Der von der deutschen Seite des Bodensees stammende AMG-Chef Tobias Moers (50) verrät mir kumpelhaft und in fast perfektem Schweizer Dialekt: «Mer hönd fascht alles rausgholt, was machbar isch.» Und das ist im konkreten Fall des Mercedes-AMG GT R imponierend viel. Soviel, dass der GT R eben einen neuen Rundenrekord auf der legendären Nürburging-Nordschleife realisierte. Und dabei immerhin den mit 787 um genau 202 PS stärkeren Super-Porsche 918 entthronte...
Kind der «grünen Hölle»
Noch nie hätten sie soviel Technologie vom Motorsport in ein Serienfahrzeug integriert wie in den neuen AMG GT R, erklärt Moers später an der offiziellen Pressekonferenz. Die Grundlagen für den Sport-Zweisitzer bilden das Frontmittelmotorkonzept mit Transaxle, der 585 PS und 700 Nm starke V8-Biturbomotor, das modifizierte Fahrwerk, die neue Aerodynamik und der intelligente Leichtbau.
Die giftgrüne Lackierung «green hell magno» des Testwagens soll übrigens auf seine Abstammung verweisen – einen Grossteil seiner Entwicklungszeit verbrachte der GT R auf der Nürburgring-Nordschleife, auch bekannt als «grüne Hölle».
Soviel zur Theorie, doch nun möchte ich den Rennwagen mit Strassenlizenz endlich erfahren. Und zwar erst auf der Rennstrecke von Portimão, einer Piste mit einigen ziemlich fiesen blinden Ecken. Drum ist‘s gut, fungiert als mein Pace-Car-Pilot kein geringerer als der frühere DTM-Champ Bernd Schneider: «Wir fahren erst eine langsamere Einführungsrunde, dann zwei schnelle und zum Schluss wieder eine Cool-down-Runde für Auto und Fahrer. Alles klar?» Los geht’s!
Der Rennwagen
Im Sport+-Modus, mit nur sehr spät reagierendem ESP und offenen Auspuffklappen, krachen wir mit donnerndem Sound durch die ersten Kurven. Herrlich, wie spontan der 1,6 Tonnen schwere Hecktriebler mit Allradlenkung am Gas hängt. Die Leistungsentfaltung ist dabei erstaunlich linear, schon ab 1900/min steht das volle Drehmoment zur Verfügung. Bei der ersten schnellen Runde riskiere ich am Ende der Start-Zielgeraden einen Blick auf den Digitaltacho – 298 km/h.
Doch bevor die 300 km/h-Grenze fällt (318 km/h sollen möglich sein), latscht Schneider vor mir auf die Bremse und lenkt in die erste Kurve ein. Immerhin: Ich bleibe die ganzen vier Runden dran und lasse nicht abreissen. Schneider lobt am Ende: «Das war ganz flott.» Fand ich auch. Und zugleich ein grosses Lob an den GT R. Denn offensichtlich lässt er sich nicht nur von Rennprofis schnell und sicher über die Rennstrecke prügeln.
Die Strassenzulassung
Später bei einer 70 Kilometer-Runde auf den verkehrsfreien, aber ziemlich holperigen Strassen rund um Portimão stellt der 209'600 Franken teure Sportbolide seine Alltagsqualitäten unter Beweis. Nun ist die Allradlenkung noch viel deutlicher als auf der Rennstrecke zu spüren.
Der GT R fühlt sich extrem handlich an, federt genial statt bockig und versetzt trotz flottem Landstrassentempo kaum über die welligen Buckel. Und fahre ich nicht gerade im Sport+-Modus, wird auch der Sound nachbarschaftsfreundlicher, weil dann die äusseren Auspuffrohre nicht mehr geflutet werden.
Begeistert
Nach den Testfahrten klopft mir AMG-Chef Moers wieder kumpelhaft auf die Schultern: «Na, wie wars?» Doch bevor ich antworten kann, ergänzt er: «Wer Benzin im Blut hat, wird von der beeindruckenden Längs- und Querbeschleunigung, dem präzisen Einlenkverhalten und dem sensationellen Grip begeistert sein. Oder?» Was soll ich da noch antworten – das hätte ich nicht besser auf den Punkt bringen können.