Wenn Angehörige so schwer krank werden, dass sie ihrem Tod direkt gegenüberstehen, braucht es besondere Hilfe und Pflege. In der neuesten «sichtbar»-Folge erzählt Pflegefachfrau Tanja K. (26) über ihre Arbeit auf einer spezialisierten Palliativstation. Sie wird täglich mit dem Tabuthema Tod konfrontiert und begleitet Menschen beim Sterben.
Manche Personen wählen auch das Sterben in den eigenen vier Wänden – und lassen sich von Angehörigen in den Tod begleiten. Auch in der Community gibt es viele Leserinnen und Leser, die ihre Liebsten beim Sterben begleitet haben. Hier kannst du ihre Geschichten lesen.
«Zwei Jahre habe ich meinen Mann mit Leberzirrhose begleitet – Arzttermine, Spitalbesuche, zu Hause. Nebst 100 Prozent Arbeit funktionierte ich wie eine Maschine – er bedeutete mir alles, ich wollte ihm helfen und für ihn da sein. Angst um ihn, Stress, Schlafmangel und Appetitlosigkeit begleiteten mich immer!
Bei einer Arztkontrolle stellte man eine Blutvergiftung fest – dringende Einweisung ins Spital. Doch mein Mann wünschte sich, nach Hause zu fahren. Ich half ihm dabei und einige Stunden später konnte er auf seinem Sofa friedlich einschlafen. Es war für mich ein schönes Gefühl, ihm diesen Wunsch erfüllt zu haben – ohne Ärzte, Schläuche und Spitalhektik einzuschlafen. Er bedeutete mir alles und so konnte ich ihm bis zum Schluss meine Liebe zeigen. Zu Hause zu sterben hat mir sicher auch im Trauerprozess geholfen – zu wissen, dass ich alles nur Mögliche für ihn getan habe.»Mediaslot: Streamurl
«Ich durfte meinen Vater in den letzten Stunden am Bett im Pflegeheim begleiten. Eine Erfahrung, welche ich nicht missen möchte. Den Tod in vielen seiner Facetten erleben zu dürfen, hat mir weitgehend die Angst vor dem eigenen Tod weiter genommen. Ich konnte mich vor Jahren bereits während meiner eigenen Krebserkrankung den vielen Fragen stellen, welche den letzten Schritt von uns allen angeht.
Bei meinem Vater blieb mir nachhaltig, dass die Stunden am Bett Friedvolles in das ruhige dunkle Zimmer brachte. Es gab Momente, in denen ich mich nur noch auf meinen und seinen Atem konzentrierte. Wenn die Atemzüge für Momente ganz langsam wurden oder beim Ätti sogar für längere Momente ganz aussetzten, sagte ich einmal zu ihm: ‹Es esch guet Ätti, darfsch ga, muesch nümme länger kämpfe.› Wie so oft schon gehört, ging er aber erst über die Regenbogenbrücke, als für einen Moment niemand mehr am Bett sass. Danke für die Zeit, Ätti!»
«Ich durfte im Februar 2023 mit meiner Cousine meinen Onkel bis zu seinem letzten Atemzug begleiten. Wir haben die Abstände der Atemstillstände gemessen. Beim Stillstand von 3 Minuten und 40 Sekunden wussten wir, er wird bald gehen dürfen. Ich war ein letztes Mal bei ihm im Zimmer, hielt seine Hand und sagte, dass es okay sei, wenn er geht. Ich würde auf seine 23-jährige Tochter aufpassen und immer für sie da sein. Niemand sei ihm böse. Er habe drei Jahre tapfer gegen den Krebs gekämpft und ich wünsche ihm Frieden.
Kurze Zeit später schloss er für immer seine Augen. Es war traurig, schmerzhaft und erleichternd zugleich. Ich durfte ihm die Schuhe im Sarg anziehen und sein Hemd zuknöpfen. Er sah so selig aus. Diese Erfahrung ist sehr wertvoll für mich und ich konnte ihm so etwas von dem zurückgeben, was er mir 36 Jahre lang gegeben hatte. Nun steht Weihnachten vor der Tür und er ist nicht da. Das ist nicht ganz einfach, aber ich weiss, dass er immer bei uns sein wird.»