Es ist nicht der Tag der Schweizer Manuel Roth und Tobias Selg. Erst knallt ihnen ein Auto ins Heck ihres wunderschönen Lancia Fulvia Coupé 1.3, Baujahr 1971. Noch am gleichen Tag werden sie von einem quietschgelben 72er-Mini abgeschossen, als sie völlig korrekt links abbiegen und der Mini sie dabei überholen will. Lancia hinten krumm, Lancia seitlich krumm – die Männer haben eindeutig dicke Hälse.
Es ist eben nichts für Nasenbohrer, wenn sich ein Tross aus 80 Oldtimern in Mainz aufmacht, um nach rund 1700 Kilometern durch Deutschland, die Schweiz und Frankreich in Monaco aufzuschlagen. Wir sind mit einem Seat Fura Crono mitten im Feld – das seltene Auto (nur ca. 6000 Stück gebaut, viele im damaligen Fura-Crono-Cup verheizt...) stammt aus der historischen Seat-Sammlung und wurde 1982 in Lizenz auf Basis des Fiat 127 gebaut. Als Sportmodell «Crono» verfügt es über einen 1,4-Liter-Vierzylinder mit 75 PS, zwei Spoiler am Heck, eine Domstrebe und eine Stoppuhr unterm Dachhimmel. Für unseren Einsatz hat Museumschef Isidro Lopez das rare Massenauto noch weiter aufgerüstet: Bilstein-Dämpfer, Zusatzscheinwerfer, Schalensitze und Vierpunktgurte, eine massive Bodenplatte vorne und ein Sportauspuff – mit Sound wie ein Grosser. Auf in den Kampf zur 20. AvD Histo Monte.
Antrieb: 1,4-Liter-Vierzylinder, 75 PS, 5-Gang-Schaltung, Frontantrieb
Fahrleistung: 160 km/h Spitze
Masse: Länge/Breite/Höhe = 3,72/1,55/1,39 m, Gewicht 760 kg
Wert: (Zustand 1-2): ca. 11'000 Franken
Antrieb: 1,4-Liter-Vierzylinder, 75 PS, 5-Gang-Schaltung, Frontantrieb
Fahrleistung: 160 km/h Spitze
Masse: Länge/Breite/Höhe = 3,72/1,55/1,39 m, Gewicht 760 kg
Wert: (Zustand 1-2): ca. 11'000 Franken
Die wandelt auf den Spuren der originalen Rallye Monte Carlo, die 1911 zum ersten Mal startete, damals noch als Sternfahrt. Startorte waren Genf, Berlin, Boulogne-sur-Mer, Wien und Brüssel. Heute toben die Profis hauptsächlich durch die französischen Seealpen – die auch bei der Histo-Monte einen Grossteil der Tour ausmachen. Wir Amateure der Gleichmässigkeits-Rallye starten gemächlich, viele Autos wie Volvo P 1800 Coupé, Mercedes 350 SLC, Lada 1500 Shiguli 2103 von 1976, diverse Porsche 356, 924, 944 und 911, Opel Ascona, Audi quattro oder Lancia Beta Montecarlo sind vorbildlich vorbereitet. Etwa die Hälfte aller Autos ist gar mit Überrollkäfig ausgerüstet. Weil die Besitzer wissen: Der Anspruch der Histo-Monte an die Autos ist hoch. Die Jungs im äusserlich braven VW Käfer von 1953 haben deshalb auch einen Porsche-356-Motor im Heck und unter der auf uralt getrimmten Ente steckt ein wesentlich neuerer Citroën 2CV. Manchen Teilnehmern sieht man an, dass sie die patinierten Dritt-Klassiker aus der heimischen Garage sind, wie dem Buckel-Volvo, dem Mercedes mit Sandblechen als Stossstangen oder dem leicht schiefen 911er. Aber es geht auch nicht um einen Schönheitspreis – sondern ums Durchhaltevermögen.
Auch bei den Fahrern. Für Professionalität sorgen ein Harri Toivonen im Opel Kadett E GSI (vor genau 50 Jahren gewann sein Vater Pauli die echte Monte, vor 30 Jahren sein Bruder Henri) oder der frühere deutsche Rallyemeister Matthias Kahle im 76er Skoda 130 RS. Beide starten ganz zivil – anders als ein Deutscher, der sich in Rennoverall und Rennschuhe wirft und seinen BMW mit profilarmen Semislicks-Reifen ausstattet. Dabei gehts in den total 27 Sonderprüfungen nicht ums Messer zwischen den Zähnen, sondern um gleichmässige Durchschnittstempi zwischen 45 und 50 km/h, die irgendwo zwischen fünf und 20 Kilometern Wegstrecke ein- oder mehrfach versteckt gemessen werden.
Die Schweiz nimmt unseren Tross beim ersten von total vier Grenzübertritten ohne besondere Genehmigungen auf. In Frankreich mussten die Organisatoren Durchfahrtserlaubnisse bei 141 Bürgermeistern beantragen. Dafür sorgt die Warnung der Organisatoren für Kopfschütteln, wonach in der Schweiz bei Bedarf nur mitgeführte Ersatzteile aus dem eigenen Auto kostenlos eingebaut werden dürfen – nutzt man welche von begleitenden Servicefahrzeugen, müssen diese eigentlich verzollt werden...
Je länger die Rallye dauert, desto mehr zieht das Tempo an. Das liegt einerseits an den verkehrs- und Gendarmen-armen Berg- und Passstrassen Frankreichs, andererseits an den anspruchsvollen Sonderprüfungen auf Pisten mit vielen Haarnadelkurven. Dort verliert man viel Zeit, die danach wieder aufgeholt werden muss – an unserem Seat jammern die 13-Zoll-Winterreifen, der Unterbodenschutz des nur 812 Kilo schweren Spaniers schrubbt in Serpentinen trotz Sportdämpfer über den Asphalt, eine Auspuffaufhängung hält den Stress nicht aus.
Andere trifft es schlimmer: Da geben Differenziale den Geist auf, Radlager laufen heiss, und in einigen Autos ist es so laut, dass die Insassen Kopfhörer mit Funkverbindung tragen. Damit man sich nicht über Defekte und Beulen ärgern muss, lassen sich wiederum andere etwas ganz Besonderes einfallen. Wie zum Beispiel das deutsche Team Joachim Zeunges/Franz-Josef Bielefeld. Die Histo-Monte-Profis nehmen immer nur mit einem Auto teil, das weniger kostet als die Teilnehmergebühr für die gesamte Rallye beträgt: «Opel Calibra 16 V, Baujahr 1994, für 2000 Euro gekauft, repariert und komplettiert für 1000 Euro, 200 Euro für Winterreifen, fertig.» Macht 3200 Euro – die Startgebühr für Auto und Doppelzimmer für drei Übernachtungen im Doppelzimmer beträgt knapp 4000 Euro.
Spätestens am Col de Turini fallen alle Hemmungen – vielleicht deshalb, weil da auch die Boliden der originalen Rallye-Weltmeisterschaft hochgejagt sind. Es liegt kaum Schnee oder Eis – sehr hilfreich für unsere Autos, die jetzt nicht nur die Zeit hetzen, sondern auch sich gegenseitig. Schliesslich aber kommen auch wir Amateur-Racer im Seat gesund in Monaco an. Ebenso unsere Schweizer-Freunde mit dem arg demolierten Lancia. Schwacher Trost: immerhin noch 17. Gesamtplatz.