Studie zeigt Mega-Lücke zwischen Theorie und Praxis
Sind Plug-in-Hybride eine Mogelpackung?

Plug-in-Hybrid-Modelle sind in der Käufergunst gestiegen und gelten als besonders umweltfreundlich und dennoch für Langstrecken geeignet. Ein gross angelegter Praxistest zeigt: Aber nur, wenn der Fahrer mitdenkt.
Publiziert: 23.12.2020 um 05:45 Uhr
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Aktualisiert: 23.12.2020 um 14:18 Uhr
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Fast jeder Autohersteller hat heute Plug-in-Hybrid-Modelle im Angebot: So fährt auch die neue Mercedes S-Klasse mit doppelter Antriebstechnik unterm wohlgeformten Blech vor.
Foto: zVg
Andreas Engel

Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge (PHEV) werden als das beste aus zwei Welten angepriesen: Die Batterie soll für mindestens 50 emissionsfreie Kilometer auf Kurzstrecken sorgen, der Verbrenner unter der Haube die Angst vor der leeren Batterie nehmen. Eine Win-Win-Situation: Kunden bekommen ihr umweltfreundliches Auto, mit dem sie unbeschwert in die Ferien reisen können; Autohersteller profitieren in der CO2-Bilanz, bis die Kundschaft endgültig auf reine Stromer umsteigt. Und sie sind spürbar im Aufwind: Bis Ende November waren 5,5 Prozent aller Schweizer Neuwagen Plug-in-Hybride.

Doch wie auch BLICK schon in eigenen Tests festgestellt hat, klafft zwischen Theorie und Praxis oft eine Lücke. Wie hoch der Realverbrauch bei Plug-in-Hybriden wirklich ist, zeigt eine neue Studie der europäischen Umweltorganisation Transport & Environment (T&E, siehe Box). In deren Auftrag untersuchte das Institut Emissions Analytics Verbrauch und CO2-Ausstoss von drei auch in der Schweiz beliebten Plug-in-SUVs: Mitsubishi Outlander (Elektro-Reichweite: 45 km), Volvo XC60 (53 km) und BMW X5 (81 km).

Wer ist Transport & Environment (T&E)?

Bei Transport und Environment (T&E) handelt es sich um die Dachorganisation von 53 nichtstaatlichen europäischen Organisationen aus 26 Ländern, die sich dem nachhaltigen Verkehr verschrieben haben. Zu den Zielen von T&E gehört es, vor Entscheidungen der EU bei Verkehrsthemen die Sicht der Umweltverbände darzulegen und die nationalen Aktivitäten der einzelnen Mitglieder auf EU-Ebene zu bündeln. Zu den Mitgliedern von T&E zählt unter anderem auch der Verkehrsclub der Schweiz VCS.

Bei Transport und Environment (T&E) handelt es sich um die Dachorganisation von 53 nichtstaatlichen europäischen Organisationen aus 26 Ländern, die sich dem nachhaltigen Verkehr verschrieben haben. Zu den Zielen von T&E gehört es, vor Entscheidungen der EU bei Verkehrsthemen die Sicht der Umweltverbände darzulegen und die nationalen Aktivitäten der einzelnen Mitglieder auf EU-Ebene zu bündeln. Zu den Mitgliedern von T&E zählt unter anderem auch der Verkehrsclub der Schweiz VCS.

Unterschiedliche Szenarien

Auf den 92 bis 100 Kilometer langen Testrunden durchlaufen die Modelle unterschiedliche Szenarien: Gestartet wird mit voller Batterie im reinen Elektromodus, bevor die Strecke mit ausgeschaltetem E-Motor abgefahren wird – also mit leerem Akku. Im dritten Durchlauf wird getestet, wie sich maximale Zuladung auf den Verbrauch auswirkt, und im härtesten Fall muss der Verbrenner gar dafür sorgen, den leeren Akku während der Fahrt wieder vollzuladen.

Bei allen drei SUVs zeigt sich ein ähnliches Muster. Auf der vorrangig elektrisch gefahrenen Runde erzielen sie akzeptable Verbrauchswerte: 3,8 l/100 km beim Mitsubishi Outlander, 5,0 l/100 km beim Volvo XC60 sowie 1,9 l/100 km beim BMW X5 – letzterer, der grösste und schwerste Wagen im Test, profitiert dabei von seiner grossen E-Reichweite. Dennoch stossen die Autos schon im bestmöglichen Szenario immer mindestens ein Drittel mehr CO2 aus, als der Katalog verspricht: 86 anstatt 46 g CO2/km beim Mitsubishi, 115 anstatt 71 g CO2/km beim Volvo und 42 anstatt 32 g CO2/km beim BMW.

Das 15-Fache über der Norm

Je höher die Belastung und je geringer die E-Reichweite, desto mehr steigen die Verbräuche der getesteten Plug-ins an. Am wenigsten stösst dabei der Mitsubishi Outlander aus, dessen CO2-Ausstoss von 86 g/km im E-Modus über 164 g/km im Verbrennermodus bis zu 216 g/km mit zusätzlichem Laden während der Fahrt reicht. Zum Vergleich: Der aktuelle europäische CO2-Flottengrenzwert liegt bei 95 g/km. Insgesamt verbraucht der Outlander zwischen 3,8 und 9,4 l/100 km. Schon schlechter siehts beim Volvo XC60 aus, dessen Werte bei 115, 184 und 242 g CO2/km liegen – dies entspricht Verbräuchen von 5,0 bis 10,8 l/100 km.

Richtig dicke kommts dann beim BMW X5. Nach fast schon fabelhaften 42 g CO2/km im E-Modus schlägt das Dickschiff mit leerem Akku richtig zu: 254 g/km sinds im Verbrennermodus, mit zusätzlichem Batterieladen dann gigantische 470 g/km – fast das 15-Fache des Normwertes! Umgerechnet auf den Verbrauch bedeutet das: 1,9 bis 17,1 l/100 km.

Für den Alltag ungeeignet?

Für T&E-Expertin Julia Poliscanova ist der Fall klar: «Plug-in-Hybride sind Pseudo-Elektroautos, die für Labortests und Steuererleichterungen gebaut werden, aber nicht für tatsächliches Fahren», erklärt sie gegenüber dem Magazin «Spiegel». Ihr Fazit: Emissionsarm fahren, auch auf Langstrecken, ist mit Plug-in-Hybriden kaum möglich.

Der Test zeigt aber auch: Wenn der Fahrer mitdenkt, kann der PHEV eine gute Lösung sein. Wer vor allem Kurzstrecken fährt und den Wagen konsequent nachlädt, kann mit Teilzeitstromern durchaus verbrauchsarm unterwegs sein und gültige CO2-Grenzwerte unterbieten. Mancher könnte gar entdecken, dass ein rein elektrischer Antrieb für ihn sogar noch besser wäre.

Wenn man PHEVs allerdings wie einen Verbrenner bewegt, nie einstöpselt oder energetisch unsinnig die Batterie ständig per Benziner oder Diesel nachladen lässt, machen Plug-ins definitiv keinen Sinn – weder für die Kunden, noch für die Umwelt.

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