Ein glückliches Ehepaar, zwei Kinder, ein Haus mit Garten und vielleicht sogar noch einen Hund. Eine schöne Vorstellung, für viele in der Schweiz ein weit entfernter Traum. Dabei ist die Rede aber nicht vom Haus mit Garten. Sondern von einer glücklichen Partnerschaft und einem zweiten Elternteil, denn:
In der Schweiz leben gut 200'000 alleinerziehende Mütter und auch immer mehr Väter.
BLICK wollte wissen, wie es wirklich ist, alleinerziehend zu sein
Studien über die Doppelbelastung, die Vorurteile und die Auswirkungen auf die Kinder gibt es zuhauf. Sprichwörter, gute Ratschläge und Beratungsstellen ebenso.
Aber wir wollten die Wahrheit wissen. BLICK hat die Community gefragt, wie man sich fühlt, was die grössten Herausforderungen sind und wie man den Alltag meistert.
Die Resonanz war riesig, die unterschiedlichsten Mamis und Papis haben sich bei uns gemeldet und uns ihre Geschichten erzählt. Die folgenden neun Geschichten von Peter, Sara, Marco, Mia, Markus, Martina, Sonja, Martin und Nicole stehen für 199’991 andere Mamis und Papis, denen es so geht.
«Ich war ab 1996 alleinerziehend. Meine beiden Jungs waren damals sechs und sieben Jahre alt. Ich hatte keine Unterstützung, weder von der Gemeinde noch von der Familie. Nur die Nachbarn haben mir geholfen.» Finanzielle Unterstützung von der Ex oder dem Sozialamt? Fehlanzeige. «Es hiess nur, dass für Männer keine Hilfe vorgesehen sei und dass Frauen, keine Alimente zahlen müssten», schreibt Peter BLICK. Doch das war für ihn nicht das Schwerste. «Entscheidungen zu treffen, das war schwer. Es gab niemanden, der meine Entscheidungen hinterfragt hat, was ich entschied, war einfach beschlossen.» Peter sei besonders zu Beginn ein sehr strenger Vater gewesen. «Ich hatte Angst, die Kontrolle zu verlieren, doch dann merkte ich, dass dies meinen Kindern nur schadet.» Heute ist er sehr stolz auf seine beiden Jungs. Er schreibt: «Sie haben eine gute Laufbahn eingeschlagen.»
«Es ist nicht immer einfach, alles alleine zu managen. Alleine Entscheidungen treffen, alleine an Elternabende, alles muss gut geplant und organisiert sein. Es ist ein 24-Stunden-Job.» Finanzielle Unterstützung bekommt Mia nicht, der Vater des Kindes hat keinen Kontakt zu den beiden. Dafür übernimmt der Grossvater des Jungen eine gewisse Vaterrolle. «Ich bin jung Mutter geworden, meine Eltern sind noch nicht im Rentenalter und ich bin für ihre Unterstützung unendlich dankbar. So könne sie sich auch mal mit Freunden treffen und etwas Zeit für sich haben. «Mein Sohn ist mittlerweile zwölf Jahre alt und wir sind ein gutes Team. Die Vergangenheit hat uns zusammengeschweisst.»
«Ich meistere die Doppelbelastung von zwei Kindern im Teenager-Alter und einem 100-Prozent-Job ganz gut. Ich bin selbständig, das ist für die Kinder natürlich ein riesiger Vorteil.» Die Suche nach einer Partnerin hat der 60-jährige aber aufgegeben. «Keine Frau zwischen 40 und 60 möchte einen Mann in meinem Alter mit zwei so jungen Kindern.» Sein Fazit: Alles geben für die Kinder, auch wenn er auf der Strecke bleibt. Bereuen tut Markus nichts: «Wir haben eine sehr harmonische Beziehung, ich bin stolz auf meine Kinder. Wir sind glücklich und zufrieden, und ich würde es mir auch nicht mehr anders wünschen.»
«Seit zehn Jahren kümmere ich mich alleine um die Kinder. Mein Ex-Mann ist inzwischen ausgewandert, Alimente zahlt er keine und ich habe keine Familienangehörige in der Nähe, die uns helfen könnten. Es sei nicht immer einfach mit zwei pubertierenden Jungs im Haus. Der Alltag ist durchgetaktet, Freizeit sei rar, schreibt Sonja BLICK. Sie sei aber vor allem traurig, dass der Vater ein Leben ohne seine Kinder verbringt. «Er hat sie nie zum Arzt gebracht, nie einen Fussballmatch von ihnen gesehen, hat die erste grosse Liebe nicht mitbekommen und kennt auch ihre Freunde nicht. Die beiden sagen, dass sie ihren Papi nicht vermissen, ich glaube ihnen.»
«Ich war vom ersten Tag an bis zum elften Lebensjahr meines Sohnes alleinerziehend. Rückblickend war es eine unglaublich harte, anstrengende und intensive Zeit. Es gab nie wirklich Pausen, man ist 24/7 präsent, der Kindsvater hat sich nicht um sein Kind gekümmert.» Belastet habe sie auch die reale oder gefühlte Diskriminierung, schreibt Martina BLICK. Finanzielle Probleme machten die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben schwierig, an Elterngesprächen sei sie nicht ernst genommen worden. Aber nicht nur sie musste darunter leiden. «Mein Sohn wurde gehänselt. Zum einen wegen unserer finanziellen Lage, zum andern, weil es da nur mich gab.» Sie erinnere sich genau, ihr Sohn sei etwa fünf Jahre alt gewesen. «Er kam weinend aus dem Kindergarten und fragte mich, ‹Mami, was ist eine Familie?› Er sollte seine Familie zeichnen, also malte er sich und mich. Da hätten ihm alle gesagt, dass das keine Familie sei.»
«Ich bin seit sieben Jahren alleinerziehender Vater von zwei Töchtern, inzwischen sind sie jetzt 18 und 16 Jahre alt.» Martin schreibt BLICK verärgert, dass es wohl für Behörden und einige Familienberatungsstellen nicht nachvollziehbar sei, dass auch ein Mann seine Töchter grossziehen könne. «Wir mussten ein psychiatrisches Gutachten erstellen lassen, bevor meine Kinder zu mir ziehen konnten. Bei einer Frau würde sicherlich niemand nachfragen, ob sie zur Kindererziehung fähig ist oder nicht.» Er ist überzeugt, hier funktioniere die Gleichberechtigung einfach noch nicht. Sie seien auch zu einer Familienberatung gezwungen worden, für Martin, der weiterhin 100 Prozent arbeitete, eine Zumutung. «Mittlerweile können wir über die Therapiestunden, in denen wir nichts weiter tun mussten, als zusammen UNO spielen, lachen. Wir sind zusammengewachsen und ein starkes Team geworden.»
«Ich bin seit dem Freitod meines Mannes vor 13 Jahren alleinerziehend. Meine Kinder waren damals fünf und acht Jahre alt.» Für Nicole fühlte es sich an, als ob sie täglich doppelt so viel Last auf ihren Schultern tragen müsse. «Ich bin Mama und Papa zugleich. Alles hing immer an mir, es ist als hätte man täglich 100 Fäden in der Hand. Keinen davon darf man loslassen, sonst löst sich alles auf», schreibt sie BLICK. Die Kinder sind inzwischen erwachsen, studieren oder machen eine Ausbildung. «Ich bin unheimlich froh, dass wir diesen schweren Weg zu dritt so gut gemeistert haben, ich bin sehr stolz auf meine Kinder – und auch auf mich.»
«Mitten im Studium wurde ich Vater eines Sohns und einer Tochter, die Kinder erblickten das Licht der Welt in den USA.» Als Marco das Sorgerecht für die beiden Kinder bekam, zog er mit ihnen zurück in die Schweiz. Das Studium musste warten, zuerst kamen die Kinder. Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen, zu Beginn beinahe unmöglich, sei auch heute nicht einfach. «Mittlerweile sind wir gut organisiert, trotzdem sind spontane Meetings oder auch nur ein Kaffee nach der Arbeit die grosse Ausnahme.» Marco wünscht sich vor allem mehr Austausch mit anderen in der gleichen Situation. «Der Austausch von Ideen und Erfahrungen mit anderen Alleinerziehenden wäre echt wichtig.»
«Seit fast sieben Jahren kümmere ich mich alleine um meine Tochter. Das Leben mit meinem Ex, einem schweren Alkoholiker, war einfach nicht mehr auszuhalten.» Sie zog weit weg von ihm, aus Deutschland in die Schweiz. «Ich kam schnell an meine Grenzen, ein Kind in der Trotzphase, ein 100-Prozent-Job und keine Freunde oder Familie in der Nähe, das war nicht einfach.» Auch Sara hatte mit Vorurteilen zu kämpfen, von anderen Müttern wurde sie teilweise abschätzig behandelt. «2016 habe ich auf Facebook dann eine Gruppe für alleinerziehende Mütter und Väter gegründet, zur Vernetzung mit anderen in der gleichen Situation.» Seitdem gehe es für Sara nur noch bergauf, sie habe auch durch die Gruppe viele neue Freunde gefunden. «Wir organisieren Treffen und gründeten den Verein ‹Alleinerziehend positiv und stark›. Ich bin glücklich in meiner Rolle als alleinerziehende Mama und stolz, dass ich unser Leben alleine stemmen kann.»