Dass es so etwas wie Physiotherapie für Hunde gibt, wusste Blick-Leserin Yvonne Huber (57) selbst nicht. Bis ihr eigener Vierbeiner Hilfe brauchte. «Timmi war mein Trainingspartner. Ein spanischer Galgo-Mischling, ein wahrer Laufhund. In seinem Leben hatte er bestimmt 10’000 reine Laufkilometer auf dem ‹Tacho›», erzählt die passionierte Marathonläuferin. Schliesslich konnte er eines Morgens gar nicht mehr laufen. Das Röntgenbild beim Tierarzt zeigte: Hochgradige Arthrose im Ellbogen.
Der Gang zu einer Hunde-Physiotherapie zeigte Wirkung: Dank dieser und einer Cortison-Spritze konnte der treue Begleiter der Blick-Leserin noch zwei Jahre gehen – unbeschwert und ohne zu hinken. Timmi lebte sein Leben – wie alle Hunde – schneller, als es Menschen tun. Mit 13 Jahren erlag er dem Krebs. Und er hinterliess mehr als gute Erinnerungen.
«Erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt», sagt der Volksmund. Wir finden: Da ist etwas dran. In der zweiten Lebenshälfte macht man sich vermehrt Gedanken darüber, wo man im Leben steht: Habe ich noch unerfüllte Träume? Bin ich zufrieden mit meiner jetzigen Situation? Oft als «Midlife-Crisis» abgestempelt, leiten diese Gedanken oft eine Neuorientierung ein.
Blick hat Leserinnen und Leser aufgespürt, die all ihren Mut zusammengenommen haben und ihr Leben in der zweiten Lebenshälfte total umgekrempelt haben. Hier stellen wir sie und ihr «neues altes Ich» vor.
«Erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt», sagt der Volksmund. Wir finden: Da ist etwas dran. In der zweiten Lebenshälfte macht man sich vermehrt Gedanken darüber, wo man im Leben steht: Habe ich noch unerfüllte Träume? Bin ich zufrieden mit meiner jetzigen Situation? Oft als «Midlife-Crisis» abgestempelt, leiten diese Gedanken oft eine Neuorientierung ein.
Blick hat Leserinnen und Leser aufgespürt, die all ihren Mut zusammengenommen haben und ihr Leben in der zweiten Lebenshälfte total umgekrempelt haben. Hier stellen wir sie und ihr «neues altes Ich» vor.
Von Devisen, Telegrammen und Vierbeinern
In Höri ZH findet man alles, was man in einem klassischen Schweizer Dorf auf dem Land findet – und einige weniger typische Dinge: Fachwerkhäuser, tief fliegende Flugzeuge und zwei Praxen für Hunde-Physiotherapie. Eine davon gehört Yvonne Huber. Im Oktober 2020 gründete sie diese – und machte damit ihre Leidenschaft zum Beruf.
Ursprünglich machte die Blick-Leserin eine Lehre als Telegrafistin – damals, als Postboten noch Beamte waren. «Wenn ich Leuten heute davon erzähle, fragen sie mich, was ein Telegramm überhaupt ist», erzählt Huber. Nach der Ausbildung zog es die 57-Jährige in die Finanzbranche. 35 Jahre lang arbeitete sie im Devisen- und Wertschriftenhandel bei verschiedenen Banken.
«Ich hatte stets Führungsfunktionen inne und fühlte mich wohl in dieser Rolle.» Eine Neuorganisation – zwei Teams wurden zusammengeschlossen – führte zu grossen Veränderungen in der Firma. Veränderungen, mit denen sich die Blick-Leserin nicht identifizieren konnte.
In 18 Monaten zur Hundeflüsterin
Allmählich nahm die Zufriedenheit im Job ab. Gleichzeitig tat sich mit der Physiotherapie eine eigene, neue Welt auf. Der Therapieerfolg ihres Vierbeiners brachte Yvonne Huber, die bereits Gesundheitsmasseurin war, auf die Idee, selbst Hand anzulegen – vor allem mit dem Gedanken, ihrem eigenen Hund helfen zu können. «Ich erhielt die Möglichkeit, unter der Woche in einer Praxis zu arbeiten und entschied mich für eine sehr intensive, anderthalbjährige Ausbildung zur Hunde-Physiotherapeutin», so Huber, die mittlerweile eine neue Hündin besitzt.
Dara, ein bunter Mix aus spanischem Galgo, Schäfer und Malinois, sitzt brav neben ihrer Halterin. Yvonne Huber übernahm die 15-monatige Hündin von einer Pflegestelle, die sie mit vier Monaten aus Spanien herholte. «Man hatte sie und ihre Geschwister in zwei Kartonschachteln entsorgt.»
Raus aus der Bank, rein ins Abenteuer
Nach der Reorganisation wurde der Blick-Leserin klar, dass sich etwas ändern muss. «Mein Herz war mehr und mehr bei der Physio und meiner Vision von einer eigenen Praxis.» Ihr erster Gedanke: Erst die Frühpensionierung, dann die Leidenschaft.
Huber wusste um ein Lokal in Höri, das bereits länger leer stand. Der Gedanke daran liess die Blick-Leserin nicht mehr los. «Ich schaute mir das Objekt an und wusste direkt: Ja, das ist es. Diese Chance muss ich ergreifen.» Und so wagte Yvonne Huber den Sprung ins Abenteuer.
Von der Pandemie wurde Anima Activa, so der Name der Praxis, grösstenteils verschont. Bemerkt hat Huber vor allem eines: «Die Leute verzichten lieber selbst auf etwas, damit es dem Tier gut geht.» So seien viele in der Pandemie kürzergetreten, hätten fürs Haustier aber immer etwas übrig gehabt.
Mit 57 Jahren eine Firma zu gründen, ist ein Wagnis. Doch Yvonne Huber scheint nicht der Typ für Zukunftsängste zu sein. «Ich bin durch und durch Optimistin. So wars auch mit der Selbständigkeit.» Sie habe kaum Hürden zu überwinden gehabt und sei direkt hineingewachsen in die neue Rolle. Auch, weil sie bereits zuvor Teilzeit in einer Praxis gearbeitet hatte und so bereits einen Fuss in der Tür hatte.
«Mit Hunde-Physiotherapie wird man nicht reich»
Dennoch ist klar: Ein Geschäft aufbauen, das geht nur mit einem finanziellen Polster. «Mit Hunde-Physiotherapie wird man nicht reich», sagt Huber. Sie könne schliesslich auch nicht zehn tierische Patienten pro Tag bedienen. Aber: «Die Physio ist ein Herzensprojekt und ich habe auch nicht den Anspruch, gleich gut zu verdienen wie in meinem alten Job.»
Viel wichtiger ist: «Jeden Tag stehe ich auf und denke mir, ich bin der glücklichste Mensch auf dieser Kugel!» Es sei ein Privileg, die Leidenschaft als Beruf zu haben. Die Liebe zum Tier ist es, die Yvonne Huber antreibt. Und diese ist gleich alt, wie die Leserin selbst. «Ich bin mit einem Hund gross geworden. Er war wie ein Bruder für mich und wir haben gemeinsam ‹Seich› gemacht», erzählt sie.
Gerade bei älteren Hunden empfiehlt sie eine Physiotherapie. «Durch die passiven Bewegungen kann man die Gelenkflüssigkeit aktivieren. Das macht den Hund geschmeidig», erklärt sie. Ein Hund sei dem Menschen, was die Probleme am Bewegungsapparat angeht, sehr ähnlich: «Auch Hunde haben Bandscheibenvorfälle, Kreuzbandrisse und Prostatakrebs.» Einzig das Schlüsselbein kann beim Hund nicht brechen: weil er keins hat.
Tag und Nacht im Einsatz
Kunden findet Yvonne Huber vorwiegend über Mund-zu-Mund-Werbung, Empfehlungen von Tierärzten und manchmal auch über ihre Website. «Manchmal schreiben mir Leute, was sie tun sollen, wenn ihr Hund hinkt.» Doch sie müsse den Hund sehen, um ihm helfen zu können, erzählt die Blick-Leserin.
Dass ihr neuer Beruf eine Passion ist, merkt man auch an ihrem grossen Einsatz. «Ich bin auch schon abends um neun in die Praxis gekommen», sagt Yvonne Huber, die im nahe gelegenen Steinmaur ZH wohnt. Wenn sie damit einem Hund helfen könne, sei die Zeit sinnvoller genutzt als daheim auf dem Sofa.