VW Bulli und Ex-Wachtmeister Heinz Scholze
Dieses Duo ging schon vor 60 Jahren auf Raserjagd

Nach 54 Jahren trifft Ex-Polizist Heinz Scholze auf sein altes Arbeitsgerät: den nun in einer Scheune gefundenen VW Bulli mit eingebauter Radarmessanlage. Das damalige Hightech-Gerät funktioniert noch heute.
Publiziert: 19.02.2019 um 04:27 Uhr
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Wie früher: Ex-Polizeihauptwachtmeister Heinz Scholze (89) im ersten Bulli-Radarblitzer. In diesem Fahrzeug wurde er vor rund 58 Jahren geschult, um die neue Messtechnik bei Temposündern anwenden zu können.
Foto: Werk
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

«Gebt mir 15 Minuten, dann bin ich wieder voll drin!» Die Freude über das Wiedersehen ist bei Ex-Polizeihauptwachtmeister Heinz Scholze (89) riesig. Der rüstige Rentner war Anfang der 1960er-Jahre einer der ersten Polizisten, die mit der damals topmodernen Messanlage «Telefunken VRG2» Temposünder auf deutschen Strassen geblitzt haben. Die Anlage war in einem VW Bulli Baujahr 1953 im Heck untergebracht. Und dieser ist nun nach über 54 Jahren in norddeutschen Scheunen und Garagen völlig unerwartet in einem Vorort von Hannover wieder aufgetaucht. 

Damals völliges Neuland

Jetzt sitzt Ex-Wachtmeister Scholze – natürlich stilecht im alten, blauen Polizeimantel – im T1 und dreht an den Reglern des eingebauten Verkehrsradargeräts: «Der Bulli war mein zweites Zuhause. Hier habe ich über Stunden ganz allein auf dem Holzstuhl am Radarmessgerät gesessen und aufgepasst, ob mir ein Raser ins Netz geht. Die waren dann völlig baff, wenn es aus dem Bulli-Heck plötzlich blitzte. Das war ja für alle völliges Neuland – für uns und für die Autofahrer.» Denn vorher wurden Geschwindigkeitsübertretungen noch per Stoppuhr ermittelt!

Für Einbau und Wartung des Radarmessgeräts war damals Polizeihauptmeister Dieter Dell (79) verantwortlich: «Das war technisch ziemlich aufwendig, alles in den Bulli unterzubringen und zu verkabeln. Das Blitzgerät im Heck tarnten wir durch eine Klappe in Wagenfarbe.» Nach dem damaligen Radar-Messprinzip werden zum Teil noch heute Temposünder ermittelt.

Auch Profis erwischts

Und selbst Blitzerprofi Heinz Scholze erwischte es eines Tages, wie er schmunzelnd gesteht: «Ich kam mit einem Kollegen von einem Lehrgang in Berlin. Wir quatschten so schön im Auto, lachten – und schwupps hatte ich das Ortsschild übersehen. 83 Sachen statt 50. Das bedeutete für mich vier Wochen Fussgängerdasein und Bussgeld.» Scholze erinnert sich auch an den ein oder anderen kuriosen Fall: «Einen Temposünder erwischten wir mal auf seinem Weg zur Preisverleihung ‹Kavalier der Strasse›.»

Die Anlage könnte sogar noch heute eingesetzt werden – von ihrer Genauigkeit hat sie über all die Jahre nichts verloren. «Sie ist aus unerklärlichen Gründen mit den Jahren sogar noch besser geworden!», meint Frank Märtens von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt: «Das haben aktuelle Vergleichstests eindeutig ergeben. Ihre Fehlerquote hat eine maximale Abweichung von 3 km/h, liegt damit im absoluten Toleranzbereich.» 

Noch richtig gut in Schuss

Und auch der 66-jährige Bulli mit seinen über 65'000 Kilometern auf dem Tacho ist nach wie vor in einem Top-Zustand. «Nach 54 Jahren Standzeit mussten wir nur Öl und
Zündkerzen wechseln sowie eine neue Batterie einbauen», freut sich Tobias Twele von der Oldtimer-Sparte von VW Nutzfahrzeuge, der den völlig verstaubten Transporter in einer Garage entdeckte. Schlüssel umdrehen – und dann war es da, dieses typische, tiefe Blubbern des 25-PS-Boxermotors. Twele weiter: «Der Wagen hat kaum Rost im Unterboden und an tragenden Teilen. Der is noch richtig gut in Schuss!» 

Ex-Polizeihauptwachtmeister Heinz Scholze streift nach dem unverhofften Wiedersehen den blauen Mantel von damals wieder ab und legt ihn auf den Fahrersitz des alten Transporters. Beim Weggehen dreht er sich nochmals um und verabschiedet sich: «Machs gut, Bulli.»

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