Der Sound macht süchtig. Dieses Pfeifen, dieses Sirren, die pfeifende Luft, die durch die beiden Turbolader erst voller Inbrunst angesaugt wird und dann über die Titan-Auspuffanlage und den vier mittig im Heck angebrachten Auspuffrohren mit einer lauten Wonne ausgestossen wird. Zu dumm nur, dass auf jede Gerade irgendwann mal eine Kurve folgt, sonst würde man einfach nur auf dem Gas stehen bleiben. Nur um sich an dem unglaublichen Motor-Geräusch zu berauschen, das an einen Jet erinnert. Die Analogie kommt nicht von ungefähr: «Huayra Tata» heisst in der Sprache der Aymara, einem Bergvolk Boliviens «Gott des Windes». «Man soll sich fühlen, wie ein Pilot kurz bevor sein Jet abhebt», umreisst Firmenchef Horacio Pagani die Vorgabe. Das sind natürlich Vorschusslorbeeren, die nicht einfach zu erfüllen sind. Doch der Pagani gibt sich alle Mühe und macht das auch richtig gut: 730 PS und ein brachiales Drehmoment von 1000 Newtonmeter katapultieren den göttlichen Tiefflieger auf 360 Stundenkilometer. Dass der Sprint auf 100 km/h in lediglich 3,3 Sekunden stattfindet und damit etwas langsamer ist, als der neue Ferrari F12 Berlinetta. Wenn kümmert's? Der 4,60 Meter lange und 1,17 Meter hohe Huayra ist ein Gesamterlebnis.
Das geht schon beim Motor los, der von der Mercedes-Tuningschmiede AMG kommt: 67 Ingenieure kitzeln aus dem V12-Biturbo, der auch im SL 65 seinen Dienst tut, noch eine Schippe extra Power heraus. Das ist schon beeindruckend genug, doch bei Pagani zählt nicht nur die Leistung, sondern auch der Auftritt. Stossdämpfer, Querlenker und Federn schimmern bronze-golden und vollenden das visuelle Festmahl der Exklusivität. Die Zusammenarbeit mit den Schwaben hat ein auserlesenes Duo eingefädelt: Niemand Geringeres als Formel-1-Legende Juan Manuel Fangio stellte den Kontakt her und ein gewisser Dieter Zetsche gab sein OK. «Die Ingenieure von AMG stehen voll hinter dem Projekt», freut sich Pagani. Klar gibt ja auch wesentlich Schlimmeres als einen Motor für den exklusivsten Sportwagen der Welt zu liefern, gegen den ein Ferrari wie Stangenware wirkt. Profane Spoiler sind bei dem Huayra verpönt, elektrisch gesteuerte Landeklappen, die – natürlich – an einen Jet erinnern, sorgen für Abtrieb.
Dementsprechend ist auch der Preis mit rund einer Million Franken. Dafür erwartet die solvente Kundschaft einiges. Das geht schon beim massiven Zündschlüssel los, der aus einem Aluminiumstück gefräst ist, in der Herstellung 1200 Franken kostet, und hört beim Cockpit auf. Die Spannung zwischen zeitloser Eleganz und avantgardistischer Moderne ist so stilsicher gewählt, dass der Auftritt eben nicht schwülstig wirkt. Die Hebel erinnern an Steuerknüppel und die aus vollem Aluminium gefrästen Teile in der Instrumententafel und der Mittelkonsole bleiben eben genau unterhalb der Aufdringlichkeitsgrenze. Garniert wird der schimmernde Auftritt mit Carbonelementen, edlem Leder und eine Reminiszenz an die guten alten Zeiten: Kleine Ledergürtel, wie sie an alten Reisekoffern zu finden waren, verschliessen Motorhaube und den etwas kleinen Kofferraum. Alles ein bisschen extrovertiert. Vielleicht. Aber wer einen Pagani fährt, gehört sicher nicht zu den zurückhaltenden Zeitgenossen.
Die müssen aber auch Autofahren können und eine gewisse Athletik mitbringen. Das Bremspedal und die sehr direkte Lenkung fordern schon einen gewissen Kraftaufwand und gehen nicht so leicht von der Hand, wie bei den meisten Konkurrenten. Hat man sich einmal daran gewöhnt, bereitet die Mixtur aus Kampfjet und GoKart jeden Meter Freude. Kurven anpeilen, einlenken und beim Herausbeschleunigen die unwiderstehliche Kraft der 1000 Nm geniessen. Damit die auch nicht in Gummi verrauchen, sind 255er Reifen vorne und 335er Walzen hinten montiert. Kooperationspartner Pirelli kann sich freuen, bei so viel Fahrfreude wird der Reifenverschleiss nicht gering sein. Aber das kümmert die anspruchsvolle Klientel vermutlich ebenso wenig, wie der Verbrauch von 15 Litern pro 100 Kilometer und 343 g CO2/km. Immerhin sind schon 100 Exemplare vorbestellt und erst 15 gebaut. Produziert wird das 1350 Kilogramm schwere Geschoss in San Cesario, sul Panaro, einem Vorort von Modena. Maximal sollen es 250 sein, bevor die nächste Evolutionsstufe kommt. Das wird wohl ein Spider sein. Die Vorbereitungen laufen bereits. Unter anderem wird eine neue Fabrik gebaut, damit die Produktion von 20 auf 40 Modelle pro Jahr verdoppelt wird. Immer noch exklusiv genug und sichert den Fortbestand der Firma.