Für die ersten 8000 Schüler auf Mathclips.ch brauchte Norbert Müller (55) zwei Jahre. Nun hat sich innert drei Wochen die Zahl der Nutzer mehr als verdoppelt. 110'000 von rund 180'000 Oberstufen-Schüler in der Schweiz nutzen inzwischen die Plattform fürs Lernen zu Hause. Auch Berufsschulen und Auslandschulen benutzen die Lernplattform.
«Wir haben mit der Schulschliessung beschlossen, allen Schulen bis am 30. April gratis Zugang zu ermöglichen», sagt der Lehrer und Gründer des Verlages Didacfactory. Der Vorteil: Das Lehrmittel ist total digital und folgt trotzdem dem Lehrplan 21. «Es funktioniert als eigenständiges Mathe-Lehrmittel für die Oberstufen, ist aber grundsätzlich als Ergänzung gedacht», sagt er.
Zu den Arbeitsblättern gibts auf Klick ein Erklärvideo
Einerseits gibts ganz normal Arbeitsblätter. Die sind nach Themen geordnet und haben in jedem Kapitel einen aufsteigenden Schwierigkeitsgrad, auf Knopfdruck können die Lösungen eingeblendet werden.
Andererseits sind direkt in die Arbeitsblätter Erklärvideos integriert. Ein fast etwas unauffälliges «Play»-Symbol weist darauf hin. Ein Lehrer erklärt die Aufgaben, macht Beispiele oder gibt Tipps. So kann man grundsätzlich den Stoff Schritt für Schritt selber erarbeitet werden.
Das beginnt bei Kopfrechnen und Rechenregeln, geht über Zinsberechnungen und Kombinatorik bis zu den Strahlensätzen. Die Videos sind oft weniger als eine Minute lang, schön sachlich und klar gehalten.
Die Reaktionen auf das Lehrmittel sind sehr positiv, auch von den vielen neuen Nutzern. Das zeigt sich auch bei den Vertragsabschlüssen. Seit Anfang April entscheiden sich immer mehr Schulen für eine längerfristige Nutzung über den Notfall hinaus.
Mit digitaler Technik ist bei Lehrmitteln noch viel möglich
Ursprünglich entstanden die Mathe-Videos aus den Nachhilfestunden. Statt jedem Schüler dasselbe nochmals zu erzählen, hat Norbert Müller begonnen, die Erklärungen aufzuzeigen.
Schliesslich wurde daraus ein digitales Lehrmittel, das vor allem als Ergänzung gedacht ist und die Lehrer entlasten soll. «Zudem können die Schüler damit im individuellen Tempo an Themen arbeiten oder sie repetieren.» Weiter können Bereiche, die nach der Oberstufe besonders wichtig sind, vertieft eingeübt werden. Für eine kaufmännische Lehre etwa die Mehrwertsteuer, für die Kantonsschule die Kombinatorik.
Norbert Müller hofft darauf, dass die jetzige Situation die Digitalisierung der Schule verstärkt. «Ideal ist eine Mischung aus verschiedenen didaktischen Konzepten», sagt er. Die Möglichkeiten der Technik seien auch noch längst nicht ausgeschöpft. «Mit Avataren, Sprachsteuerung und künstlicher Intelligenz ist in Zukunft viel möglich», glaubt der Autor. Etwa ein Lehrmittel, das sich automatisch den Stärken und Schwächen eines Schülers anpasst.