Am Donnerstag waren Barbara Schmid-Federer, Vorstandsmitglied von Pro Juventute, und Florina Schwander, Leiterin der Online-Redaktion von «Fritz und Fränzi», zu Gast bei Blick TV und sprachen mit Chefredaktor Jonas Projer über die Herausforderungen und Schwierigkeiten, mit denen Eltern während der Corona-Krise zu kämpfen haben.
BLICK: Wie erklären Sie Ihren kleinen Kindern, was da momentan geschieht?
Florina Schwander: Wir versuchen, es so konkret wie möglich zum Thema zu machen, und sprechen viel darüber. Wir hören viel aktiver Radio, schauen mehr TV, und sie wissen, dass es wirklich ein wichtiges Thema ist. Über Intensivstationen oder Beatmungsgeräte sprechen wir aber nicht zu viel.
Können diese Krankheit und die Umstellung im Leben Kinder verängstigen?
Barbara Schmid-Federer: Es kommt darauf an, wie die Eltern damit umgehen. Eltern, die zuversichtlich, in aller Ruhe und nicht die ganze Zeit über diese Krise sprechen, verursachen viel mehr Ruhe in der Familie. Die Eltern, die hingegen selbst Panik haben, übertragen diese auch auf ihre Kinder.
Wie geben Sie das den Eltern mit?
Schwander: Im Endeffekt muss es jede Familie so machen, wie es für sie stimmt. Wir wollen vermitteln, dass die Eltern authentisch sein sollen. Angst darf ein Thema sein. Sind die Eltern unsicher, darf das dem Kind auch so gesagt werden. Umgekehrt gilt dasselbe.
Was kann man machen, damit die Kinder ihre Freunde oder Grosseltern noch sehen können?
Schmid-Federer: Man muss kreativ werden. Grosseltern lesen zum Beispiel über Skype den Enkeln Geschichten vor. Pro Juventute hat auf ihrer Webseite eine Plattform erstellt, wo täglich neue Informationen aufgeschaltet werden. Es gibt einen riesigen Ansturm von Eltern, die sich für neue Ideen interessieren, damit ihre Kinder die sozialen Kontakte aufrechterhalten können.
Schwander: Wir machen es so, dass wir Facetime oder Zoom gebrauchen, um mit den Freunden der Kinder zu telefonieren. Wir behalten den digitalen Austausch bei und telefonieren nun mehr.
Also sollen Eltern die digitalen Medien zulassen und toleranter sein als sonst?
Schmid-Federer: Genau. Wichtig ist aber auch zu wissen, dass Kinder immer noch in einer kleinen Gruppe miteinander spielen dürfen. Dabei ist es aus gesundheitlichen Gründen einfach wichtig, dass sie immer in der gleichen Gruppe sind.
Sollen Eltern jetzt zu Lehrern werden?
Schwander: Eine schwierige Frage. Lehrer ist ein Beruf, der gelernt wird. Es ist für Eltern nicht möglich, von heute auf morgen der Lehrer für die Kinder zu sein. Das sollte auch nicht die Lösung sein.
Wie viel kann man von den Eltern verlangen?
Schmid-Federer: Es gibt Eltern, die die Kapazität haben, um ihre Kinder relativ stark zu unterstützen. Andere, vor allem Alleinerziehende, haben diese nicht. Es gibt auch Kinder, die keinen Laptop zu Hause haben. In solchen Fällen muss man hinschauen. Wir werden vom Bundesrat fordern, dass er in solchen Fällen etwas unternimmt. Kinder und Jugendliche dürfen jetzt nicht vernachlässigt werden.
Wie ist das in Familien, wo die Eltern nicht gut Deutsch sprechen?
Schwander: Das ist ein grosses Problem. Die Chancengleichheit ist momentan stark in Gefahr. Die Bildungsschere wird grösser. Die Schulen geben sich Mühe, und es gibt auch Fälle, wo einzelne Schüler in die Schule bestellt werden, natürlich mit den nötigen Sicherheitsmassnahmen. Dann wird geschaut, wie man das Kind betreuen kann.
Schmid-Federer: In gewissen Familien gibt es zudem vermehrt häusliche Gewalt. Gewalt von Eltern gegenüber den Kindern, wie auch umgekehrt. Diese Fälle hat man im Schulsystem erkannt, sie gehen aber in der momentanen Situation unter und fallen durch die Masche. Das sind tragische Fälle, und dafür sind wir da.
Was rät man den Eltern, wie sie selber mit der momentanen Situation umgehen sollen?
Schwander: Wir raten in allen Bereichen, so gut wie möglich den Druck rauszunehmen. Man soll sich Mühe geben, manchmal gibt es bessere und manchmal schlechtere Tage, und das ist normal.
Schmid-Federer: Vielen Eltern hilft es, wenn sie sich bei uns melden und wir ihnen sagen, dass ihre Situation normal ist und es allen so ergeht. Ja, wir haben ein Chaos, aber das haben alle, und es ist eine Ausnahmesituation.
Soll man Schulzeiten für die Kids festlegen?
Schmid-Federer: Es hilft den Kindern am meisten, wenn man eine Art Stundenplan festlegt und aufzeigt, wann Schulzeit und wann Freizeit ist. Der wichtigste Ratschlag ist, dass die Eltern Strukturen im Familienalltag setzen.
Darf man Kinder in Kitas schicken?
Schmid-Federer: Im Grundsatz darf man. Die meisten Eltern entscheiden sich aber aus Sicherheitsgründen dagegen. Die finanzielle Frage der Krippenplätze ist ebenfalls ein grosses Thema. Ich bin dankbar, dass der Bundesrat dies erkannt hat und nun Gelder ausgesprochen hat, auch wenn es nur eine Notlösung ist.