Pikes Peak International Hill Climb 2018
Schnellste Ambulanz der Welt

Mit dem Elektro-Sportler I.D. R Pikes Peak setzte VW alles daran, das legendäre Bergrennen in Colorado in neuer Rekordzeit zu gewinnen. SonntagsBlick war beim Versuch dabei.
Publiziert: 30.06.2018 um 18:01 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2018 um 14:48 Uhr
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Der VW I.D. R Pikes Peak begleitet vom Sirenengeheul wie bei einer Ambulanz rollt...
Foto: Jürg A. Stettler
Jürg A. Stettler

Mit maximal 25 km/h dürfen Touristen in ihren Autos den Pikes Peak, den Berg mit den roten Felsformationen in Colorado (USA), hochkriechen. Es ist die gleiche Strecke wie beim legendären Bergrennen, das bereits zum 96. Mal ausgetragen wird. Diese ist zwar seit 2012 bis zum Ziel auf 4302 m ü. M. geteert, aber trotzdem noch eine riesige Herausforderung. Dort, wo Turbomotoren wegen der Höhe nach dünner Luft japsen und am Ziel nur noch 57 Prozent ihrer ursprünglichen Leistung liefern, kam für die Fahrer früher als zusätzliche Schwierigkeit der Wechsel von Asphalt auf Schotter dazu.

Während Romain Dumas im elektrischen VW I.D. R Pikes Peak schon Richtung Gipfel stürmt, arbeitet Paul Dallenbach noch bis kurz vor dem Start an seinem Renner Marke Eigenbau.
Foto: Jürg A. Stettler

E-Bolide im Vorteil

Um beides muss sich Romain Dumas (40) im VW I.D. R Pikes Peak nicht kümmern. Sein Elektro-Supersportler mit 680 PS und 4x4 braucht keine Luft für Turbos und zeigt daher keine Ermüdungserscheinungen. Doch wieso klingt der E-Bolide von Dumas so komisch? Ex-Sauber-Renningenieur und VWs technischer Berater Willy Rampf (65) schmunzelt: «Wegen der Zuschauer, aber auch wegen Tieren im unteren Streckenbereich, mussten wir einen Warnton einbauen. Wir haben verschiedene Klänge ausprobiert und uns dann für etwas Bewährtes entschieden.» Daher surrte Dumas nun als schnellster Ambulanzfahrer der Welt mit Sirenenton in unglaublichen 145,7 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit die Spitzkehren und die 19,99 km hoch.

VW I.D. R Pikes Peak

Antrieb 2 Elektromotoren (1 pro Achse), 680 PS, 650 Nm, 4x4, Leistungswerte 0 bis 100 km/h 2,25 s, Spitze 240 km/h, Masse (LxBxH) 5,20x2,35x1,20 m, Gewicht 1100 kg, Batterie Lithium-Ionen (aufgeladen in 20 Minuten, 20 Prozent Rekuperation während des Rennens).

VW I.D. R Pikes Peak
VW I.D. R Pikes Peak
Werk

Antrieb 2 Elektromotoren (1 pro Achse), 680 PS, 650 Nm, 4x4, Leistungswerte 0 bis 100 km/h 2,25 s, Spitze 240 km/h, Masse (LxBxH) 5,20x2,35x1,20 m, Gewicht 1100 kg, Batterie Lithium-Ionen (aufgeladen in 20 Minuten, 20 Prozent Rekuperation während des Rennens).

35 Prozent weniger Abtrieb

Der Franzose kennt die Strecke mit ihren 156 Kurven bis zum Gipfel perfekt. «Auf den ersten vier Kilometern mit den anspruchsvollen Kurven kann man viel Zeit verlieren. Der mittlere Teil mit den ganzen Haarnadeln ist der langsamste und langweiligste, aber man muss auf Bremsen und Reifen achten», so Dumas. «Und oben ab Devils Playground ist es extrem schnell und unruhig. Zudem verliert man beim E-Auto anders als beim Verbrenner keine Power.» Aber durch die dünne Luft hat der VW I.D. R Pikes Peak hier immerhin rund 35 Prozent weniger Abtrieb. «Unglaublich, wie viel Abtrieb der Wagen aber insgesamt entwickelt.» Und der ist auch nötig: «Wenn dieses Auto ins Rutschen gerät, dann ist es schon zu spät», erklärt der 40-Jährige.

Hier ist Willy Rampf, VWs technischer Berater und Ex-Sauber-Renningenieur, noch skeptisch, ob der Rekord gebrochen werden kann.
Foto: Jürg A. Stettler

Grösster Unterschied beim E-Boliden

Doch was war der grösste Unterschied vom E-Boliden zu einem herkömmlichen Verbrenner? Der VW-Pilot verrät: «Bei einem Benziner hast Du Sound und Vibrationen, welche Dir bei der Orientierung helfen, im E-VW ist es nur die Sicht. Das war eine enorme Umstellung.» Aber wieso muss ein E-Renner neben Abtrieb und Leistung auch mit einer Schnellladefunktion (in 20 Minuten vollgeladen) ausgerüstet sein? Willi Rampf hat dazu die simple Antwort: «Bei einer roten Flagge und Rennabbruch hätte man 20 Minuten, um wieder bereit zu sein. Daher musste der VW I.D. R Pikes Peak in dieser Zeit wieder startklar und vollgeladen sein.» Möglich macht dies eine spezielle Lithium-Ionen-Batterie mit höherer Leistungsdichte, die ein genau definiertes Temperaturfenster hat und daher vor dem Start je nach Wetter gekühlt oder geheizt werden muss.

Die anspruchsvolle Topografie der legendären US-Rennstrecke.
Foto: BLICK - Infografik

Wetter als härtester Gegner

Das Wetter war in Colorado wohl sowieso der härteste und unberechenbarste Gegner von Romain Dumas. VW stapelte im Vorfeld des Rennens daher bewusst tief und sprach stets vom E-Rekord von 8:57.118, den es zu schlagen galt. Aber bei so viel Aufwand und einem speziell für den Event in nur neun Monaten gebautem Wagen konnte eigentlich nur Sébastien Loebs Allzeit-Rekord im Peugeot 208 T16 Pikes Peak mit 8:13.878 das Ziel sein. Und obwohl kurz vor Dumas‘ Start plötzlich wieder Nebel und Wolken aufzogen, meisterte er seine Aufgabe bravourös.

Mit 7:57.148 pulverisierte Romain Dumas im VW I.D. R Pikes Peak den alten Rekord regelrecht.
Foto: Werk

Mit 7:57.148 pulverisierte Dumas den alten Rekord regelrecht und blieb als Erster gar unter acht Minuten. «Wahnsinn! Damit haben wir unsere hohen Erwartungen noch übertroffen», so der überglückliche Franzose, «seit den Testfahrten in dieser Woche wussten wir, dass wir den Allzeit-Rekord knacken können, aber es musste alles perfekt passen – auch das Wetter.» Und stolz fügt der sichtlich erleichterte 40-Jährige an: «Ich kann noch gar nicht glauben, dass jetzt VW und mein Name hinter dieser unglaublichen Zeit am Pikes Peak stehen!»

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Kurz vor dem Start, die Nervosität beim Schweizer Piloten...
Foto: Jürg A. Stettler

Schneller Schweizer am Berg

Mit Fabien Bouduban (46) aus Belprahon BE stellte sich auch ein Schweizer der Herausforderung Pikes Peak. «Zum 40. Geburtstag bin ich erstmals in einen Formel-Wagen geklettert und war sofort fasziniert. 2017 war ich dann schon einmal hier, aber nur für zwei Stunden. Dann kam der Anruf aus der Schweiz, dass unsere Firma brenne», verrät der Pilot eines Norma M20 mit 800 PS und Heckantrieb. Ein Jahr später brannte zum Glück nur der Rookie auf sein Debüt. Doch wie merkt man sich die 19,99 km lange Strecke? «Wir haben im November einen Videorun gemacht», erklärt Bouduban, «das half.»
 

Mit 9:28.254 wird Fabien Bouduban schliesslich Gesamtvierter.
Foto: Jürg A. Stettler

Und was ist mit Trainings im Simulator? Er lacht: «Da bin ich in 13 Minuten mindestens fünfmal gestorben. Meine Konsequenz, ‹Game over› fürs Üben im Simulator.» Das Resultat stimmt für Bouduban trotzdem, mit 9:28.254 wird er Gesamtvierter: «Wir hatten während der Woche einige technische Probleme, daher ist es umso schöner, nun auf dem Gipfel zu stehen!» Für den 46-Jährigen, der dort vor Freude einen kleine Schneemann auf seinem Boliden baute, ging ein Bubentraum in Erfüllung: «Es war genial, ja sogar magisch!»

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