Weil Chinas Regierungsführer Mao Tse-Tung nicht in Autos ausländischer Marken durchs Land reisen wollte, entstand 1958 das Staatsunternehmen Hongqi mit dem Auftrag, Repräsentationslimousinen für die kommunistische Partei Chinas und die Regierungsbehörden zu fertigen. Die beiden ersten Hongqi-Modelle, der CA72 und sein Nachfolger CA 770, sorgten heuer beim Concours d’Elegance in Pebble Beach (USA), der spektakulärsten Oldtimer- und Klassikveranstaltung der Welt, für Aufsehen.
Erstes Advanced-Designstudio
Der nächste Schritt von Hongqi und dem dahinterstehenden Staatskonzern FAW in die westliche Autowelt ist nun aber deutlich nachhaltiger. Die Chinesen eröffnen in München ihr erstes Designstudio ausserhalb Chinas, das gleichzeitig auch das einzige Center für Advanced Design weltweit ist. Warum gerade München? Weils dort gemäss Hongqi eine starke Zulieferindustrie und gute Flugverbindungen nach China gibt – aber auch wegen dem Wechsel von Giles Taylor (50) an die Kreativspitze der Chinesen. Bis vor wenigen Wochen war der Brite noch Designchef beim BMW-Nobelableger Rolls-Royce. Jetzt soll unter seiner Führung ein neues Design beim Staatskonzern FAW und Hongqi entstehen. «FAW will die jährlichen Hongqi-Verkäufe bis 2020 auf 100'000 und bis 2025 auf 300'000 Fahrzeuge steigern», sagt Xu Liuping, Chairman der FAW Gruppe.
17 neue Modelle bis 2025
«Ich wollte nochmals eine neue Herausforderung», erklärt Taylor, der zuvor unter anderem bei PSA und Mercedes arbeitete, seinen Wechsel. «Hongqi bringt in den nächsten Jahren 17 neue Modelle. Das ist eine spannende Aufgabe.» Die Chinesen haben endlose Jahre ohne nennenswerten Designfortschritt hinter sich – und auch technisch passierte nicht viel. Das letzte imposante Modell war der 2012 vorgestellte Hongqi L5. Die sechs Meter lange Staatslimousine erinnert mit ihren Proportionen und dem breiten Kühlergrill aber an die China-Staatslimousinen der 1950er und 60er Jahre.
Plug-in-Hybride und E-Autos
Der Neuaufbau der Marke Hongqi zum globalen Premiumhersteller beschränkt sich zunächst auf China. In einer zweiten Phase soll das Aushängeschild des FAW-Konzerns dann aber die internationale Bühne betreten und zur ernstzunehmenden Konkurrenz von Cadillac, Audi, BMW oder Mercedes werden. Schon in den nächsten Monaten sollen die zwei SUVs Hongqi HS5 und HS7 vorgestellt werden – und bis 2025 weitere 15 neue Modelle (alles Plug-in-Hybride oder E-Autos). Das erste rein elektrische Modell, der E-HS3, soll Mitte 2019 starten.
München spielt zentrale Rolle
München soll in der Wachstums- und Transformationsstrategie der Chinesen eine zentrale Rolle spielen. «Wir starten hier mit einem Team von rund 50 Personen», verrät Giles Taylor. «Seit Mai 2018 laufen die ersten Projekte», ergänzt Ming Zhang, Managing Direktor von FAW Munich, wie die Firma offiziell heisst. «In unserem ersten Center ausserhalb Chinas wollen wir lernen, die Kunden zu verstehen.» Übrigens lautet der neue Hongqi-Slogan «let the dream fly» – lass‘ die Träume fliegen. Bleibt für die Chinesen zu hoffen, dass ihre Träume nicht platzen.