Darum gehts
- Berufslehre in der Schweiz beliebt, in Nachbarländern verliert sie an Prestige
- 75 Prozent der Schweizer Jugendlichen entscheiden sich für eine duale Berufsausbildung
- Diskussion über Vor- und Nachteile der Berufslehre in der Blick-Kommentarspalte
In Deutschland ist das Studium im Trend und Österreich verschläft wiederum notwendige Reformen im Bildungswesen. In unseren deutschsprachigen Nachbarländern verliert die Berufslehre an Prestige und die Akademisierung hingegen gewinnt. Bei uns in der Schweiz hat man frühzeitig dem abnehmenden Image der Lehre entgegengewirkt.
Rund 75 Prozent der Schweizer Jugendlichen entscheiden sich für eine duale Berufsausbildung. Dieser Anteil hält sich stabil. In Deutschland und Österreich sinken die Zahlen wiederum: 55 Prozent in Deutschland und 35 Prozent in Österreich. Aber auch die Schweiz muss sich weiterhin bemühen, um die statistische Konstanz zu gewährleisten.
Wie steht die Community zu dieser Entwicklung?
Diese Zahlen werden in der Blick-Kommentarspalte fleissig diskutiert. Leser Mike Bones sieht die Ursache für die Länderunterschiede in den verschiedenen Bedingungen zum Matura- beziehungsweise Abiturzugang. «In der Schweiz ist die Matura viel schwieriger und somit im Prinzip höher zu bewerten. In Deutschland und Österreich kann fast jeder studieren. Im Ausland wäre zum Beispiel ein KV Abschluss so angesehen wie ein Bachelor. Ein ausländischer HR-Manager kennt nur Bachelor oder Master; dort ist ein Lehrling wie ein Hilfsarbeiter. Weshalb in Deutschland und Österreich die Mehrzahl Abitur macht. In der Schweiz hingegen nur ein Bruchteil davon», kommentiert er.
Rolf Neeracher sieht dies genau so: «Der Zugang zur Abitur ist in Deutschland und Österreich deutlich einfacher als in der Schweiz. Und nur über eine Berufslehre oder sehr teure Privatschulen hat man anschliessend die Möglichkeit, trotzdem einen höheren Abschluss in der Schweiz zu Erlangen.»
«Bei uns wird die Lehre seit Jahren vorbehaltlos hochgejubelt»
Lehr-Befürworter Andreas Müller findet einen Kritikpunkt: «Eine Lehre ist für Grundlagenwissen zum Beruf extrem wichtig. Aber leider kann man vom Gehalt einer Lehre in der Schweiz nicht leben. Deshalb ist eine Berufsmatur fast Pflicht, um danach nicht in einer Sackgasse zu landen.» Und doppelt gleich nach: «Früher war Erfahrung für die Karriere wichtig. Heute zählt in erster Linie das Papier. Wir werden genau den gleichen Pfad wie unsere Nachbarn einschlagen. Einfach ein wenig verzögert. Schade für ein gut gedachtes System.»
Rüdiger Meyer wirft einen weiteren Punkt in die Diskussion. «Bei uns wird die Lehre seit Jahren vorbehaltlos hochgejubelt. Derweil wird nicht darüber gesprochen, dass sich junge Menschen mit einer Lehre nach dem Abschluss für viel teures Geld und Zeit weiterbilden müssen. Man wird zwar vom Staat finanziell unterstützt, wirklich profitieren tun aber vor allem die Weiterbildungsanbieter mit oft überteuerten Kursgeldern zu schlechter Qualität. Die wissen um die staatlichen Zuschüsse und ernten ab. Tatsächlich bekommt man am Gymnasium und im Studium viel Wissen zum Minipreis serviert.»
«Es ist auch eine Lebensschule»
Mario Aeschlimann sieht dies jedoch anders. «Eine Lehre ist sehr wichtig und wird mittlerweile massiv unterschätzt. Es ist auch eine Lebensschule für den Übergang vom Teenager zum Erwachsenen. Ich behaupte sogar, dass es besser wäre, wenn jeder Student als erstes eine Berufslehre machen würde. Wir hätten reifere Menschen, die mehr Rücksicht aufeinander nehmen würden», argumentiert er.
«Gutes Handwerk wird in den kommenden Jahrzehnten immer mehr gefragt, deshalb ist es wichtig eine Lehre als Grundausbildung zu absolvieren. Danach kann man sich spezialisieren oder ein berufsbegleitendes Studium in Betracht ziehen. Es gibt immer Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, sei es als Quereinsteiger oder schon vom Fach», schreibt Leser Carlo Fellmann.
Und Leserin Regina Wepfer hat eine Forderung: «Gerechte Löhne während und nach der Lehre, Einhaltung der Arbeitszeit, Work-Life-Balance für Lernende sind wichtig, damit sie einem Hobby nachgehen können und steuerliche Anreize für Unternehmen, die ausbilden.»