Wenn man den Laden «CHAPEAU Maria Hiepler» mitten in der Basler Innenstadt betritt, kommt es einem vor, als sei man in der Zeit gereist. Handgefertigte Hüte in allen Formen und Farben präsentieren sich auf den Regalen an den Seitenwänden. Vom einfachen Kofferhut über die elegante Kopfbedeckung bis hin zum verspielten Haarband lässt sich hier alles finden.
«Jede Generation hat ihre eigene Ausdrucksform»
Die 79-jährige Maria Hiepler steht im Geschäft und berät gerade eine Kundin zum Kauf eines praktischen Regenhutes. Trotz ihres hohen Alters ist sie noch flink auf den Beinen und wuselt durch die Hutmacherei. Die Modistin passt perfekt ins Bild des kleinen, aber eleganten Geschäfts in der Barfüssergasse – seit mehr als dreissig Jahren steckt sie nun schon ihre ganze Energie in den Laden.
«In der letzten Zeit hat sich viel verändert», erzählt Maria Hiepler in einer ruhigen Minute. «Jemand, der im Alltag einen eleganten Hut trägt, fällt auf», so Maria Hiepler. «Es erstaunt mich immer wieder, wie junge Menschen sich heutzutage kleiden. Jede Generation hat ihre eigene Ausdrucksform und da merke ich, dass ich Mode anders verstehe.»
«Es wird immer Leute geben, die Hüte lieben»
Die Entwicklung der Mode in der Gesellschaft beobachtet Maria Hiepler schon seit Jahrzehnten mit scharfen Augen. «Früher war es unvorstellbar, das Haus ohne einen Hut zu verlassen», erzählt sie. «Doch dann brachen neue Zeiten an für die Frau: Plötzlich trugen sie toupierte Haare, fuhren Auto und gingen arbeiten.» Die Emanzipation der Frau sei etwas Tolles, findet Maria Hiepler. «Jedoch ist der Hut dadurch immer mehr aus der Mode gekommen, sowohl bei Frauen wie auch bei Männern.»
Sorge, wenn sie an die Zukunft ihres Berufes denkt, hat Maria Hiepler deswegen aber keine. «Auch wenn der Hut heutzutage vielleicht nicht mehr selbstverständlich getragen wird, so wird es immer Leute geben, die Hüte lieben.» Maria Hiepler ist sich sicher, dass ihr Beruf nicht aussterben wird.
Ksenia Shiryaeva war die einzige Lernende der Schweiz
Dass der Beruf der Hutmacherin, oder eben der Modistin, bestehen bleibt, glaubt auch die 29-jährige Ksenia Shiryaeva: «Unseren Beruf wird es immer brauchen.» Im Atelier des Ladens sitzt sie hinter einer Nähmaschine und arbeitet an einer Kundenbestellung. Erst letztes Jahr hat sie bei Maria Hiepler als einzige Lernende der Schweiz die Lehre zur Modistin abgeschlossen.
«Meine Lehrzeit war sehr anspruchsvoll», sagt Ksenia Shiryaeva rückblickend. «Als einzige Auszubildende habe ich die Schule gemeinsam mit den Schneiderinnen besucht.» Doch das Handwerk der Schneiderei habe mit dem Hutmachen nicht viel gemeinsam. «Was ich in der Schule lernte, konnte ich in der Praxis selten anwenden. Und was Maria Hiepler mir hier beibrachte, wurde in der Schule kaum behandelt», so Ksenia Shiryaeva. Aber für ihren Traum, Modistin zu werden, hat die ehemalige Wirtschaftsstudentin aus Russland die Zähne zusammengebissen.
Vielfalt als Grundlage
«Ich liebe die Vielfalt an meinem Beruf», erzählt die junge Modistin. «Wir arbeiten jeden Tag mit so vielen verschiedenen Materialien und Formen. Kein Hut ist wie der andere.» Im Hutladen stapeln sich ganze Kisten voll von verschiedenen Filzen, Strohstumpen und diversen Stoffen. Die verschiedenen Materialien sehen für Laien zunächst alle gleich aus, doch Ksenia Shiryaeva belehrt einen schnell eines Besseren.
«Es gibt unterschiedliche Filze wie Glattfilz, Velour oder Soleil. Sie alle haben eine unterschiedliche Oberfläche», klärt sie auf. «Alle unsere Filze werden von Spezialisten hergestellt, die Strohstumpen sogar noch in Handarbeit.» Viele würden denken, dass eine Modistin auch das Material für den Hut herstelle. «Aber eine Schneiderin webt ja die Stoffe auch nicht selbst, die sie anschliessend verarbeitet», erklärt Ksenia Shiryaeva.
Hitze bringt das Material in Form
Auch wenn man im «CHAPEAU Maria Hiepler» Hüte aus Stroh oder Stoff kaufen kann, arbeitet Ksenia Shiryaeva am liebsten mit Filz. «Dieses Material ist unglaublich vielfältig. Wenn man es erhitzt, kann es ganz einfach verformt werden», schwärmt sie.
Die Vielfältigkeit des Materials zeigt Ksenia Shiryaeva gleich an einem Beispiel und holt eine feuchte Filzstumpe hervor. Was für Unkundige bereits jetzt schon aussieht wie ein Hut, ist jedoch nur das Rohmaterial. Dieses stülpt die Modistin nun über einen runden Heizkopf und beginnt, das Material mithilfe der Hitze in die richtige Form zu ziehen.
«In diesem Beruf ist man nie ausgelernt»
Anschliessend stehen Ksenia Shiryaeva Hunderte Hutformen zur Verfügung: Ob Pillbox, Beret, Homburg oder Cloche - für jede Hutart gibt es eine passende Form aus Holz. Den durchgedämpften und heissen Filz zieht Ksenia Shiryaeva nun über eines dieser Hölzer. Mithilfe eines Bügeleisens bringt sie das Material in die passende Form.
Die Filzform muss nun über Nacht trocknen, damit sie fest wird. Morgen kann Ksenia Shiryaeva dann beginnen, die Stumpe zu kürzen, die Garnitur zu entwerfen, das Futterband einzunähen und den Hut zu bürsten.
Erste eigene Kollektion
So hat die junge Modistin Ksenia Shiryaeva im letzten Jahr rund dreissig Hüte für ihre eigene Kollektion hergestellt. Mit ihren Couture-Werken möchte sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.
Sie präsentiert und verkauft ihre selbst designten Hüte auf ihrer Webseite – mit dem Schritt ins Internet trägt sie damit ihren ganz persönlichen Teil dazu bei, das jahrhundertealte Handwerk der Hutmacher zu bewahren.