Nissan Heritage Collection
Die verbotene Autostadt

Verborgen in einer alten Werkhalle hütet Nissan über 400 Oldies. Eine exklusive Entdeckungstour im japanischen Zama.
Publiziert: 19.12.2011 um 13:29 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:30 Uhr
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Aller Nissan Anfang: Ein Datsun 12 von 1933, hier mit Sammlungschef Ryuji Nakayama, in der nichtöffentlichen Nissan Heritage Collection in Japan.
Von Timothy Pfannkuchen

Ein japanischer Prinz – charismatisch sein Auftritt, selbstbewusst der Blick und elegant sein güldenes Gewand des italienischen Couturiers Michelotti. Gestatten, Prince Skyline Sport Coupé, 51 Jahre jung. Ratlos stehe ich in einer Lagerhalle tief in der japanischen Provinz – bitte wer? Ich bin zwar Autoredaktor von Beruf und ein Leben lang Oldiefan. Aber Prince? Nie gehört. Und was tut er bei Nissan?

«Prince war eine japanische Nobelmarke, die 1966 in Nissan aufging», durchbricht Ryuji Nakayama (43) in stark akzentuiertem Englisch das Summen der Klimaanlage. Nakayama ist der Hüter der nichtöffentlichen «Nissan Heritage Collection» im Werk Zama. Dieses historische Gedächtnis umfasst 400 Autos eines Konzerns, dessen Geschichte für uns gefühlt erst mit dem Schweizimport Ende der Sechziger beginnt.

Vor meiner Reise ins Autorätselland erhalte ich Geschichtsunterricht: 1932 wachsen die japanischen Automarken Gorham (seit 1919) und DAT (ab 1911) zu Datsun (von DAT-son = «Sohn des DAT») zusammen. Der Datsun-Mutterkonzern benennt sich wenig später in Nissan (Abkürzung von Nihon Sangyo) um und startet 1937 mit eigenen Modellen ins Nobelsegment – während Datsun für die günstigen Autos zuständig bleibt. Erst 1986 wird der Name Datsun zugunsten von Nissan endgültig aufgegeben.

Wer weiss denn schon, dass in Japan kein Käfer, sondern der Datsun Sunny ab 1966 die Massenmotorisierung einläutete? Oder dass der Datsun 12 von 1933 den Erfolg seiner zwergenhaften Statur verdankt? Er ist kurz wie ein Smart und schmal wie ein Tretauto. Aber ehe wir über unsere Vorurteile schmunzeln können, bestätigt sie Nakayama: «Japaner sind klein, und der Datsun war der erste daran angepasste Kleinwagen.» Neben ihm stehen die Helden der Vergangenheit im kalten Neonlicht, ordentlich aufgereiht wie Soldaten zum Appell und stets bereit zum Dienst.

Die Namen bleiben bizarr: Fairlady, President, Pao, Figaro, Cedric, Leopard – aber auch bei uns hiessen Autos einst Isabella oder Admiral. Sogar ein Elektroauto ist da, bereits anno 1947 von der Nissan-Tochter Tama als Limousine und Pickup vermarktet. So bleibt der Gang durch Nissans Sammlung wie das Lesen in einem offenen, aber eben leider japanischen Buch: Selbst neuere Modelle sind uns oft völlig unbekannt, weil in Japan und den USA teils ganz andere Autos gefordert sind als bei uns.

So schaudern wir fröhlich angesichts eines Nissan Silvia von 1975 im Design damaliger Radiowecker. Und grinsen still in uns hinein angesichts des Pao von 1989, einer Art Laubsägearbeit aus Blech – um staunend zu erfahren, dass sein R4-Stil derart gut ankam, dass die Käufer ausgelost werden mussten. Ein Gloria von 1970 erinnert uns, dass Kopieren in Asien als Ehrerbietung gilt: Er gleicht Pontiacs der Sechziger. Umgekehrt beweist der 1984er Prairie, dass man auch zu innovativ sein kann: Er nahm den ersten Kompaktvan vorweg, war aber seiner Zeit zu weit voraus.

Ein zum Niederknien beeindruckendes Spalier bilden zwei Dutzend Skyline GT-R aller Epochen. Am Ende thront das Fahrleistungsmonster GT-R von heute mit seinen 530 PS, am Anfang steht fast schüchtern dessen Urahn von 1969 mit 160 PS. Überhaupt sind automobile Muskelspiele besonders stark vertreten. Rallye- und GP-Gewinner aller Epochen erzählen mit ihren konservierten Schrammen verwegene Renngeschichten und Rallyeanekdoten wie ein alter Rennfahrer vor dem Cheminée.

Mittendrin eines der kostbarsten Stücke: Flankiert von vier Rennbrüdern, mit denen Nissan in Le Mans auf Rang 3 bollerte, duckt sich der zwecks deren Homologation einzige jemals für die Strasse gebaute R390 GT1 von 1998: 1,14 Meter flach, 350 PS stark, locker eine siebenstellige Summe wert. Theoretisch, würde er denn je verkauft.

Aber was ist schon Geld gegen Gefühle? Kein Geld der Welt kauft rare Schätze wie den schneidigen 240Z (Fairlady) von 1972 mit rotem Drehlicht. Wir rätseln, was die Schriftzeichen auf dem Coupé bedeuten: «Kaiserliche Leibgarde», «Geheimdienst» oder wenigstens «Sushi-Kurier»? «Ka-Na-Gawa-Ken Kei-Satsu», klärt uns Nakayama auf: «Kanagawa-Präfektur-Polizei». Aha. Manche Rätsel sind ungelöst romantischer.

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