Vor einigen Wochen starteten wir den ersten BLICK-Fortsetzungsroman. Die Idee war es, gemeinsam mit unserer Community eine Kurzgeschichte zu schreiben. Den ersten Absatz gaben wir vor, danach durften unsere Leserinnen und Leser Vorschläge für den weiteren Verlauf der Geschichte einreichen. So entstand aus eurer Schwarmkreativität Schritt für Schritt eine Erzählung über die beiden fiktiven Sandkastenfreunde Jonas und Lea.
Elf Kapitel, elf verschieden Autoren aus der BLICK-Community – unten liest du die ganze Geschichte. Oder falls dir das zu anstrengend ist, kannst du auch einfach zuhören: BLICK-TV-Moderator Nico Nabholz hat den ganzen Fortsetzungroman im lauschigen Ambiente des Brockenhaus Emmaus in Dübendorf vorgelesen – das Video siehst du oben.
Unsere Leser haben Schreibtalent
Zuerst wollen wir aber Fazit zu unserem Experiment ziehen. Volle Transparenz: Uns war immer bewusst, dass die ganze Serie nur eine Nische unserer Leserschaft ansprechen wird. Schliesslich interessiert sich nur ein Teil der Community wirklich für Literatur und ein noch kleinerer Teil versucht sich selber als Schriftsteller. Umso mehr waren wir überrascht, wie viele Einsendungen uns für jedes Kapitel erreichten.
Zweite Erkenntnis: Unsere Gastautoren sind ganz schöne Romantiker. Zwar war das Genre Liebesgeschichte von uns vorgegeben, mit so viel Kitsch hatten wir aber nicht gerechnet. Die ganze Geschichte liest sich wie Kioskroman und trieft nur so vor grossen Gefühlen. Umso schöner: Wider Erwarten nimmt die Story von Lea und Jonas kein Happy End – im Gegenteil.
Zu guter Letzt noch ein Lob an all diejenigen, die uns ihre Inputs geschickt haben. Ihr seid wirklich ein kreativer Haufen! Wir waren zugegebenermassen etwas skeptisch, doch es ist euch durchs Band gelungen, die Geschichte konsistent fortzuführen. Noch beeindruckender: Das Ende bezieht sich sogar auf den Anfang – ein klassischer Schwanzbeisser wie er in der Literatur weit verbreitet ist. Hätten wir nicht erwartet. Grosses Kompliment!
Und jetzt wünschen wir dir viel Spass bei der Lektüre des ersten Fortsetzungsromans der BLICK-Community.
Kapitel 1 (von BLICK-Community-Team)
Sie kannten sich bereits seit Kindertagen. Jonas und Lea waren im gleichen verschlafenen Dorf aufgewachsen, gingen zusammen zur Schule und als beste Freunde jahrelang durch dick und dünn. Er brachte ihr das Velofahren bei, sie half ihm bei den Hausaufgaben. Er war ihre Ausrede, wenn sie mal wieder zu spät nach Hause kam, sie tröstete ihn, als sein Hund eingeschläfert werden musste. Er war dabei, als sie heimlich Bier aus dem Vorrat ihres Vaters stibitzte, sie gab ihm Tipps für den ersten Kuss, von dem sich beide insgeheim wünschten, sie hätten ihn miteinander erlebt. Vom ersten Schultag bis zum Abschlussfest waren Lea und Jonas ein Team.
Danach verloren sie sich aus den Augen. Studium, Job in der Stadt, Familienplanung. Und jetzt, wo es ihnen endlich gelungen war, diese mühsame Stimme im Hinterkopf auszublenden – «Was wäre gewesen, wenn...» –, jetzt steht sie plötzlich wieder vor ihm.
Kapitel 2 (von Daniela Casartelli)
Ein nasskalter Novembertag in Zürich. Lea kramt in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie. An diesem Morgen scheint nichts wie geplant zu laufen. Als sie ihren Kaffee bezahlt und Richtung Ausgang geht, bemerkt sie gar nicht, dass ihre grosse Jugendliebe Jonas durch die Tür kommt. Sie will gerade in den Platzregen eintauchen, als sie die vertraute Stimme hört: «Lea?» Sie dreht sich verwundert um und da steht er: Jonas mit seinen eisblauen Augen, die immer noch dieselbe Lebensfreude ausstrahlen. Er ist bereits etwas ergraut, doch sein aschblondes Haar trägt er noch immer lang und elegant nach hinten gekämmt.
Leas schlechte Laune verschwindet augenblicklich und sie lächelt ihm entgegen: «Hallo Jonas.» Er entgegnet: «Wollen wir diesen Kaffee gleich hier trinken?» Sie setzen sich an den nächsten freien Tisch am Fenster und schauen für einen Moment dem prasselnden Regen zu, unsicher, wo sie anfangen sollen. Die alte Vertrautheit spielt sich aber schon nach wenigen ungelenken Bemerkungen wieder ein. Beide lachen ausgiebig und freuen sich über die gemeinsamen Erinnerungen. Dann wird Jonas plötzlich etwas ernster und fragt: «Wieso hast du mir damals eigentlich nie auf meinen letzten Brief aus Marseille geantwortet?» Lea schaut ihn verdutzt an und entgegnet: «Ich habe nach meinem letzten Brief an dich keine Antwort mehr erhalten.»
Kapitel 3 (von Christoph Heer)
Jonas zieht seine linke Augenbraue nach oben und fragt sich, ob bei der Post etwas schief gelaufen war. «Hast du denn deinen letzten Brief nach Marseille gesendet, oder war das später, als ich für ein Jahr in Hamburg Halt machte?» Auch Leas Gesichtsausdruck verändert sich. Es scheint tatsächlich, als hätten sich die beiden viel zu erzählen. Immerhin sind bereits Jahrzehnte vergangen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.
Doch Lea interessiert sich vorwiegend für Jonas' aktuelles Leben. Fragen über Fragen, die er kurz und bündig beantwortet. Bis auf die eine. Die wichtigste. «Und? Bist du verheiratet? Hast du Familie?» Jonas' Blick schweift zum Fenster hinaus. Es sieht aus, als würde er Regentropfen zählen, um sich abzulenken.
«Weisst du», fängt er mit zittriger Stimme an, «in der Tat gab es einmal eine Frau, die ich sehr geliebt habe. Doch auch in dieser – sagen wir mal glücklichen – Zeit mit ihr, war mir immer bewusst, dass mein Herz eigentlich jemand anderem gehört.» Am Tisch kehrt beklemmende Ruhe ein. Lea ist sich nicht sicher, ob sie nachhaken soll. Sie will es bleiben lassen, schliesslich soll ihr früherer bester Freund freiwillig seine Lebensgeschichten erzählen. Doch die Neugier ist stärker. «Bist du nun verheiratet?»
Kapitel 4 (von Heidi Gugler)
Jonas fixiert seine Hände. Sekunden vergehen. «Und?», hakt Lea nach. «Es ist», Jonas blickt auf, «noch nicht so lange her». «Was denn?», fragt seine Sandkastenfreundin langsam ungeduldig. «Wir waren auf dem Weg zu meinen Eltern. Es regnete in Strömen, und die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren. Plötzlich kamen zwei Scheinwerfer auf uns zu, und dann war alles dunkel.» Lea nimmt seine Hand, Jonas' Augen werden nass. Sie ahnt bereits, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird.
«Als ich wieder zu mir kam, roch es nach Desinfektionsmittel. Da wusste ich, dass wir nicht bei meinen Eltern sind, sondern im Spital.» Jonas fährt sich mit den Fingern durch die Haare, wie er es früher bereits immer gemacht hat, wenn ihm die Worte fehlten. «Meine Eltern standen neben dem Krankenbett, und ich sah sofort, dass Mama geweint hatte. Da wurde mir klar, dass mit Isabella etwas nicht in Ordnung war.» «Isabella?», fragt Lea. «Meine Frau.»
Er ist also wirklich verheiratet, denkt sich Lea. Jahrelang hatte sie gehofft, Jonas wiederzusehen, und jetzt zerstört er all ihre Hoffnungen. «Es ist nicht so, wie du denkst», sagt er nach einer kurzen Pause. «Sie sind gestorben, Lea. Meine Frau und unsere Tochter.»
Kapitel 5 (von Stefan Roduner)
«Das tut mir Leid», sagt Lea und kann ihre Tränen selber nicht mehr zurückhalten. Jonas wischt ihr mit der rechten Hand das Nass aus dem Gesicht. «Weisst du», beginnt er zu erzählen, «jetzt bin ich alleinerziehender Vater». Lea schaut ihn an: «Du hast noch mehr Kinder?» «Ja, Nora und Roby waren Zwillinge. Wir wollten Nora bei meinen Eltern abholen, als der Unfall geschah.» Ein neuerlicher Schwall Tränen schiesst aus seinen Augen. Nun lässt er seinen Emotionen freien Lauf. Lea hat mittlerweile ihre Arme um ihn gelegt und streichelt ihm sanft über den Rücken.
«Deine Frau war aber nicht die Isabella aus unserer gemeinsamen Schulzeit?» fragt Lea plötzlich. «Doch.» Ein Stich geht durch ihr Herz. «Warst du glücklich mit ihr?», fragt Lea plötzlich ganz leise. «Es geht. Sie war für mich ehrlich gesagt die zweite Wahl», sagt Jonas. «Die zweite Wahl? Wie meinst du das?» «Lea, ich habe dich immer geliebt. Als ich Isabella vor einigen Jahren getroffen habe, hat sie mir erzählt, du seist gestorben.» «Was?», fragt seine Sandkastenfreundin entsetzt. «Ja, sie hat mir gesagt, du seist bei einem Autounfall ums Leben gekommen und hat mich getröstet. Dabei sind wir uns näher gekommen.» «So ein Miststück!», schreit Lea.
Kapitel 6 (von Julia Dütschler)
«Gehts eigentlich noch?», fragt Jonas entsetzt. Er kann nicht glauben, was da für Worte aus dem Mund seiner früheren besten Freundin kommen. «Das ist meine Frau, über die du da sprichst! Ich will gar nicht wissen, was du dir für einen Typen angelacht hast!» Lea schaut ihm lange in die Augen. «Ich hatte nie jemanden», sagt sie. «All die Jahre hab ich auf dich gewartet.»
Jonas Blick schweift wieder zu den Regentropfen am Fenster. Der Zorn in seinen Augen weicht Ratlosigkeit. «Natürlich...», fängt er an, sichtlich bemüht, die richtigen Worte zu finden. «Natürlich war es mit ihr nie das Gleiche.» Erinnerungen an seine Jugend mit Lea blitzen in seinen Gedanken auf. «Mit dir war alles immer aufregend. Gefährlich. Sie hingegen gab mir Sicherheit. Ich fühlte mich geborgen.» – «Und das nennst du dann Liebe?», fragt Lea mit einem leicht verachtenden Unterton. Volltreffer. Hin- und hergerissen zwischen den Gefühlen für seine grosse Jugendliebe und der Loyalität zu seiner Familie wird Jonas fast schon schwindelig. «Ich muss hier raus», sagt er, steht langsam auf und geht, ohne Lea nochmals eines Blickes zu würdigen.
Kapitel 7 (von Ava Burger)
«Jonas, warte!», ruft Lea, doch ihr bester Freund verschwand so plötzlich wieder aus ihrem Leben, wie er aufgekreuzt war. Verzweifelt sinkt Lea in ihren Stuhl zurück. Sie weiss, dass sie nicht so über seine verstorbene Frau hätte reden sollen. Endlich, nach all den Jahren, trifft sie den Mann, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatte und dann vermasselt sie es. Sie musste ihn finden. Also stürmt sie genauso hektisch aus dem Café, ohne die geringste Ahnung zu haben, wohin sie eigentlich gehen sollte. Schliesslich weiss sie nicht einmal, wo Jonas heute lebt.
Plötzlich fällt ihr etwas ein. Während ihrer Schulzeit hatten die beiden einen geheimen Treffpunkt. Im Park, dort beim kleinen Tannenwäldchen gab es eine alte Laube, die schon längst in Vergessenheit geraten war. Mit ihrem Ziel vor Augen macht sich Lea auf den Weg.
Kapitel 8 (von Johannes Schneider)
Als Lea beim Tannenwäldchen eintrifft ist es bereits dunkel geworden. Die alte Laube ist noch da, jedoch präsentiert sich die hölzerne Sitzfläche vermodert und in schlechtem Zustand. Die Rückenlehne ist mit Sprayereien verschmiert und überall liegen Glasscherben. Von Jonas keine Spur.
Traurig setzt sich Lea auf die Bank und schaut in den Nachthimmel. Der Mond hängt mächtig und mit vollem Umfang am Himmel, so dass die Bäume vom Wäldchen in hellem Licht erscheinen. Wie Lea so da sitzt, erinnert sie sich an eine wundervolle Sommernacht in ihrer Jugend. Es muss in der siebten oder achten Klasse gewesen sein, als sie und Jonas hier an ihrem geheimen Treffpunkt auf dieser Bank sassen und den Mond, welcher ein mystisches Licht verbreitete, bestaunten. Lea wünscht sich, es wäre wie damals und Jonas sässe jetzt neben ihr. Gefangen von der Schönheit der hellen Nacht, vergisst sie die Zeit und ihr wird langsam kalt. Wie schön wäre es jetzt, wenn sie sich an Jonas' Seite erwärmen könnte.
Kapitel 9 (von Anita Lüond)
Stark unterkühlt setzt sich Lea ins Auto und fährt zurück in die Stadt. Sie braucht einen Aufwärmer, also hält sie vor einem ihrer früheren Stammlokale an und setzt sich drinnen alleine an einen Tisch. Sie bestellt sich einen Kaffee mit Schuss. Plötzlich setzt sich ein ihr unbekannter Mann zu Ihr und sie beginnen ein anregendes Gespräch.
Nach einigen Drinks werden die Gemüter wärmer und die Zungen lockerer, also erzählen sich die beiden Geschichten von früher. Der Fremde erwähnt unter Anderem ein monatelanges Verhältnis mit einer verheirateten Frau namens Isabella. Als der betrogene Ehemann, er heisse Jonas, so der Fremde, von dem Verhältnis erfuhr, habe er im Affekt und unter Alkoholeinfluss seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter getötet. Lea ist so geschockt und empört, dass sie nur noch Geld auf den Tisch legt und das Lokal völlig desorientiert verlässt. War ihr Schulschwarm tatsächlich ein Mörder?
Sie läuft schnurstracks zu ihrem Auto, um ihr Handy rauszuholen und ein Taxi zu bestellen. Immer noch unter Schock nimmt Lea ein Auto wahr, welches auf den schlecht beleuchteten Parkplatz fährt. Den Insassen kann sie nur schwer erkennen. Ist es der Alkohol oder spielt ihr die Fantasie einen Streich? Aber doch, als die Person aussteigt, ist sie sich sicher: «Jonas!»
Kapitel 10 (von Claudia H.)
Unsicher und torkelnd läuft Lea zum Auto und erkennt geschockt, dass es sich beim Fahrer tatsächlich um Jonas handelt. Mit einer kurzen Handbewegung und strengem Blick winkt er Lea in sein Auto. Wie paralysiert steigt sie ein und bereut es, sobald ihr Hintern auf den weichen Sitz fällt. Jonas schaut sie mit durchdringenden Augen an und tritt gewaltig aufs Gas. Vom Alkohol betäubt sagt Lea gar nichts.
Plötzlich spürt sie seine Hand auf ihrem Oberschenkel. Alte Bilder und Sehnsüchte aus der Schulzeit steigen vor ihrem inneren Auge auf. Als das Auto schliesslich vor ihrem geheimen Treffpunkt bei der alten Laube anhält, fühlt Lea wie sie innerlich unsicher wird. Jonas steigt als erstes aus und öffnet ihr die Tür. Mit grosser und doch zärtlicher Kraft zieht er Lea in seine Arme. Beide taumeln und fallen zu Boden. Lea möchte alles vergessen, was sie vorher im alten Stammlokal gehört hat. Nein, Jonas kann kein Mörder sein.
Kapitel 11 (von Felix Weber)
Lea verkneift sich die Frage. Manchmal ist Unwissenheit ein Segen. Stattdessen gibt sie sich einfach dem Moment hin und küsst Jonas. Auch wenn die beiden bereits auf dem Boden liegen, fühlt es sich an, als wären sie im freien Fall und die Schmetterlinge in ihrem Bauch jauchzen. Auf diesen Moment hat sie jahrzehntelang gewartet und jede Sekunde davon hat sich gelohnt.
Wie lange sie dort gelegen haben, ist für beide schwer zu sagen. Vielleicht Minuten, vielleicht Stunden, vielleicht Tage. «Lass uns abhauen und alles vergessen», sagt Lea irgendwann. «Machen wir einfach dort weiter, wo wir uns damals aus den Augen verloren haben.» Jonas grinst, nickt, wischt sich den Dreck von den Hosen und hilft seiner grossen Liebe auf. Die beiden steigen in sein Auto, ohne Plan wohin sie die Strasse führen wird.
Es regnet in Strömen, als sie die Grenze ihres Heimatdorfes passieren. Zum ersten Mal fahren sie gemeinsam hinaus in die grosse weite Welt. «Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass wir uns wiedergefunden haben», sagt Lea. Jonas wendet seinen Blick kurz von der Strasse ab und blickt ihr tief in die Augen. Plötzlich leuchten zwei grelle Scheinwerfer auf. «Achtung!», ruft Lea noch. Ein Knall. Und dann wird alles dunkel.