schon 2015 hatten Apple und Samsung das Unternehmen von René K. abgemahnt, den Markennamen nicht länger für Werbung zu nutzen. Daraufhin hat er laut Staatsanwaltschaft eine rechtliche Bewertung eines Anwaltsbüro eingeholt. Aber trotz grosser Bedenken der Juristen weitergemacht wie vorher. Im untersuchten Zeitraum von knapp einem Jahr habe er so über 220'000 Franken unrechtmässig erwirtschaftet.

Die Staatsanwältin beantragt eine zu vollziehende Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und eine Geldstrafe von 9000 Franken. Dazu kommen Zivilforderungen von Microsoft, das über 37'000 Franken zurückfordert. Die Anwältin des US-Konzerns wollte vor Gericht sogar die Ausweitung des Untersuchungszeitraums von 2013 bis heute erwirken, da der Verdacht bestehe, dass René K. schon länger tätig gewesen sei. Microsoft blitzte damit aber vor Gericht ab.

Die Verteidigung verlangt 135'000 Franken Entschädigung

Eine ganz andere Version der Geschichte präsentierte die Verteidigung. Sie forderte einen Freispruch, eine Genugtuung von über 15'000 Franken für die U-Haft, dazu eine Entschädigung von 135'520 Franken.

Zwar sprach auch der Verteidiger davon, dass es «nicht die feine Geschäftsart» sei, nach der Weiterleitung zum offiziellen Support weiter 1.99 Franken pro Minute zu verlangen. Aber es sei eben auch nicht strafbar. Auch die bekannten und unbestrittenen Auskunftsdienste würden dies machen.

Er stellte auch in Abrede, dass der Angeklagte die Support-Leistung gar nicht habe erbringen wollen. Zum Beispiel habe er in zwei Monaten von 1043 Anrufen immerhin 283 persönlich angenommen – und das nur auf einer von diversen Support-Nummern.

«Die Kunden waren mit seinem Dienst zufrieden, es gab kaum Reklamationen, und auch die Staatsanwaltschaft hat keine Geschädigten gefunden», so der Verteidiger. Zudem sei immer transparent gewesen, was der Anruf koste.

Das Konstrukt mit den Umleitungen sei schlichtweg falsch und technisch auch gar nicht möglich. Habe niemand abgenommen, sei eine Bandansage gekommen. René K. habe niemanden getäuscht. 

Betrug oder nicht? Das Gericht hat am Mittwoch noch kein Urteil gefällt. «Da doch noch einige Fragen offen sind, brauchen wir etwas Zeit», sagte der Vorsitzende. Das Urteil wird schriftlich eröffnet – wohl erst im Februar.

Übrigens: Zwar hat das Bakom die 0900er-Nummern inzwischen gesperrt und die Einträge in den Branchenverzeichnissen sind gelöscht. Die Webseiten mit dem Support-Angebot sind aber immer noch aufgeschaltet.

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