In unserem letzten Aufruf haben wir Frauen gefragt, wie sicher sie sich fühlen, wenn sie nachts allein unterwegs sind. Viele haben ihre Tipps geteilt, wie sie sich vor Übergriffen schützen. Andere haben über ihre Erfahrungen erzählt, die wir hier teilen möchten. Heute erzählt S. L. (23) von jenem Abend, an dem sie verfolgt wurde:
«Ich fühle mich gar nicht sicher. Wenn ich nachts allein nach Hause laufen muss, verstecke ich meine Haare und gehe schon mit einer Kapuze raus. Wenn ich mit einem Uber oder einem Taxi nach Hause fahre, sitze ich nie direkt hinter dem Fahrer. Ich vermeide Augenkontakt und bezahle immer im Voraus mit der Kreditkarte. So muss ich nicht noch länger allein im Uber sitzen.
Einmal wurde ich von einem Mann in einem Auto verfolgt. Ich war auf dem Weg nach Hause von einer Freundin. Es war ungefähr 23 Uhr. Der Mann fuhr immer wieder an mir vorbei, hin und her. Sprach mich sogar an. Dann hielt er weiter vorne an der Strasse an. Er blockierte mir quasi den Durchgang.
Ich bekam Angst und rief die Polizei. Bis sie ankam, versteckte ich mich. Der Typ stieg sogar aus dem Auto, als ob er nach mir suche.
Die Polizei kam dann mit ungefähr drei Autos an, was ich schon ziemlich krass fand. Sie fragten mich nach meinem Namen und wer ich bin. Und dann fragte mich einer, ob ich Drogen oder Alkohol konsumiert hätte. Da wurde ich richtig sauer. Ich war weder in Partykleidung unterwegs noch hatte ich etwas konsumiert. Ich wurde in einem Dorf abends auf dem Heimweg verfolgt und die Polizei tat so, als wäre ich jetzt die Verbrecherin.
Dann fuhr der Typ an uns vorbei, und ich schrie und zeigte auf ihn. Die Polizei hat ihn dann ausgefragt. Er meinte aber, er sei auf dem Heimweg und wollte einfach ein paar Runden mit seinem Auto fahren. Er sagte auch, er habe niemanden verfolgt. Die Polizei begleitete mich dann nach Hause.
Drei Wochen später rief mich die Polizei an und sagte, sie hätten im Nachbardorf einen ähnlichen Fall gehabt. Ich solle aber einfach auf mich aufpassen.
Mir wurde auch gesagt, sie können erst dann etwas machen, wenn auch wirklich etwas passiert. Das heisst also, ich muss zuerst vergewaltigt oder tot in einem Bach gefunden werden, bis sie aktiv werden. Und dann heisst es bestimmt, warum hat vorher niemand etwas gesagt?
Hilfe hole ich mir wahrscheinlich nicht mehr bei der Polizei. Ich habe mehr erwartet. Mehr Schutz, mehr Hilfe, mehr Verständnis. Aber ich habe das Gefühl, dass sie meine Geschichte gar nie richtig geglaubt haben.
Jetzt gehe ich allein nicht mehr raus. Ich werde entweder von meiner Familie oder von meinen Freunden abgeholt.»