Zweiter Lockdown für Autoverkäufer
«Eine Katastrophe, was der Bundesrat beschlossen hat!»

Zweiter Lockdown! Wieder müssen die Auto-Showrooms grosser wie kleiner Garagenbetriebe auf Geheiss des Bundesrats für Wochen schliessen. Die Werkstätten haben zwar noch offen, verkauft werden darf aber nur via Internet. BLICK fragt nach, was das für Garagen bedeutet.
Publiziert: 22.01.2021 um 03:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2021 um 15:11 Uhr
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«Jetzt gehts mit Kurzarbeit wieder nach Hause ins Homeoffice», sagt Tamara Marti (33), Autoverkäuferin der Ernst Ruckstuhl Mobility AG in Kloten ZH.
Foto: Raoul Schwinnen
Martin A. Bartholdi, Andreas Engel, Andreas Faust, Timothy Pfannkuchen, Raoul Schwinnen

Tamara Marti, Autoverkäuferin, Ernst Ruckstuhl Mobility AG, Kloten ZH

«Wir haben heute noch alles abgesperrt», sagt Tamara Marti (33), Autoverkäuferin bei der Ernst Ruckstuhl Mobility AG in Kloten ZH, am Samstag. «Jetzt gehts mit Kurzarbeit wieder nach Hause ins Homeoffice.» Tamara Marti wirkt an ihrem Schreibtisch im hellen Verkaufsraum fatalistisch: «Ich kanns ja nicht ändern.» Was macht eine Autoverkäuferin zu Hause im Homeoffice? Marti zuckt mit den Schultern: «Etwas Kundenpflege, den einen oder anderen Anruf.» Sie betont allerdings: «Natürlich kann man bei uns in den kommenden Tagen und Wochen trotzdem ein Auto kaufen – via Internet.» Der Verkaufsleiter persönlich organisiere, wenn nötig, die Fahrzeugübergabe. Marti: «Selbstverständlich immer unter den gegebenen Corona-Massnahmen – also Auto und Schlüssel desinfizieren.»

Und wie siehts mit Lohnausfall aus? Die Opel-Verkäuferin sagt offen: «Wir habens gut. Wir mussten schon im ersten Lockdown keine Ferien beziehen. Und auch jetzt erhalten wir 80 Prozent von unserem Umsatz entschädigt. Ich weiss aber», so Marti, «dass dies nicht überall so ist.» Mit einem Lächeln unter der Maske meint sie zum Abschied: «Ich wäre übrigens die nächsten zwei Wochen sowieso zu Hause geblieben. Ich hatte schon vor längerer Zeit zehn Tage Ferien eingegeben. Nun muss ich die halt beziehen.» Mit Blick aus dem Fenster meint sie aber augenzwinkernd: «Bei diesem Winter-Wonderland gibts allerdings Schlimmeres.»

Stefan Gasser, Besitzer, Garage Gasser, Schaffhausen

«Ab heute gilt bei uns wieder das Lockdown-Regime vom letzten Frühling», erklärt Stefan Gasser (55), Besitzer der Mehrmarken-Garage Gasser in Schaffhausen. «Das heisst, wir verkaufen unsere Autos wieder übers Internet und verschicken die Offerten per Mail. Das geht ganz gut.» Und auf eine Testfahrt müssten die Kunden auch nicht verzichten. Das Auto werde draussen bereitgestellt und der Schlüssel warte in der Schlüsselbox – alles desinfiziert natürlich. «Nach der Testfahrt telefonieren wir mit dem Kunden, um letzte Fragen zu klären und den Kauf abzuschliessen.»

Mühsamer sei die Kundenpflege und Kundengewinnung per Telefon. «Am Telefon liegt einem ein Nein viel leichter auf der Zunge, und ein Gespräch ist viel schneller beendet», erklärt Gasser. Vor allem ältere Kunden im Pensionsalter würden mit dem Kauf eines neuen Autos zuwarten. «Es gibt aber auch solche, die extra jetzt ein Auto kaufen, um uns zu unterstützen. Wie viele, die bei ihrem Lieblingsbeizer jetzt Essen zum Mitnehmen holen.» Obwohl die Garage Gasser gut aufgestellt ist und den Verkauf nicht einstellt, ist der Besitzer nicht erfreut, dass er den Showroom erneut schliessen muss: «Für mich ist es in Anbetracht der geringen Frequenz unverständlich, dass wir schliessen müssen. Ein Blumengeschäft hat mehr Kunden. Und auch in der Werkstatt, die ja offen bleiben darf, haben wir eine höhere Kundenfrequenz als im Showroom.»

Willi Feldmann, Inhaber, Autogarage Feldmann AG, Winterthur ZH

«Schauen Sie mal, was am Freitag wegen des Schnees in Zürich los war: kein Tram, keine Busse», sagt Willi Feldmann (58), in zweiter Familiengeneration Inhaber und Geschäftsführer der seit 51 Jahren Mazdas verkaufenden Autogarage Feldmann aus Winterhur ZH: «Auch Garagisten sind im weitesten Sinne systemrelevant: Wir garantieren die Mobilität der Bevölkerung. Nicht nur deshalb kann ich die erneute Schliessung nur bedingt nachvollziehen: Manche Branche mit höherer Kundenkonzentration bleibt offen. Wir haben alles Menschenmögliche getan mit dem Schutzkonzept – und müssen schliessen.»

Feldmann, seit 35 Jahren in der Branche, versucht optimistisch zu bleiben, aber man spürt Resignation. «Zumindest bei uns stammt der grössere Teil des Gewinns vom Verkauf, das kann der Technikbereich nie ausgleichen. Verkaufsberater und Disponent sind auf Kurzarbeit», betont Feldmann: «Ich appelliere an den Bund, Garagisten zu unterstützen!» Ihm mache Sorgen, dass man nicht wisse, wie lange alles dauere. Leise fügt der Chef von 15 Leuten an: «Wer weiss, ob das alle Garagen überleben.»

Reto Schweikart, Inhaber, Bernina-Garage, Zürich

Schon am Telefon ruft Reto Schweikart (50) aus: «Es ist eine Riesen-Katastrophe, was der Bundesrat da beschlossen hat! Wenn ich auf dem Schloss in Bundesbern wohnen und jährlich 500'000 Franken kassiere würde, könnte ich auch sagen: Bleiben Sie zu Hause.» Schweikart führt die Bernina-Garage mit drei Verkaufslokalitäten und einer Werkstatt in der Stadt Zürich seit 31 Jahren. Als wir ihn im Anschluss ans Telefonat in seiner Garage in Wiedikon zum Interview treffen, wirkt Schweikart gefasst. Die Strategie des Bundes hält er dennoch für falsch: «Auf der einen Seite strömen die Leute weiterhin in Massen in die Berge zum Skifahren und holen sich eng an eng in der Gondel Corona. Und hier unten im Flachland sterben wegen der Massnahmen nach und nach die Betriebe aus.» Er selber kenne einige Taxiunternehmer und Wirte, die unter den Folgen der Pandemie schon jetzt enorm leiden würden.

Unterschätzen dürfe man das Virus nicht, meint Schweikart. Er selber, seine Frau und zwei Werkstattmitarbeiter hätten Corona sogar im Herbst gehabt. «Ich lag eine Woche flach, konnte mich aber zum Glück schnell erholen.» Bis sich sein Betrieb von der Pandemie wieder erhole, werde es aber noch lange dauern: «Seit dem ersten Lockdown haben wir rund 50 Prozent weniger Umsatz gemacht, ab Montag werden wir wohl nur noch rund ein Viertel der Autos verkaufen, die sonst weggehen würden.» Auch mit den Krediten des Bundes, die Schweikart natürlich zurückzahlen muss, könne es aber nicht ewig so weiter gehen: «Sonst wird es irgendwann schon existenzbedrohend.»

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