Was haben Zweijährige und Automobilingenieure gemeinsam? Ihre Baukästen. Klötzchenstapeln für Anfänger und Fortgeschrittene: Türmchenbauen bei den einen, Klimaanlage, Cockpit, immer die gleichen Motoren zusammenstecken bei den anderen. Noch Karosserie und Raumkonzept anpassen – fertig ist die Modellfamilie. Bei Mercedes geht das Prinzip noch weiter – mit der gemeinsamen Nutzung von Modulen mit den Allianzpartnern Nissan und Renault in der Kompaktklasse. Klötzlitausch mit dem «Chindsgi-Gespänli», sozusagen. Und so lässt sich aus dem Benz'schen Kompaktbaukasten so Unterschiedliches zusammenschrauben wie die Mercedes B-Klasse und der Mercedes-AMG A 35 – Familienkutsche und GTI-Schreck.
Luft nach oben
Frappierend die Ähnlichkeit: Scharf anfangen mit steiler Front, XXL-Stern und grimmig angewinkelten Scheinwerfern. Dann schlank weitermachen im Fall des AMG, oder Luft holen und aufpusten wie bei der B-Klasse. Motorhaube steiler, Dachlinie hoch, aber flacher als beim Vorgänger, dazu 2,6 Zentimeter mehr Länge und deren 3,0 mehr Radstand und ein wuchtiges Heck. Macht innen ein Plus von sechs Zentimetern Sitzhöhe bei der B-Klasse und damit den Unterschied zwischen Knicks beim Einstiegen und leichtem Hereinrutschen.
Gleichstand im Cockpit
Beide tragen die Cinemascope-Monitore des neuen MBUX-Systems. Dass der Basis-B im Rest Europas ohne kommt, kann Schweizern gleich sein – bei uns ists Serie. Erstmals darf bei Mercedes «getatscht» werden – mitten auf den Bildschirm, trotz möglichen Schoggifingern bei minderjährigen B-Klässlern. Oder man nutzt den Touchpad auf der Mittelkonsole oder lässt auf Zuruf, «Hey. Mercedes», den Radiosender wechseln, das Sonnendach schliessen oder das «Wie lange nooooch…?» berechnen. Im A 35 hockt man vorn, nun ja, massgeschneidert, ohne zu fest im Sportsitz zu klemmen; in der B-Klasse gehts luftiger zu, weil die Armaturentafel mehr Knieraum lässt.
Wohn- und Spielzimmer
Überhaupt fühlt man sich in der B-Klasse wie in Watte gepackt. Optional verändern die Vordersitze ab und an die Sitzpostion, damit man nicht verspannt oder massieren die überhaupt nicht malträtierten Muskeln. Denn: Die Polster haben Sofaqualität und ähnlichen Seitenhalt, während man im A 35 vor lauter Konzentration sowieso jede Faser anspannt. Dessen Rücksitze kann man auch umklappen – der A 35 soll nicht nur als Zweitwagen taugen, aber in der B-Klasse gibts, logisch, mit 455 bis 1100 Litern den grösseren Gepäckraum. Für echte Van-Flexibilität mit Längsverschiebbarkeit der Rückbank um 14 Zentimeter muss man aber extra zahlen.
Spielzeug
Die Motoren teilt sich die B-Klasse mit der normalen A-Klasse und zum Teil mit Nissan-Renault; im 306 PS starken A 35 gibts nichts von der Stange. Der neue Vierzylinder-Turbo mit zwei Litern Hubraum hängt giftig am Gas, harmoniert mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und damit die Leistung auch auf dem Asphalt ankommt, steigt bei Bedarf blitzschnell elektromechanisch gesteuert die Hinterachse mit ein. Man vergisst auf der ersten Probefahrt auf den Buckelpisten in Mallorcas Bergen fast, dass der frühere AMG-A 75 PS mehr hatte, so flink fegt der A35 um die Kurven. Und so gemässigt: Es gibt Klappen im Auspuff, aber dennoch bollert der AMG moderat.
Sanftes Fahren
Gespenstisch leise dagegen die B-Klasse mit den zwischen 116 und 190 PS leistenden drei Turbodiesel und zwei Turbobenzinern. Der 190-PS-Diesel bringt viel Gewicht auf die Vorderachse, aber kraftvollen Antritt und federt schön straff. Beim 163-PS-Beziner bleibts eher geschmeidig – im Falle von Federn und Dämpfern fast ein wenig zu weich. Erfüllung der Euro 6d-Temp-Norm ist Standard; die beiden starken Diesel sind erstmals mit einem Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe zu haben. Manuelle Getriebe? Fehlanzeige, im Zarten wie im Harten.
Zugreifen
Zum Händler rollen beide noch vor Weihnachten. Beim B gibts die guten Gene für kleineres Geld und damit ab 37'200 Franken. Für den A 35 4Matic muss man mindestens 59'200 Franken ausgeben – also so wenig wie noch nie für einen Mercedes-AMG. Wer nähme nun welchen? Die Autoingenieure greifen zum AMG A 35. Aber für die Zweijährigen käme nur die B-Klasse infrage. Denn dort würden auch Oma und Opa gerne einsteigen.