Herr Hannesbo, Sie haben in wenigen Monaten Ihr Unternehmen komplett umorganisiert und neue Departemente geschaffen. Weshalb?
Morten Hannesbo: Nicht, weil es uns langweilig war, sondern weil sich unsere Branche extrem schnell verändert. Die nächsten sechs, sieben Jahre werden eine grosse Herausforderung. Da wollen wir gerüstet sein. Deshalb verteilen wir unsere Ressourcen neu, um sie gezielter auch für kommende Aufgaben wie neue Mobilitätsformen oder Digitalisierung einzusetzen. Ähnlich wie im Fussball stellen wir unser Team neu auf, um weiterhin konkurrenzfähig am Ball zu bleiben.
Wird die Amag folglich mehr zum Mobilitäts-Dienstleister und das klassische Autogeschäft nimmt ab?
Das Wachstum im klassischen Autogeschäft wird nicht kleiner, aber es wird nicht mehr so schnell wachsen. Vertrieb, Werkstatt und Kundenservice nehmen weiter zu, da unser Fahrzeugbestand jährlich um 40'000 bis 50'000 Fahrzeuge wächst. Wir werden in den nächsten Jahren 1,5 Millionen Fahrzeuge unserer Importmarken auf Schweizer Strassen haben. Die brauchen weiterhin Betreuung. Unser Kerngeschäft, das wir kennen und wo wir seit vielen Jahren Marktführer sind, werden wir deshalb weiter pflegen und uns auch verbessern. Aber wir müssen unser heutiges Geschäft auch in die Zukunft transferieren und folglich unsere ganze Organisation modernisieren.
Auch örtlich gibts Veränderungen. Nach 70 Jahren zieht die Amag 2019 vom aargauischen Schinznach-Bad nach Cham in den Kanton Zug. Steuerliche Gründe?
Wir wollen Synergien schaffen und fünf Standorte zu einem Hauptsitz zusammenlegen. Natürlich sind Steuern immer ein Kriterium, egal wo der Hauptsitz ist. Es war für uns aber nicht der Hauptgrund. Da wir schweizweit aktiv sind und in der ganzen Schweiz Steuern zahlen, sparen wir durch den Umzug vielleicht einen kleineren, einstelligen Millionenbetrag. Viel entscheidender für uns war ein zentraler Standort mit guten Verkehrsanbindungen und einem grossen Betrieb in der Nähe. Und das haben wir in Cham gefunden.
Was passiert mit den Liegenschaften an den bisherigen Standorten?
Wir haben noch keine fixen Pläne. Der Garagenbetrieb in Schinznach und die ganze Logistik in Buchs bleiben, die Büroflächen werden umgenutzt. Eine Möglichkeit ist, dass wir unserer Amag-Academy an den bisherigen Standorten künftig mehr Platz zur Verfügung stellen.
Trotz Struktur-Veränderungen könnte Ihr Kerngeschäft besser sein. Bei fast stabilem Gesamtmarkt verkaufte die Amag in den letzten zwei Jahren sieben Prozent weniger Neuwagen…
Dieser Rückgang ist einzig auf die Marke VW zurückzuführen. Dafür gibts mehrere Gründe. Einer ist sicher, dass wir mit VW die letzten zwei Jahre keine Marktanteile mehr jagten, sondern uns vor allem auf die durch die Dieselgeschichte verunsicherte Kundschaft und deren Betreuung fokussierten.
Sie haben konkret über 6000 oder fast 15 Prozent weniger VW als 2016 verkauft. Die späte Quittung für den Abgasskandal?
Eine Sache wie der Dieselskandal hilft nie. Das war auch für uns eine schwierige Sache und hat viel Kraft gekostet. Dazu kommt bei VW eine doch ziemlich reife Modellpalette, die jetzt aber zum Beispiel mit den neuen Polo, T-Roc oder Touareg verjüngt wird. Ich bin sicher, VW wird sich heuer und 2019 wieder gestärkt auf dem Markt zurückmelden.
Die Umrüstung der Schummelfahrzeuge ist praktisch abgeschlossen, das Thema aber noch nicht vom Tisch. Eben reichte die Stiftung für Konsumentenschutz SKS am Handelsgericht Zürich für rund 6000 Schweizer Autobesitzer eine Schadenersatzklage ein.
Für diese Aktion vor allem gegen die Amag habe ich kein Verständnis. Vielmehr habe ich die Vermutung, dass die SKS die Gelegenheit nutzt und VW, die Amag und die Autobranche dazu missbraucht, um in der Schweiz den Weg politisch für eine Sammelklage zu ebnen. Im Unterschied zu Amerika hatten wir aufgrund einer anderen Gesetzgebung in Europa und der Schweiz eine Nachbesserungsmöglichkeit. Und wir haben die Sache schnell korrigiert und in Ordnung gebracht. Mittlerweile sind 96 Prozent aller in der Schweiz betroffenen Fahrzeuge umgerüstet. Ein Wertzerfall, wie immer wieder behauptet wird, gab und gibt es nachweisbar nicht. Ich finde, das müsste die SKS akzeptieren. Wir haben getan, was wir tun konnten.
Wie wird die E-Mobilität das Autogeschäft künftig beeinflussen?
Sehr! Wenn es uns gelingt, mit den neuen Produkten Emotionen auszulösen und mit E-Fahrzeugen mehr zu bieten, als dies heute Verbrenner können, werden viele umsteigen. Wir rechnen damit, dass im Jahr 2025 bis zu einem Viertel aller Kunden reine Elektroautos kaufen wollen. Die E-Fahrzeuge werden zudem neue Geschäftsmodelle erschliessen. Die Autos werden interaktiver, konnektiver, einige Serviceleistungen werden «over the air» erledigt. Das heisst, der Kunde braucht mit seinem Auto nicht mehr zum Händler zu fahren. So werden Fahrzeuge durchschnittlich 40 Prozent weniger Wartungsstunden brauchen. Das heisst aber auch, dass sich unsere Werkstätten den neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Ich kann mir zudem vorstellen, dass Kunden dann nicht mehr die Fahrzeuge wie heute kaufen, sondern deren Nutzungsrechte. Sie kaufen zum Beispiel einen Wagen für sechs Monate und dürfen dann das Modell wechseln. Oder man nutzt kurzfristig für einen Ferienausflug ein Cabrio.
Also ähnlich Flatrate-Angeboten von Telecom-Anbietern?
Genau! Einige Autohersteller wie GM in den USA oder auch Volvo machen bereits erste Versuche damit. Wir werden sehen, wie schnell sich das entwickeln wird. Aber genau deshalb, um wieder auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, brauchen wir eine Organisation, die fit ist, die flexibel ist und sich schnell veränderten Marktvorgaben stellen kann. Ich freue mich auf die E-Mobilität und unseren rein elektrischen Audi E-Tron Ende Jahr, das wird ein Tesla-Killer.
Wie wird 2030 Ihr Händlernetz aussehen?
Es werden vielleicht einige Händler und Servicepartner weniger sein als heute, aber nicht entscheidend weniger.
Wie siehts heute mit der Rendite aus – die wird vermutlich dramatisch gesunken sein?
Die Rendite ist unter Druck. Aber nicht nur in der Autobranche. Alle Unternehmen haben die Herausforderung, dass man mit dem gleichen Personal mehr Umsatz machen und die Kosten reduzieren muss. Deshalb kann man im Gegensatz zu früher nicht einfach den Personalbestand erhöhen. Dennoch haben wir heute 144 Mitarbeitende mehr als noch vor einem Jahr. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir in Bereichen wachsen, die personalintensiv sind. Für den Handel und den Grosshandel ist es momentan sehr hart. Aber wem sag ich das. Auch Ihr Journalisten müsst heute mehr schreiben als früher – und hoffentlich leidet die Qualität nicht darunter...
Ihr grösster Rivale, die Emil-Frey-Gruppe, ist auch im Ausland mit Importgesellschaften und vielen Händlern aktiv – und erfolgreich. Warum steigt die Amag nicht auch ins lukrative Auslandsgeschäft ein?
Die Emil-Frey-Gruppe macht einen hervorragenden Job im Ausland. Und wir versuchen dies in der Schweiz zu tun. Wir bei der Amag hatten – und haben auch in Zukunft – eine klare Strategie mit Fokus Schweiz. Weil wir überzeugt sind, dass uns der Schweizer Markt noch mehr Entwicklungspotenzial als heute bieten kann. Wir sind optimal für unser Land aber nicht für ein Ausland-Abenteuer aufgestellt.
Wird die Amag heuer unter der vom Bund definierten CO2-Grenze von 130 g/km liegen – oder wird eine CO2-Busse fällig?
Das heisst nicht Busse sondern Lenkungsabgabe, habe ich von Frau Bundesrätin Leuthard gelernt. Aber ich gehe davon aus, dass die Amag 2017 und 2018 etwa ein Gramm unter dem Zielwert liegen wird und daher keine Lenkungsabgabe zahlen muss.
Wie würden Sie eine Lenkungsabgabe abfedern? Auf den Neuwagenpreis draufschlagen und die Autos für Kunden verteuern?
Ich weiss es nicht. (überlegt lange) Ich habe ein grundlegendes Problem mit der Schweizer CO2-Insellösung und verstehe diese nicht. Eine strengere Schweizer-Vorgabe nützt doch nichts, wenn sich die umliegenden anderen 27 EU-Länder nicht auch daran halten. Ich wünsche mir deshalb für die nächste Revision, dass sich die Schweiz in dieser Sache als ein Teil von Europa betrachtet – z.B. EU 27 plus CH – und so gemeinsam über alle 28 Länder ein Schnitt von 95 Gramm erreicht werden muss.
Dieser Wunsch ist nicht neu. Spricht die Autobranche diesbezüglich gegen eine Wand?
Nein, es gibt einen Dialog und wir stossen auch auf Verständnis. Aber die politische Ausrichtung ist im Moment eine andere. Und wir können nur hoffen, dass es nicht so bleibt.
Wissen Sie, wofür der Bund die Erlöse aus der CO2-Lenkungsabgabe verwenden würde?
Nein, keine Ahnung.
Beim Thema CO2 müssen wir auch die Energieetikette ansprechen: Warum wird ein kleines Auto wie der neue VW T-Roc mit 1.0 TSI-Motor, 115 PS und 5,1 Litern bzw. 117 g/CO2 nur mit Energieeffizienz D statt A eingestuft?
Das verstehe ich auch nicht. Die Energieetikette hatte damals bei ihrer Einführung ihre Berechtigung und wurde von der Autobranche auch unterstützt. Doch heute, mit neuer Gesetzgebung und dem neu geltenden Verbrauchsmesszyklus, haben wir ja sowieso Umweltziele, die wir erreichen müssen. Und deshalb finde ich, könnte man die Energieetikette und der ganze dadurch verbundene Aufwand ersatzlos streichen.
Was erwarten Sie vom Autojahr 2018?
Der Start zur Elektromobilität. Wir werden die ersten E-Fahrzeuge von grossen und erfahrenen Autoherstellern sehen, die mit grosser Reichweite alltagstauglich sind und die sich ausser ihrem Antrieb kaum von den bisher bekannten Fahrzeugen aus der Grossserie unterscheiden werden.
Und was wünschen Sie sich fürs Autojahr 2018?
Politische Stabilität, einen stabilen Gesamtmarkt mit 315'000 Autos und gute Amag-Zahlen.
Die Amag-Gruppe der Familie Haefner erzielte im abgelaufenen Jahr einen konsolidierten Umsatz von 4,6 Milliarden Franken und beschäftigt 5717 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter 710 Lernende.
Marke20162017DifferenzMarktanteilDifferenzAudi19'58220'618+ 5,3 %6,6 %+ 0,4 %Seat10'13612'053+ 18,9 %3,8 %+ 0,6 %Skoda21'06020'582- 2,3 %6,6 %0,0 %VW42'14235'975- 14,6 %11,5 %-1,8 %Total Amag*92'92089'228- 4,0 %28,4 %- 0,9 %* ohne Nutzfahrzeuge, Quelle: auto-schweiz/ASTRA/MOFIS
Audi: Nach einem Minus von 12 Prozent 2016 hat sich Audi 2017 mit einem Plus von über 5 Prozent wieder erholt. Bleibt im Premium-Prestigekampf hinter Mercedes und BMW aber die Nummer 3.
Seat: Dank absolutem Rekordergebnis schafft es Seat 2017 mit Platz 9 erstmals in die Top Ten der meistverkauften Marken in der Schweiz.
Skoda: Der Octavia ist erstmals das bestverkaufte Auto der Schweiz. Dennoch und trotz neuen Modellen im boomenden SUV-Segment sanken die Skoda-Verkäufe 2017 leicht.
VW: Verkaufseinbruch um fast 15 Prozent. Dazu wurde der Golf erstmals nach 41 Jahren als meistverkaufter Neuwagen der Schweiz an der Spitze abgelöst.
Die Amag-Gruppe der Familie Haefner erzielte im abgelaufenen Jahr einen konsolidierten Umsatz von 4,6 Milliarden Franken und beschäftigt 5717 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter 710 Lernende.
Marke20162017DifferenzMarktanteilDifferenzAudi19'58220'618+ 5,3 %6,6 %+ 0,4 %Seat10'13612'053+ 18,9 %3,8 %+ 0,6 %Skoda21'06020'582- 2,3 %6,6 %0,0 %VW42'14235'975- 14,6 %11,5 %-1,8 %Total Amag*92'92089'228- 4,0 %28,4 %- 0,9 %* ohne Nutzfahrzeuge, Quelle: auto-schweiz/ASTRA/MOFIS
Audi: Nach einem Minus von 12 Prozent 2016 hat sich Audi 2017 mit einem Plus von über 5 Prozent wieder erholt. Bleibt im Premium-Prestigekampf hinter Mercedes und BMW aber die Nummer 3.
Seat: Dank absolutem Rekordergebnis schafft es Seat 2017 mit Platz 9 erstmals in die Top Ten der meistverkauften Marken in der Schweiz.
Skoda: Der Octavia ist erstmals das bestverkaufte Auto der Schweiz. Dennoch und trotz neuen Modellen im boomenden SUV-Segment sanken die Skoda-Verkäufe 2017 leicht.
VW: Verkaufseinbruch um fast 15 Prozent. Dazu wurde der Golf erstmals nach 41 Jahren als meistverkaufter Neuwagen der Schweiz an der Spitze abgelöst.