Am 30. Juli feiert die Welt den internationalen Tag der Freundschaft. Deshalb riefen wir die BLICK-Leserinnen und -Leser dazu auf, uns die Geschichten von ihren besten Freundinnen oder Freunden zu erzählen.
Dutzende Einsendungen haben uns erreicht. In der Schweiz bestehen viele Freundschaften über Jahre hinweg, und selbst im höheren Alter pflegen viele Leserinnen und Leser noch Kontakt zu ihren früheren Schulgspänli. Am meisten berührt hat uns aber die Geschichte von Doris Grüninger und Susanne Obrist, die sich bereits seit 37 Jahren kennen und genauso lange beste Freundinnen sind.
«Die Schwester, die ich nie wirklich hatte»
Aufgewachsen sind die beiden im St. Galler Rheintal, wo Doris mit Susannes Schwester zur Schule ging. An ihre erste Begegnung können sich beide nur zu gut erinnern. «Ich besuchte Susannes Schwester zu Hause. Zuerst war ich eigentlich nur mit ihr befreundet», erzählt Doris. Auf Anhieb verstand sie sich aber mit der zwei Jahre älteren Susanne viel besser. «Es war klar: Hier haben sich zwei Doofe gefunden», sagt diese.
Susanne wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. So verbrachte sie einen Grossteil ihrer Freizeit bei der Familie ihrer besten Freundin. «Die Tür stand bei ihnen immer offen für mich», sagt sie. «Ich durfte sogar mit ihnen in die Ferien.» Als Susannes Schwester im Teenager-Alter in die Drogensucht abrutschte, wurde die Bindung zu Doris noch stärker. «Zu einem gewissen Grad nahm ich ihren Platz ein», sagt Doris, und auch Susanne bestätigt: «Sie wurde zu der Schwester, die ich nie wirklich hatte.»
Acht Jahre Funkstille – wegen der Scheidung
Nachdem die beiden ihre ganze Jugend zusammen verbrachten, gab es im Erwachsenenalter einen Bruch in der Freundschaft. «Ich hatte gerade eine Familie gegründet, und Susannes Ehe ging gleichzeitig in die Brüche», erzählt Doris. Den Anblick des Familienglücks ertrug Susanne mitten in ihrer Scheidung nur schwer. «Ich war zwar nicht neidisch, aber mir fehlte etwas», erzählt sie.
Statt das Gespräch zu suchen, zog sich Susanne zurück. «Mir wurde das erst viel später bewusst», sagt Doris. Die beiden entfernten sich voneinander, sowohl emotional als auch geografisch. Der Lebensgefährte wie auch die späteren Jobs führten Susanne weg vom Rheintal und in den Aargau. Die Besuche und Anrufe wurden immer weniger – schliesslich herrschte acht Jahre lang Funkstille.
«Ich fuhr spontan zu ihrem Haus»
Susannes Familie verstarb früh, und ein Besuch am Grab ihres Vaters führte sie wieder zurück zu ihrer besten Freundin. «Ich war mit meinem Lebenspartner im Rheintal und hatte etwas Zeit übrig, also fuhr ich spontan zu ihrem Haus», erinnert sich Susanne.
Traditionell war der Samstag für Doris Waschtag, also ging Susanne davon aus, dass sie an diesem Tag sowieso zu Hause sein würde. «Und tatsächlich: Sie war gerade am Wäsche aufhängen», erzählt Susanne. «Ich streckte meinen Kopf aus dem Autofenster und rief ‹Gits en Kafi?› – sie war total baff und meinte nur: ‹Aussteigen und reinkommen, aber sofort!›» Die Verbindung sei sofort wieder da gewesen, sagen die beiden einstimmig.
«Als hätte ich wieder eine Familie»
Seither sind sie wieder ein Herz und eine Seele. «Was wir aneinander schätzen, ist vor allem die Beständigkeit», sagt Susanne. «Ich weiss genau: Wenn alle Stricke reissen, sind wir 24 Stunden füreinander da.» Es fühle sich an, als hätte sie wieder eine Familie.
Für die Freundschaft ist den beiden kein Aufwand zu gross, kein Weg zu weit: Selbst als Susanne noch im Aargau und später im Thurgau lebte, fuhr Doris regelmässig zu ihr oder umgekehrt. Mittlerweile wohnen sie etwas näher beieinander, und bald zieht Susanne ganz zurück ins Rheintal, wo Doris bis heute in ihrem Elternhaus lebt. Die Distanz spiele aber sowieso keine Rolle: «Wir würden uns sogar besuchen, wenn einer von uns auf einem anderen Kontinent wäre.»
«Mit über 50 sind solche Freundschaften wichtig»
«Wir sind jetzt beide über 50», sagt Doris. «Da ist es wichtig, so gute Freunde zu haben.» In diesem Alter sei dies aber keineswegs selbstverständlich. Beide sind froh, jemanden zu haben, auf den sie sich in schwierigen Zeiten verlassen können, so wie momentan: Susanne erholt sich gerade von einer Operation, also schaut Doris immer wieder bei ihr vorbei, unterstützt sie und leistet ihr während der Genesung Gesellschaft.
Mittlerweile gehen es die beiden zwar etwas ruhiger an, trotzdem geniessen sie auch heute noch ihre «Frauenabende», besuchen gemeinsam Konzerte und reden fast täglich. Dass sie sich je wieder aus den Augen verlieren, können sich beide nicht vorstellen: «Wahrscheinlich landen wir am Ende noch im gleichen Altersheim.»