Die Schweiz diskutiert Autokameras
Mit Dashcam droht Fahrverbot!

Eine Comparis-Umfrage belegt, dass die Schweizer die Minikameras als Beweismittel wollen. Viele haben eine und vergessen oft: Es drohen Busse und Fahrverbot!
Publiziert: 19.07.2018 um 17:25 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:21 Uhr
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Achtung, Aufnahme: Dashcams werden auch in der Schweiz immer beliebter – aber können bei falscher Montage eine Busse, ja sogar Fahrverbot nach sich ziehen. Eine Umfrage von Comparis belegt derweil, dass die Autofahrer ...
Foto: Andreas Engel
Andreas Engel

Seit Neuestem ist es deutschen Gerichten nach einem Bundesgerichtshofs-Urteil erlaubt, nach Autounfällen Aufnahmen von Cockpit-Minikameras, sogenannten Dashcams, als Beweismittel zu nutzen. Hierzulande gibts keine klare Regelung. Direkt verboten oder erlaubt ists nicht. Aber oft wird vergessen: Wer eine Dashcam nutzt, kann verzeigt werden. Genau wie bei Navis oder Smartphones darf sie keinesfalls das Sichtfeld des Fahrers einschränken – sonst drohen bis zu 500 Franken Busse plus saftige Gebühren (schnell 300 weitere Franken). Gehandhabt wirds je nach Kanton sehr verschieden – manchenorts droht gar Ausweisentzug! Empfohlen wird, ganz am (idealerweise unteren) Frontscheibenrand zu montieren und in keinem Fall relativ mittig. Das Sichtfeld muss frei bleiben (Sichtfeld siehe Galerie).

Experten warnen vor Dashcams

Aber auch datenschutzrechtlich ist der Einsatz einer Dashcam heikel: Hugo Wyler, Sprecher des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), warnt: «Die Dashcam verletzt in der Regel die Persönlichkeitsrechte, da wahllos Daten sämtlicher Personen aufgezeichnet werden, die sich im Aufnahmebereich aufhalten. Für sie ist zudem nicht erkennbar, dass sie gefilmt werden.»

70 Prozent befürworten Dashcams

Die Schweizer pfeifen jedoch auf die Warnung des Datenschützers. Laut einer neuen Studie des Online-Vergleichsdienstes Comparis.ch befürworten über zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer (Umfrageergebnisse siehe Galerie) die gerichtliche Verwendung von Dashcam-Aufnahmen und sogar die Nutzung der Aufzeichnungen über die Funktion als Beweismittel hinaus. Mehr als die Hälfte der Befragten glaubt zudem, dass Minikameras zu einem korrekteren Fahrverhalten beitragen. Nur gerade 12 Prozent der Befragten sind gegen die Verwertbarkeit von Aufnahmen vor Gericht.

Mehr Überwachung, weniger Unfälle

Bei vielen Studienteilnehmern spielen finanzielle Aspekte eine Rolle: Jeder Zweite wünscht sich Prämienrabatte der Motorfahrzeugversicherung, falls eine Dashcam im Auto ist. Bei der Axa hat sich ein ähnliches Gadget bewährt. Junglenker, die sich einen Crashrecorder ins Fahrzeug einbauen lassen, erhalten 15 Prozent Rabatt – gemäss dem Versicherer verursachen diese Lenker 15 Prozent weniger Unfälle.

Gerichte mal dafür, mal dagegen

Wird die Schweiz jetzt per Dashcams zum Überwachungsstaat? «Nein», entgegnet Ursula Uttinger, Präsidentin Datenschutz-Forum Schweiz. «Es darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass das Strafmonopol beim Staat liegt.» So sprach das Strafgericht in Basel zwar einen Lenker nicht trotz, sondern wegen einer Dashcam-Aufnahme frei: Die zeigte, dass eine Frau, der er über den Fuss gefahren war, ihm keine Chance gelassen hatte, am Zebrastreifen rechtzeitig zu bremsen – hier überwog das Interesse an Aufklärung. Doch sprach wiederum das Kantonsgericht Schwyz im Februar einen Lenker frei, der auf der Autobahn zu schnell war und rechts überholt hatte – aufgezeichnet von der Dashcam eines Fahrers, der die Aufnahmen der Polizei gab. Nachdem der fehlbare Fahrer erst verurteilt wurde, zog er ans Kantonsgericht. Das urteilte, dass «die Dashcam-Auswertung nicht verwertbar» sei und sprach ihn frei – es überwog also das Interesse des Datenschutzes.

Entscheid mit Vorbildcharakter

Heute neige laut Uttinger selbst der Gesetzgeber dazu, Überwachungsmöglichkeiten möglichst inflationär zu erlauben. Dadurch werde der Wert der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung vernachlässigt. Sie sagt zum Schwyzer Urteil: «Insofern sollte dieses Urteil Vorbild für zukünftige Entscheidungen sein.» Ob Dashcams in Zukunft als Beweismittel zugelassen werden? Das wird wohl weiterhin nur im Einzelfall vor Gericht entschieden.

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