Die Zahlen sind der Wahnsinn. Erst am 6. Juli erschien die Game-App «Pokémon Go» in den USA für Android und iPhone - heute spricht die ganze Welt davon. In Amerika fangen schon mehr Leute täglich Fantasiewesen als auf Twitter Nachrichten lesen. Auch in der Schweiz liegt die App auf Platz 1 der Charts.
Und wer das Spiel hat, nutzt es intensiv. 43 Minuten täglich. Zum Vergleich: WhatsApp liegt bei 30 Minuten, Snapchat bei 23 Minuten. Eindeutig ein süchtig machendes Spiel, das dank In-App-Käufen und Merchandising für Nintendo zur Goldgrube wird.
Erstaunlich ist, dass ein grosser Teil des Spielreizes von «Pokémon Go» auf Augmented Reality basiert (kurz AR, auf deutsch «erweiterte Realität«). Denn diese Technik galt bis vor Kurzem als Fehlschlag. Stattdessen setzte die Technikbranche von Samsung oder LG bis zu Facebook und Google in den letzten Monaten voll auf virtuelle Realität (VR).
Virtual Reality bedeutet totales Abtauchen
Der grosse Unterschied: Virtual Reality setzt auf eine künstliche 360-Grad-Welt, in die man total abtaucht. Bekanntestes Beispiel ist die Oculus-Rift-Brille von Facebook. Mit ihr wirkt die virtuelle Welt so, als stehe man mittendrin.
Augmented Reality mixt dagegen Wirklichkeit und künstliche Welt. «Pokémon Go» etwa nimmt die Google-Karten des Standortes, verwandelt diese in die Spielwelt und rüstet sie mit den Pokémon-Figuren, Arenen und so genannten Pokéstops aus.
An diesen Punkten kann der Spieler Ausrüstung sammeln. Pokéstops liegen bei markanten Gebäuden, Plätzen, Brunnen oder anderen fix installierten Objekten, die App zeigt jeweils sogar ein reales Foto davon.
Und hat man eines der Pokémons gefunden und will es einfangen, kann man das in der realen Umgebung tun. Die Kamera liefert das Live-Bild, der Rechner platziert darin die Comic-Figur. Ein perfekter Mix aus Realität und Fiktion.
Augmented Reality galt als Flop
Dabei war Augmented Reality eigentlich schon tot. Google Glass wurde vor einem Jahr eingestellt, nachdem der Internetgigant viel Energie in das 2012 lancierte Projekt investiert hatte. Doch die Brille mit pixliger Auflösung, die Infos nur auf ein Auge projizierte, konnte sich nie wirklich durchsetzen.
Man darf aber Google nicht abschreiben. Mit «Tango» haben die Amerikaner ein zweites AR-Produkt, das bereits in ein erstes Smartphone eingebaut ist. Die Technik verbessert die räumliche Ausmessung und ermöglicht es, einen Gegenstand mit einem Foto in allen Dimsensionen zu vermessen.
Grösseres Potenzial hat die Microsoft Hololens. Hier trägt man zwar ebenfalls eine geschlossene Brille, sieht jedoch trotzdem ein Bild der Umgebung – mit virtuellen Einblendungen ergänzt. Realität und Fiktion verschmelzen perfekt.
Auch Schweizer Apps bekommen Schub
So kann man etwa Minecraft auf dem Stubentisch spielen. Oder sich Bedienelemente auf eine Wand beamen lassen. Erhältlich ist die Hololens erst als Entwicklerversion, für rund 3000 Franken.
«Pokémon Go» gibt Augmented Reality einen gewaltigen Schub. Plötzlich weiss fast jeder, was das ist. Was auch auf viele andere Apps abfärben könnte. Denn bereits heute ist jedes Smartphone ein perfektes AR-Gerät.
Etwa mit der Basler App «Tagxy», mit der jedermann Gebäude, Restaurants, Clubs oder Sehenswürdigekeiten mit Zusatzinfos garnieren kann. Oder die ebenfalls aus der Schweiz kommende «Departures»-Anwendungen, die jeweils für New York, San Francisco oder die Schweiz Abfahrtszeiten des ÖV-Verkehrs direkt an der Station anzeigt.
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