Unsere Mobilität im Wandel – Teil 1: Elektromobilität
«Wir brauchen eine öffentliche Infrastruktur»

Immer mehr Hersteller drängen mit neuen Elektroautos auf den Markt, die Nachfrage steigt. Doch wie und wo wird die nötige Energie produziert, wie gelangt sie in die Fahrzeuge? Energie-Experte Dr. Gil Georges von der ETH Zürich gibt Antworten.
Publiziert: 02.08.2017 um 21:32 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:05 Uhr
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Auf dem Markt: ab 39'200 FrankenAkkugrösse: 33,2 kWhReichweite: 312 km (laut NEFZ; Werte weichen im Alltag ab)
Foto: Werk
Interview: Andreas Engel

BLICK: Herr Georges, schaffen wir einen Wechsel auf E-Mobilität in absehbarer Zeit?
Gil Georges:
Absolut, technologisch sind wir heute schon in der Lage. Wie man ein Elektroauto baut, wissen die Hersteller. Was man aber nicht unterschätzen darf: Über Nacht verwandelt sich nicht plötzlich jedes Auto in ein E-Auto. Es gibt momentan rund 4,5 Millionen PWs auf Schweizer Strassen, letztes Jahr wurden 310'000 Neuwagen verkauft. Sprich: Es dauert rund 15 Jahre, bis die gesamte Flotte ausgetauscht wäre. Da aber die Marktanteile von reinen E-Autos mit 1,5 Prozent noch sehr gering sind und potenzielle Käufer erst noch überzeugt werden müssen, reden wir über weit grössere Zeiträume.

Dr. Gil Georges (32) forscht am Institut für Energietechnik an der ETH Zürich. Im Swiss Competence Center for Energy Research (SCCER Mobility) – eines von acht Forschungskompetenzzentren im Rahmen des Aktionsplans «Koordinierte Energieforschung Schweiz» des Bundes – untersucht Georges zusammen mit Forschern der Verkehrsplanung und der Elektrotechnik, wie man eine grosse Flotte Elektrofahrzeuge mit Energie versorgen kann.
Foto: Philippe Rossier

Können Millionen E-Fahrzeuge überhaupt mit Strom versorgt werden?
Wenn wir weit in die Zukunft blicken und sagen, wir elektrifizieren die 4,5 Millionen Autos auf unseren Strassen, reden wir von 12 bis 14 Terawattstunden zusätzlichem Strombedarf. Das entspräche am heutigen Verbrauch der Schweiz gemessen 15 bis 25 Prozent. Für mich stellt sich aber weniger die Frage, ob die Energie da ist, sondern, wie sie ins Auto kommt? Sorgen bereiten mir dabei die kurzen Spitzen im Stromnetz. Etwa an einem schönen Wochenende, an dem viele Leute ins Tessin fahren und Sonntagabend plötzlich viel mehr Energie brauchen als sonst.

Wie wird in einem solchen Fall die Versorgung gesichert?
Die Anbieter müssen mit den Autos, oder zumindest der Infrastruktur, kommunizieren. Sie müssen aktiv ins Ladegeschehen eingreifen und es managen. Dabei können sie die Flexibilität der Fahrer ausreizen: Wenn diese abends nach Hause kommen und erst am nächsten Morgen wieder ins Büro fahren, ist es egal, ob das Auto direkt nach dem Anschliessen an die Steckdose lädt oder erst zwei Stunden später. Man kann den Energiespitzen auch durch «Smart Charging» aus dem Weg gehen: Dabei lernt das Auto, wann der Fahrer normalerweise losfährt und kann den Ladevorgang individuell starten. Bietet das Netz nicht mehr genügend Reserven, fängt es an, diejenigen Autos, die als letztes wieder losfahren müssen, vom Strom zu trennen.

Das intelligente Stromnetz (engl. smart grid) erlaubt es, dass Stromerzeuger, Speicher und Verbraucher (z.B. E-Autos) miteinander kommunizieren können. Dadurch kann die Energieversorgung auch bei grossen Stromspitzen oder grosser Auslastung sichergestellt werden.
Foto: Werk

Was bedeutet der Wandel auf erneuerbare Energien für die Versorgung?
Wenn wir jetzt plötzlich die gesamte Flotte wechseln müssten, hätten wir ein Problem. Aber der Wandel wird langsam erfolgen und die Elektrizitätswirtschaft hat Zeit, darauf zu reagieren. Unbestritten werden aber grosse Herausforderungen auf die Energieversorger zukommen. Nicht jeder besitzt eine Garage mit Stromanschluss, um sein E-Auto zu laden – folglich brauchen wir eine öffentliche Infrastruktur. Und selbst wenn ich das E-Auto daheim über Nacht laden kann, fehlt der Strom aus Photovoltaik-Anlagen. Zudem geht das Bundesamt für Raumentwicklung bis ins Jahr 2040 von einer 18 prozentigen Zunahme des Personenkilometers mit Autos aus – die Nachfrage nach Mobilität wird also künftig weiter wachsen.

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