Neue Technik für mehr Sicherheit
Schluss mit den Todes-Trucks!

Die neue Generation des Mercedes Actros ist vollgestopft mit Hightech. Bis die lebensrettende Technik für LKW-Bauer aber zur Pflicht-Ausstattung wird, dauerts wohl noch.
Publiziert: 07.09.2018 um 11:20 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:27 Uhr
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Mercedes Actros
Foto: Werk
Wolfgang Gomoll/Andreas Engel

Es ist die Horror-Vorstellung eines jeden Velofahrers: Ein Lastwagen biegt am Rotlicht rechts ab und übersieht ein herannahendes Fahrrad. Der Velolenker hat keine Chane, wird vom LKW erfasst und überrollt. Die gerufene Ambulanz kann nichts mehr für den Velofahrer tun, er stirbt wenig später auf der Unfallstelle. Von solchen Horror-Crashs lesen wir fast wöchentlich. Und fast immer hat auch der Lastwagen-Chaffeur keine Chance, Fussgänger oder Velofahrer beim Abbiegen zu sehen.

Zwar sind seit 2015 Sicherheitssysteme wie Notbrems- oder Spurhalteassistent bei neuen LKWs Pflicht – der Blick in die Statistik zeigt aber: Am meisten Unfälle mit Personenschäden ereignen sich innerorts – 2017 waren es schweizweit über 11'000, bei denen 85 Personen ihr Leben verloren. Damit diese Zahlen in Zukunft weiter sinken, investieren die grossen LKW-Hersteller immer stärker in neue Sicherheitstechnik. So etwa Mercedes: Soeben haben die Schwaben die neue Generation des Actros vorgestellt.

Kameras statt Spiegel

Was sofort auffällt: Aussenspiegel sucht man bei der dritten Generation des Trucks vergeblich. Stattdessen ragen links und rechts am Führerhaus zwei Stäbe in die Luft, die an Insektenfühler erinnern. Darin sind Kameras verbaut, deren Bilder an zwei 15-Zoll-Displays an der A-Säule im Cockpit projiziert werden. Vorteil gegenüber klassischen Aussenspiegeln: Die Rundumsicht und damit die Sicherheit verbessert sich – immerhin ist so ein Sattelzug bis zu 18,75 Meter lang.

Gerade bei Kurvenfahrten, also auch beim Abbiegen auf städtischem Gebiet, schaffen es die Kameras, den gesamten LKW im Blick zu behalten. Wird es dunkel, wechselt das System in den Nachtsichtmodus und beim Rangieren helfen Distanzlinien beim Manövrieren. Damit wird der Abbiege-Assistent, der beim Rechtsabbiegen unter anderem Fussgänger und Radfahrer erkennt, sinnvoll ergänzt.

Technik entlastet Chauffeur

Ausserdem kann der neue Actros jetzt auch autonomes Fahren des Level 2 – also eingeschränkt automatisch Gas geben, lenken und bremsen – und das über den gesamten Geschwindigkeitsbereich. Allerdings bleibt der Fahrer in der Verantwortung. Das System orientiert sich bei der Spurführung mithilfe einer Kamera an den Fahrbahnmarkierungen auf beiden Strassenseiten.

Ermöglicht wird diese Technik durch die von modernen Autos bekannte Sensorfusion – vor allem des Radars und der Kamera. Damit wird der Fahrer bei geraden Strassen, leichten Kurven, dichtem Verkehr – etwa Stop-and-Go auf der Autobahn – entlastet und die Unfallgefahr deutlich minimiert. Droht eine Kollision, wird selbsttätig eine Vollbremsung initialisiert, auch Menschen werden erkannt.

Politik ist gefragt

Bis diese Sicherheitstechnik tatsächlich in einem Grossteil der LKWs Einzug hält, dauerts aber noch: Heute müssen Fahrzeuge im Grundsatz jene technischen Anforderungen erfüllen, die zum Zeitpunkt ihrer Zulassung gegolten haben respektive gelten. Abbiege-Assistenten oder Totwinkelwarner sind darin noch nicht vorgesehen. Die Politik ist sich der Problematik bewusst. So fordert etwa eine Standesinitiative im Tessin ein Fahrverbot für LKWs, die nicht mit neuester Sicherheitstechnik ausgestattet sind.

Die Lastwagenlobby allerdings übt harsche Kritik an der Initiative – die Forderung schiesse übers Ziel hinaus. Unklar ist zudem, ob ein Fahrverbot überhaupt mit europäischem Recht kompatibel ist. Hier wäre also auch die EU gefragt, schärfere Anforderungen bei LKWs durchzusetzen.

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