Im Motorenwerk Salzgitter (D) sollen neue Windräder entstehen, um den CO2-Ausstoss des Werks zu senken.
Foto: ZVG

Ökobilanz-Vergleichsrechnung
So gross ist der Klima-Rucksack eines Elektroautos

Elektroautos starten aufgrund der energieintensiven Akkuproduktion mit einem CO2-Rucksack ins Autoleben. Dennoch sind Stromer übers ganze Autoleben immer umweltfreundlicher als konventionelle Verbrenner, wie unser Rechenbeispiel zeigt.
Publiziert: 10.07.2019 um 17:28 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2020 um 19:12 Uhr
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Je nach Studie werden bei der Akkuproduktion 50 bis 200 Kilo CO2 pro Kilowattstunde (kWh) emittiert.
Foto: Stefan Warter
Andreas Engel

Seit Elektroautos vermehrt auf unseren Strassen und in den Medien präsent sind, befassen sich auch immer mehr Studien mit der Ökobilanz dieser Stromer. Eines vorneweg: Die Akkuproduktion ist die Achillesferse der Elektroautos und zweifellos eine grosse Belastung für die Umwelt. Das liegt zum einen an den erforderlichen Rohstoffen wie Kobalt, Kupfer, Lithium oder Nickel, die unter teils prekären Bedingungen in Drittweltstaaten abgebaut werden.

Um dort die Nachhaltigkeit zu erhöhen, will VW (der Konzern wird in den nächsten Jahren dutzende neue Elektro-Modelle auf die Strasse bringen) die Vermeidung und Senkung von CO2-Emissionen sowie die Einhaltung von Sozialstandards fördern. «Nachhaltigkeitsstandards werden für unsere Lieferanten ein verbindliches Auswahlkriterium wie Qualität oder Preis», erläutert Marco Philippi, Leiter Strategie Konzernbeschaffung bei VW. «Regelverletzungen und Missstände werden wir konsequent nachverfolgen.» Heisst im Klartext: Wenn sich die Lieferanten nicht an die VW-Standards halten, bekommen sie von den Wolfsburgern auch keine Aufträge mehr.

150 Kilo CO2 pro Kilowattstunde

Die Rohstoffbereitstellung macht aber nur den einen Teil der Umweltbilanz der Akkus aus. Der deutlich grössere Teil, nämlich 50 bis 65 Prozent, fällt auf die energieintensive Produktion zurück. Doch hier klaffen die Studienergebnisse weit auseinander. Das liegt auch daran, dass Batterie- und Elektroauto-Hersteller keine konkreten Zahlen herausrücken. Je nach Studie werden pro Kilowattstunde (kWh) eines Akkus 50 bis 200 Kilo CO2 emittiert. Geht man von einem von Experten und Wissenschaftlern heute realistischen Mittelwert von 150 Kilo pro kWh aus, kann errechnet werden, wann ein Elektroauto tatsächlich vergleichbare Benziner oder Diesel in punkto Umweltbilanz überholt.

Recycling – sind E-Autos Sondermüll auf Rädern?

Bevor die Batterie eines Elektroautos tatsächlich recycelt werden muss, vergehen laut Experten 20 Jahre und mehr. Quasi alle Hersteller von E-Autos geben auf ihre Akkus eine Garantie von acht Jahren, selbst nach zehn Jahren haben moderne Akkus noch eine Kapazität von rund 70 bis 80 Prozent. Erst wenn diese Grenze unterschritten ist, gilt die Batterie als verschliessen – aber noch lange nicht als technisch defekt. Dann nämlich kann sie noch jahrelang im «Second Life» weiter existieren, etwa als stationärer Zwischenspeicher zuhause, um Strom aus Photovoltaikanlagen zu puffern. Erst, wenn auch hier Schluss ist, muss der Akku wirklich recycelt werden. Aus Rohstoff- und Kostensicht gehts vor allem darum, Metalle wie Nickel, Kobalt oder Kupfer zurückzugewinnen – die Materialien werden unter grosser Hitze voneinander getrennt. Laut Recycling-Unternehmen bleibt am Ende weniger als ein Prozent an Rückständen zurück.

Bevor die Batterie eines Elektroautos tatsächlich recycelt werden muss, vergehen laut Experten 20 Jahre und mehr. Quasi alle Hersteller von E-Autos geben auf ihre Akkus eine Garantie von acht Jahren, selbst nach zehn Jahren haben moderne Akkus noch eine Kapazität von rund 70 bis 80 Prozent. Erst wenn diese Grenze unterschritten ist, gilt die Batterie als verschliessen – aber noch lange nicht als technisch defekt. Dann nämlich kann sie noch jahrelang im «Second Life» weiter existieren, etwa als stationärer Zwischenspeicher zuhause, um Strom aus Photovoltaikanlagen zu puffern. Erst, wenn auch hier Schluss ist, muss der Akku wirklich recycelt werden. Aus Rohstoff- und Kostensicht gehts vor allem darum, Metalle wie Nickel, Kobalt oder Kupfer zurückzugewinnen – die Materialien werden unter grosser Hitze voneinander getrennt. Laut Recycling-Unternehmen bleibt am Ende weniger als ein Prozent an Rückständen zurück.

Elektroauto versus Verbrenner

Die deutsche Fachzeitschrift Edison hat dazu folgende Berechnungen angestellt: Ausgangspunkt ist ein Elektroauto der Kompaktklasse mit 28 kWh-Akku, das mit einem CO2-Rucksack von 4,2 Tonnen aus der Akkuproduktion ins Rennen geht. Sein Verbrauch liegt bei realistischen 14,3 kWh/100 km. Zum Vergleich werden je ein Benzin- und ein Dieselmodell der gleichen Klasse herangezogen, die 7,0 l (Benzin) bzw. 5,5 l (Diesel) auf 100 Kilometer verbrauchen.

Während die Berechnung für die Herstellung einer Kilowattstunde Strom 500 Gramm CO2-Emissionen (deutscher Strommix 2017) veranschlagt – in der Schweiz dürften die Emissionen dank mehr Wasserkraft deutlich tiefer liegen – werden bei der Verbrennung eines Liters Benzin rund 2,3 kg CO2 freigesetzt, bei einem Liter Diesel sind es 2,65 kg. Bei diesem Rechenbeispiel muss das E-Auto rund 40'000 Kilometer zurücklegen, bis es den Benziner in der Ökobilanz überholt. Beim Diesel sind es fast 50'000 Kilometer.

Mehr AKW wegen E-Autos?

Der Strombedarf durch E-Autos wird überschätzt. Energie-Experte Dr. Gil Georges von der ETH Zürich: «Wenn wir weit in die Zukunft blicken und sagen, wir elektrifizieren die 4,5 Millionen Autos auf unseren Strassen, reden wir von 12 bis 14 Terawattstunden zusätzlichem Strombedarf. Das entspräche am heutigen Verbrauch der Schweiz gemessen 15 bis 25 Prozent.» Zum Vergleich: Industrie und Gewerbe brauchen 60 Prozent des Gesamtstroms. Mehr AKW werden durch mehr E-Autos also nicht nötig.

Der Strombedarf durch E-Autos wird überschätzt. Energie-Experte Dr. Gil Georges von der ETH Zürich: «Wenn wir weit in die Zukunft blicken und sagen, wir elektrifizieren die 4,5 Millionen Autos auf unseren Strassen, reden wir von 12 bis 14 Terawattstunden zusätzlichem Strombedarf. Das entspräche am heutigen Verbrauch der Schweiz gemessen 15 bis 25 Prozent.» Zum Vergleich: Industrie und Gewerbe brauchen 60 Prozent des Gesamtstroms. Mehr AKW werden durch mehr E-Autos also nicht nötig.

E-Autos nicht immer klimafreundlich

Bei Durchschnittsfahrern ist das E-Auto also nach rund drei bis fünf Jahren klimafreundlicher. Klar ist: Umso schmutziger die Akkuproduktion oder umso sauberer der Verbrenner, desto länger dauerts, bis der Stromer sauberer ist. Und für Freunde des Extremen: Stellt man Teslas Flaggschiff Model S mit riesigem 100-kWh-Akku, der bei der Produktion 15 Tonnen CO2 verursacht, einem Porsche Cayenne Turbo gegenüber, hat der Tesla den Porsche auch in diesem Edison-Beispiel bei rund 50'000 Kilometern eingeholt. Klimafreundlich sind beide Fahrzeuge nicht, das Elektroauto liegt früher oder später dennoch vorne.

Fazit: Wirklich klimafreundlich ist kein Auto – Mobilität hat stets ihren Preis. Jedoch haben Elektroautos deutlich mehr Potenzial, die CO2-Emissionen bei Produktion und Betrieb zu senken, wenn nämlich mehr Ökostrom verwendet wird.

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