Leider passierts immer wieder: Ein LKW-Fahrer bemerkt ein Stau-Ende zu spät und donnert fast ungebremst in die stehende Kolonne. Nach Toten und Schwerverletzten in zusammengequetschten Autos lautet die Frage der Öffentlichkeit: Hätte das verhindert werden können? «Ja!», sagt Daniel Junker, Leiter Fahrzeugexperten der Baloise-Versicherung. Alleine in den letzten fünf Jahren seien laut Astra in der Schweiz 147 Menschen bei LKW-Unfällen ums Leben gekommen. «Viele davon hätten durch den Einsatz von modernen Notbremssystemen verhindert werden können», meint Junker.
Rücksichtslose Autofahrer
Die Gesetze für Nutzfahrzeug-Assistenten sind europaweit klar definiert: Bei neuen schweren LKW ist ein Notbremsassistent Pflicht. In der Praxis heisst das, dass der LKW die Geschwindigkeit vor einer Kollision um mindestens 20 km/h reduziert. Die Crux: Die Fahrer können die Systeme ausschalten – und das geschieht nicht selten wegen rücksichtslosen Autofahrern. Ein Chauffeur: «Am schlimmsten ists, wenn ein PW kurz vor der Autobahn-Ausfahrt überholen, um noch abzubiegen. Das System bremst dann abrupt ab, weil es von einer Gefahr ausgeht. Für die Fahrzeuge hinter mir kann es dann heikel werden!»
Technik weiter als Gesetze
Er appelliert zu mehr Rücksicht. Denn sind die Assistenten aktiviert, retten sie Menschenleben. Das beweist die Baloise mit Mercedes-Benz Trucks, Routiers Suisse und Astag im Dynamic Test Center in Vauffelin BE: Beim Crashtest mit Notbremsung vor einer stehenden Kolonne wird die Geschwindigkeit um 20 km/h reduziert – die Aufprallenergie wird praktisch halbiert. Wozu die Technik imstande wäre, würde es der Gesetzgeber verlangen, zeigt eine Demo-Fahrt mit einem neuen Mercedes-Truck. Der Active Brake Assistant leitet bei 80 km/h die Notbremsung ein, der LKW kommt vor dem Hindernis zum Stillstand.
Gesetze in Europa verschärfen
«Der Stand der Technik hat die Gesetzgebung schon seit längerem überholt. Grundsätzlich könnten mit Notbrems-Assistenzsystemen der neusten Generation die meisten Auffahr-Kollisionen verhindert werden, indem Fahrzeuge vor dem Hindernis zum Stehen kommen», sagt Jürg Lüthi, CEO Mercedes-Benz Trucks Schweiz. Junker ergänzt: «Es bleibt zu hoffen, dass die Gesetzeslage so rasch wie möglich auf europäischer Ebene verschärft wird und die Fahrzeughersteller mit der Technik aufrüsten müssen. Damit könnten dramatische Unfallfolgen auf ein Minimum reduziert werden.»