Warum immer mehr Rückruf-Aktionen?
Auf Wiedersehen

General Motors, Toyota, VW, zuletzt gar Ferrari – die Anzahl der Rückrufe in der Autoindustrie steigt ständig an. Kaum eine Marke, die mittlerweile nicht betroffen ist. Und ein Ende dieser Welle ist nicht abzusehen. Freilich sind die Gründe hausgemacht.
Publiziert: 02.08.2015 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:45 Uhr
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Läuft alles glatt...
Von Wolfgang Gomoll

Alleine in den USA mussten im letzten Jahr 64 Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt zurückgerufen werden. Tendenz steigend. Doch was sind die Ursachen für diese unpopulären Massnahmen? Ein Hauptgrund sind mit Sicherheit die modernen Produktionstechniken. Um Kosten zu senken, treiben die Autohersteller die Gleichteilestrategie (Stichwort: Baukasten-Prinzip) auf die Spitze. Läuft alles glatt, will etwa der VW-Konzern die Zahl der hergestellten Fahrzeuge pro Plattform verdreifachen. Wenn sich bei derart vielen identischen Komponenten aber ein Fehler einschleicht, potenziert sich das Problem gleich massiv. Ein Beispiel: Als der japanische Zulieferer Takata im letzten Jahr an Honda und Fiat-Chrysler fehlerhafte Airbags lieferte, kletterte die Zahl der betroffenen Fahrzeuge gleich in Millionenhöhe.

Natürlich ist die technische Komplexität moderner Autos in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Man braucht sich nur die Anzahl der Fahrassistenzsysteme vor Augen führen. Bestand die automobile Computertechnik noch vor 15 Jahren im Prinzip nur aus ABS, ESP und etwas mehr als einer Handvoll Steuergeräte, ist die Zahl der Leitungen, Relais und Rechenchips in jüngster Zeit explodiert. Das von uns Autofahrern geschätzte Plus an Sicherheit und Konnektivität hat mehr Elektronik zur Folge, die – wie wir von jedem PC oder Smartphone wissen – fehleranfällig ist. Der Wettbewerb und Konkurrenzdruck unter den Autoherstellern führt aber dazu, dass die Systeme erstens möglichst schnell und zweitens günstig auf den Markt müssen. Jede zusätzliche Qualitätsschleife bei der Produktion kostet Zeit und Geld. «Der hohe Zeitdruck in der Produktentwicklung wirkt sich negativ auf die Qualitätssicherung aus», weiss Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach (D).

Um diesem Druck entgegenzuwirken, wälzen die Autohersteller einen immer grösser werdenden Teil der Kosten an ihre Zulieferer ab. Der seit diesem Monat als neuer VW-Markenchef fungierende Herbert Diess war zu seiner Zeit als oberster BMW-Einkäufer unter den Lieferanten als gnadenloser Kostenschleifer gefürchtet. Und die Zulieferer wiederum drücken bei ihren Rohstoff-Lieferanten auf den Preis – mit der Gefahr, dass die Qualität der gefertigten Teile sinkt und die Anfälligkeit für Defekte steigt.

Mit solchen Sparübungen sägt die Autoindustrie freilich an jenem Ast, auf dem sie sitzt. Denn die Zulieferer übernehmen bei der Fahrzeugproduktion einen immer grösseren Teil. Der Wertschöpfungsanteil von Zulieferern wie Bosch, Continental oder der Schweizer Autoneum ist mittlerweile auf 75 Prozent gestiegen. Immer mehr Autokomponenten werden als fertige Module geliefert. Um die anspruchsvolle Beschaffenheit der Bauteile zu sichern, ist ein unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement nötig. Das ist an sich schon sehr komplex. Wenn man dann noch die Menge der verschiedenen Elemente und die Tatsache, dass dieser Prozess global perfekt funktionieren muss, in Betracht zieht, wird klar, wie fragil dieses Produktions-Konstrukt ist. Für Stefan Bratzel wandeln deshalb die Autobauer auf einem schmalen Grat: «Die Analyse der globalen Hersteller zeigt, dass insbesondere hohe Wachstumsziele die Autobauer dazu verleiten können, die Qualitätsanforderungen zu vernachlässigen.» Der Auto-Experte schiebt gleich einen Lösungsansatz nach: «Die Autohersteller müssen die Kraft haben, sich im Zweifel gegen kurzfristige Kosten- und Vertriebsziele durchsetzen zu können. Auftretende Qualitätsmängel müssen darüber hinaus durch den Hersteller schnell erkannt werden, bevor bedingt durch die Gleichteilestrategien die Auslieferungen Millionenhöhe erreichen.»

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