Alltag mit einem Elektro-Auto
4:56
Test: Ein Tag unter Strom:Alltag mit einem Elektro-Auto

Praxistest: Wie klappts mit einem E-Auto im Alltag?
Die neue Freiheit

Zu teuer, zu geringe Reichweite und das lästige Nachladen: Elektroautos haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Aber fährt man mal eines für eine Woche im Alltag, funktioniert das fast problemlos.
Publiziert: 10.07.2019 um 06:40 Uhr
|
Aktualisiert: 10.07.2019 um 14:01 Uhr
1/14
Grössere Batterien geben mehr Freiheit: Hyundais Kona Electric schafft nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis rund 450 Kilometer Reichweite.
Foto: Timothy Pfannkuchen
Andreas Faust

In der Testwagengarage der BLICK-Autoredaktion siehts kunterbunt aus – alle möglichen Marken in jeder Grössenklasse und Antriebsform sind vertreten. Für eine Woche werde ich aber konsequent Elektroauto fahren: Vor einigen Tagen hat ein Hyundai Kona Electric seinen Dauertest bei uns angetreten. Ab rund 47'000 Franken gibts den kleinen SUV mit bis zu 450 Kilometer Reichweite – ein vernünftiger Kompromiss aus Preis und Reichweite. 

Werde ich damit im Alltag klarkommen? Vor fünf Jahren habe ich so etwas schon einmal probiert. Der Stromer von damals hatte rund 140 Kilometer Reichweite in der Praxis. Ohne Vorausplanung wäre ich mit leerer Batterie liegen geblieben. Und heute?

Freitag

Kona abstöpseln und los gehts aus der Garage der Redaktion mit voller Batterie. Tatsächlich, 450 Kilometer Restreichweite zeigt er an. Schalte ich die Klimaanlage aus, werdens gar 480; wähle ich den Sportmodus, bleiben nur 430. Klima bleibt bei über 30 Grad draussen natürlich an, aber ich drücke auf Eco. Das kappt zwar die mögliche Maximalleistung von 204 PS, reicht aber im Zürcher Stop-and-Go völlig aus. Im Stau auf der Hardbrücke rekuperiert der Kona wie ein Weltmeister – bei der Einfahrt auf die Autobahn habe ich laut Anzeige noch nichts verbraucht. Zu Hause sinds dann nach 70 Kilometer Fahrt mit zwei Drittel Autobahn-Anteil noch 380 Kilometer Rest. Passt.

Samstag

Heute ist unser Haushaltstag – Garten, Waschen, Einkaufen. Eine längere Tour liegt nicht drin, weshalb ich den Kona auch geladen habe. Zum Supermarkt gehts sowieso 10 Kilometer bergab – mit 385 Kilometer rolle ich auf den Parkplatz. Und muss gleich auf die Bremse: Das AVAS-System in der Front des Kona – das steht für den Warngeräuschgenerator namens Acoustic Vehicle Alerting System – blökt zwar so laut und dissonant, dass ich es gar drinnen höre. Trotzdem springt mir ein Mann samt Einkaufswagen direkt vors Auto. «Das tönt doch nicht wie ein Auto», sagt er, als ich ihn danach anspreche: Auch Fussgänger müssen sich noch auf Elektroautos einstellen. Zu Hause zeigt die Anzeige 360 Kilometer an – der Rückweg bergauf kostet Strom.

Sonntag

Hätte, könnte, wollte: Man hätte ins Tessin, könnte ins Wallis oder wollte nach Genf fahren am Wochenende. Die fehlende Spontanität für Langstreckentouren wird dem Elektroauto oft angekreidet. Aber Hand aufs Herz – wie oft fährt man denn tatsächlich 300 bis 400 Kilometer am Stück? Wir begnügen uns mit 60 Kilometer hin und zurück zum Pfäffikersee. Danach bleiben 270 Kilometer Restreichweite, weil ich über die Hulftegg mal die Sporttaste ausprobiere.

Hyundai Kona Electric

Antrieb: E-Motor, 204 PS (150 kW), 395 Nm bei 0/min, 1-Gang-Automat, Frontantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h 7,6 s, Spitze 167 km/h
Masse: L/B/H 4,18/1,80/1,57 m, 1818 kg, Laderaum 332–1114 Liter
Verbrauch: Werk 14,3 kWh/100 km (Batterie 64 kWh, max. Reichweite 449 km), Test 14,8 kWh/100 km, 0 g CO2/km, Energie A
Preis: ab 46'990 Fr. 

Antrieb: E-Motor, 204 PS (150 kW), 395 Nm bei 0/min, 1-Gang-Automat, Frontantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h 7,6 s, Spitze 167 km/h
Masse: L/B/H 4,18/1,80/1,57 m, 1818 kg, Laderaum 332–1114 Liter
Verbrauch: Werk 14,3 kWh/100 km (Batterie 64 kWh, max. Reichweite 449 km), Test 14,8 kWh/100 km, 0 g CO2/km, Energie A
Preis: ab 46'990 Fr. 

Montag

Erster Arbeitstag mit dem Kona. In aller Frühe gehts zum Flughafen an einen Auto-Termin in Kopenhagen. Als ich den Kona beim Valet-Parking abgebe – das ist günstiger als normal parkieren – bleiben noch 190 Kilometer Reichweite. Vor fünf Jahren hätte ich nach den 75 Kilometer bis zum Flughafen darum bitten müssen, das Auto für den Rückweg an eine Ladesäule zu hängen. Heute bleibe ich entspannt. Abends bei der Abholung grinst der Valet-Parkierer: «Eigentlich mag ich Benziner ja lieber, aber der läuft nicht schlecht.» Dabei steht der Kona noch immer auf Eco-Modus.

Dienstag

Gestern gegen 23.00 Uhr hatte ich den Hyundai bei 120 Kilometer Restreichweite erstmals an die Steckdose in der heimischen Garage gehängt. Kontrolle vor dem Schlafengehen: Kaum fünf Prozent hatte die Batterie zugelegt. Laut Messgerät lud der Kona mit nur 1,7 Kilowatt, weshalb er auch zehn Stunden für volle Ladung veranschlagte. Heute um 7.30 Uhr fehlen dann noch einige Prozente, doch für den Arbeitsweg vom unteren Toggenburg nach Zürich-Altstetten reichts locker. Aber eines ist klar: Würde ich ein Elektroauto kaufen, bräuchte ich fürs Laden zu Hause auf jeden Fall eine sogenannte Wallbox. Unser Stromanbieter hat sie mit 22 Kilowatt (kW) Ladeleistung im Programm. Kostenpunkt: rund 2500 Franken inklusive Installation. 

Mittwoch

Gestern habe ich den Kona während der Arbeitszeit geladen – heute Morgen fahre ich daher mit 380 Kilometer Restreichweite zum Termin nach Bern. Kurzer Zwischenstopp beim Dorfladen: Zum ersten Mal fällt mir bewusst die Ladesäule gegenüber auf, an der ein Renault Zoe des Anbieters Sponti-Car auf Nutzer wartet. 30 Kilometer innert einer Stunde kosten 5 Franken, jeder weitere Kilometer 90 Rappen. Elektromobilität klappt nicht nur in der Grossstadt, sondern funktioniert auch auf dem Land. Aber warum nur eine Ladesäule, wenn sowieso ein Kabel gezogen wurde? Zum Schnellladen müsste ich daher immer über 12 Kilometer nach Wil oder an die Autobahnraststätte Thurau fahren. Mit noch 180 Kilometer komme ich in Bern an. Auf dem Rückweg Lade-Zwischenstopp im Büro. Habe dort sowieso eine Sitzung.

Wo gibts Schnellladesäulen in der Schweiz?

Die Schweizer Initiative Evite organisiert zusammen mit ihren Mitgliedern – vor allem Unternehmen – ein Schweizer Schnellladenetz mit 50 kW Leistung. Das Ionity-Konsortium unter Beteiligung von Audi, BMW, Daimler, Ford, Porsche und ABB plant ein Netz von Hochleistungs-Schnelladern entlang der europäischen Autobahnen. Bislang gibts es erst zwei Schweizer Ladestationen, bis Ende 2020 sollen es europaweit 400 sein. Und das Bundesamt für Strassen bereitet derzeit die Elektroinstallation für rund 160 Schnelllader an Autobahnraststätten vor, die dann von fünf Betreibern errichtet werden sollen. Beim Schweizer Forum Elektromobilität gibts die aktuelle Übersicht über alle Ladestationen.

Die Schweizer Initiative Evite organisiert zusammen mit ihren Mitgliedern – vor allem Unternehmen – ein Schweizer Schnellladenetz mit 50 kW Leistung. Das Ionity-Konsortium unter Beteiligung von Audi, BMW, Daimler, Ford, Porsche und ABB plant ein Netz von Hochleistungs-Schnelladern entlang der europäischen Autobahnen. Bislang gibts es erst zwei Schweizer Ladestationen, bis Ende 2020 sollen es europaweit 400 sein. Und das Bundesamt für Strassen bereitet derzeit die Elektroinstallation für rund 160 Schnelllader an Autobahnraststätten vor, die dann von fünf Betreibern errichtet werden sollen. Beim Schweizer Forum Elektromobilität gibts die aktuelle Übersicht über alle Ladestationen.

Donnerstag

Mit einem Arbeitsweg, Einkauf und Shuttledienst zur Musikschule komme ich abends auf fast genau 100 Kilometer seit dem letzten Laden. Kassensturz: Der Durchschnittsverbrauch des Kona hat sich auf 14,8 Kilowattstunden (kWh) auf 100 Kilometer eingependelt. Das entspräche 1,8 l/100 Kilometer Benzin oder 1,5 l/100 Kilometer Diesel. Bei unserem Stromtarif kosten mich 100 Kilometer beim Laden zum Niedertarif 2,44 Franken. Dafür könnte ich nicht mal den Energie-Gegenwert in Benzin oder Diesel zahlen, geschweige denn den rund viermal so hohen Verbrauch eines vergleichbaren Benziners. 

Freitag

Fazit nach einer Woche: Ohne Ferienreise oder Termin in Lugano oder Genf habe ich mir nie Gedanken über die Reichweite machen müssen. Nur am Mittwoch wäre es ohne Ladestopp in der Redaktion eng geworden. Aber ich hätte alternativ an den Raststätten in Kölliken oder Deitingen kurz Schnellladen können. Einziger Nervfaktor: das schwere Ladegerät für die Steckdose. Weil das Kabel zu kurz ist, muss ich es immer auf einer aufgestellten Leiter ablegen. Denn sonst zieht sein Gewicht den Stecker heraus. Aber eine Wallbox wäre ja sowieso Pflicht. Als ich abends in einen Testwagen mit Verbrenner steige, vermisse ich vor allem eines: die Ruhe des Stromers.

Was wird aus den Batterien?

Durch Laden und Entladen altern die Batterien von Elektroautos. Nach fünf bis zehn Jahren können sie – je nach Hersteller und Batteriechemie – 20 und mehr Prozent ihrer Kapazität verloren haben – bei entsprechend sinkender Reichweite.

Danach beginnen sie ihr sogenanntes zweites Leben: als Pufferspeicher für regenerativ erzeugten Strom oder als Notstromspeicher, beispielsweise für Krankenhäuser. Weil sie dabei stressfrei langsam ge- und entladen werden, bleiben ihnen so weitere zehn Jahre Lebensdauer.

Das heisst: Derzeit stellt sich die Frage nach dem Recycling von Elektroauto-Batterien noch nicht; dazu sind die Fahrzeuge noch nicht lange genug auf dem Markt. Unternehmen wie Bosch arbeiten aber längst an Verfahren, die mittels Hitze Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt wieder herauslösen können. Bis zu 80 Prozent sollen möglich sein.

Das kanadische Konsortium Lithion Recycling verspricht gar 95 Prozent Recycling-Quote dank eines rein chemischen Verfahrens. Ab 2020 sollen in einer Versuchsfabrik einige Hundert Batterien pro Jahr zerlegt werden, in etwa zehn Jahren will Lithion sogar Geld verdienen. Heute ist das Rohstoff-Recycling dagegen noch teurer als der Abbau der Materialien.

Durch Laden und Entladen altern die Batterien von Elektroautos. Nach fünf bis zehn Jahren können sie – je nach Hersteller und Batteriechemie – 20 und mehr Prozent ihrer Kapazität verloren haben – bei entsprechend sinkender Reichweite.

Danach beginnen sie ihr sogenanntes zweites Leben: als Pufferspeicher für regenerativ erzeugten Strom oder als Notstromspeicher, beispielsweise für Krankenhäuser. Weil sie dabei stressfrei langsam ge- und entladen werden, bleiben ihnen so weitere zehn Jahre Lebensdauer.

Das heisst: Derzeit stellt sich die Frage nach dem Recycling von Elektroauto-Batterien noch nicht; dazu sind die Fahrzeuge noch nicht lange genug auf dem Markt. Unternehmen wie Bosch arbeiten aber längst an Verfahren, die mittels Hitze Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt wieder herauslösen können. Bis zu 80 Prozent sollen möglich sein.

Das kanadische Konsortium Lithion Recycling verspricht gar 95 Prozent Recycling-Quote dank eines rein chemischen Verfahrens. Ab 2020 sollen in einer Versuchsfabrik einige Hundert Batterien pro Jahr zerlegt werden, in etwa zehn Jahren will Lithion sogar Geld verdienen. Heute ist das Rohstoff-Recycling dagegen noch teurer als der Abbau der Materialien.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?