Vor sechs Jahren sah Volvo ganz nach Saab aus. Als Ford 2010 im Zuge der Finanzkrise die schwedische Nobeltochter an den chinesischen Autobauer Geely verkaufte, fehlte es nicht an Unkenrufen: Wird Volvo zum Billiglabel? Geht die Marke kläglich unter wie Saab? Heute dürfen wir uns schämen für unsere Skepsis gegenüber den neuen Eignern aus dem Reich der Mitte. Wie die ebenfalls von Ford veräusserten Edelmarken Jaguar und Land Rover bei Tata aus Indien, so blüht auch Volvo nach Jahren der Zukunftsängste bei Geely auf.
Die neuen 90er – der SUV namens XC90 sowie Oberklasselimousine und -kombi S90 und V90 – kommen prima an. Statt, wie einst General Motors bei Saab, die Marke chronisch misszuverstehen und tot zu sparen, lässt Geely Volvo offenbar den Freiraum, zu tun, was man in Göteborg eben am besten kann: Edle Autos bauen. Und pumpt gut elf Milliarden Entwicklungsfranken hinein.
Fit für die Welt
Geely, mit einer halben Million Autos im Jahr eher einer der kleineren chinesischen Hersteller, will (und wird) im Gegenzug die Technologien nutzen, Geld verdienen und dazu Volvos Absatz steigern (von erstmals über 500'000 im letzten Jahr auf ambitionierte 800'000 bis 2020). Das wäre unter VW oder Toyota nicht anders. Bislang zahlt sich das Investment für Geely aus. Volvo ist wieder profitabel. Auch, weil die Marke sich neu erfinden darf. Das Design markengerecht dezent, doch spannender als zuvor. Dass vier Zylinder nun das höchste der Gefühle sind, mag auf Prestigemärkten wie unserem Unverständnis auslösen, aber ist wie Plug-in-Hybrid- und E-Antrieb und auch die Betonung von Sicherheitsfeatures wie zum autonomen Fahren ein Schritt in die Zukunft.
Die grossen Stückzahlen aber machen nicht die 90er-, sondern die 60er- und vor allem die 40er-Reihe. Die Kompaktbaureihe steht künftig auf der (analog zur SPA-Plattform für die 90er und nächsten 60er entwickelten) modularen CMA-Plattform. Das soll sie fit für die Zukunft machen. Und fit für die Welt: Bisher war zum Beispiel der V40 US-ungeeignet.
Seriennahe Studien
Wohin die Reise geht, sieht SonntagsBlick in Göteborg. Im kleinen Kreis enthüllt Volvo zwei verdächtig seriennahe Concept Cars. Der «40.1» ist (was auch sonst im weltweiten SUV-Boom?) ein kompakter SUV. Er dürfte später XC40 heissen und Ende 2017 der erste neue 40er werden.
Der andere («40.2») sieht aus wie eine Crossover-Limousine. Der neue S40? Beide scharf genug, um den Millennials zu gefallen, und doch schwedisch pompfrei. Beide, klar, mit «Thors Hammer», die coole LED-Tagfahrlichtgrafik der neuen 90er-Typen.
Hinter «Thors Hammer» werkeln, wie uns Volvo-Chefentwickler Peter Mertens verrät, zwar auch Diesel und Benziner ab etwa 100 PS. Vor allem aber ein T5 – ein Plug-in-Hybrid mit Dreizylinderturbo und 250 PS, Sieben-Gang-Doppelkupplungsautomat und 50 Kilometern E-Reichweite. Mit Allrad, wie im XC90 T8? Ja, allerdings aus den Frontantriebs- und auch Kostengründen der Kompaktklasse heraus nicht via E-Motor hinten (in der CMA-Plattform ist er vorne integriert), sondern als normaler Allradantrieb.
E-Auto mit 350 Kilometern Reichweite
Ebenfalls bereit ist für die 40er-Reihe eine Elektro-Variante mit 350 Kilometern Reichweite. Das braucht es auch: Bis 2025 will Volvo eine Million elektrifizierter – Plug-ins und rein elektrische – Autos verkaufen. Nicht zeigen mag uns Volvo in Göteborg, was quasi fertig ist: Als nächste Baureihe kommt die neue 60er-Reihe auf SPA-Plattformbasis, die wohl schon Anfang 2017 enthüllt wird.