Exklusiv-Interview mit Mitsubishi-Designchef Tsunehiro Kunimoto
«Jetzt wird alles anders»

Dieser Mann entstaubt Mitsubishi: SonntagsBlick trifft exklusiv Designchef Tsunehiro Kunimoto (67) und spricht mit ihm über die Wiedergeburt der Marke, über Lob und Kritik und Ex-Arbeitgeber Nissan.
Publiziert: 07.04.2018 um 20:29 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:35 Uhr
Willkommen in der Zukunft: Mitsubishi-Designchef Tsunehiro Kunimoto präsentiert den Mitsubishi e-Evolution, der als Concept Car die sportliche der zwei künftigen Designrichtungen der Marke vorgibt.
Foto: Philippe Rossier

Interview: Timothy Pfannkuchen

Kunimoto-san, in Japan ist es sehr ungewöhnlich, nach 39 Jahren den Arbeitgeber zu wechseln. Wieso gingen Sie vor vier Jahren von Nissan zu Mitsubishi?

Tsunehiro Kunimoto: Weil Mitsubishi-CEO Osamu Masuko mich gefragt hat. Bei Nissan war ich für globales Design zuständig. Bei Mitsubishi soll ich mit meiner Erfahrung das Design revolutionieren, damit die Marke sich nach heiklen Zeiten erneuert und wächst.

Mitsubishis Chefdesigner Tsunehiro Kunimoto war 39 Jahre lang bei Nissan tätig und verantwortlich für zahlreiche Modelle. Eine seiner bekanntesten Entwürfe ist der City-SUV Nissan Juke, sein erstes Mitsubishi-Serienauto der Eclipse Cross.
Foto: Philippe Rossier

Ist so viel Nissan-Hintergrund in Ihrem neuen Job nicht hinderlich?

Im Gegenteil! Ich hatte die Designstrategie und Modellpalette für verschiedene Marken wie Nissan oder Infiniti entwickelt. Die Erfahrung half mir dabei, zu definieren, was Mitsubishi ausmacht, und auf Basis von Historie und Philosophie eine Designstrategie zu entwickeln.

Was macht einen Mitsubishi zum Mitsubishi?

Robustheit einer- und Ingenieurskunst andererseits. Für viele Kunden steht Mitsubishi für Zuverlässigkeit und Solidität, für andere für Fortschritt. Der Pajero etwa verkörpert diese Robustheit, der Outlander Plug-in-Hybrid die Technologie. Die Evolution beider Säulen ist der Eckpfeiler der Designstrategie. Sehen Sie sich unsere Concept Cars an: den robusten, massiven GT-PHEV und den dynamischen, sportlichen e-Evolution. Beide beruhen auf dem gleichen Designkonzept, zeigen aber die Richtungen, die künftig das Design von Mitsubishi ausmachen.

Der Eclipse Cross ist das erste Serienmodell in der neuen Designsprache des japanischen Herstellers.
Foto: Jürg A. Stettler

Der Eclipse Cross als erstes Serienauto mit dem neuen Mitsubishi-Design bei uns erntet viel Lob. Aber auch Kritik fürs spezielle Heck mit zweigeteilter Scheibe …

Form folgt Funktion. Ich wollte sportliches Design mit kurzen Überhängen auf kompakten Abmessungen, aber beste Rundumsicht und viel Platz. Eine Herausforderung! Die geteilte Heckscheibe schafft Raum, Sicht und eine markante, ja unverwechselbare Heckansicht.

Das ungewöhnlich gestaltete Heck des Eclipse Cross.
Foto: Jürg A. Stettler

Der Nissan Juke war auch Ihr Werk. Polarisieren Sie gerne?

Ja. Man muss neue Designwege gehen, um ein Image zu wandeln. Bei Nissan hatte ich die Identität der Crossover-SUV – Murano, Qashqai, Juke – entwickelt. Bei Mitsubishi ist die Designphilosophie zwar eine ganz andere, aber die Herausforderung eine ähnliche.

Sie sollen mal gesagt haben, Mitsubishi sei ein wenig wie Audi …

Habe ich das? (Lacht.) Stimmt, aber das hatte sich nur auf gefühlte Qualität bezogen.

Bei der Materialanmutung geht der Eclipse Cross ja einen Riesenschritt vorwärts.

Ja, als Teil von Qualität und Design ist gefühlte Qualität enorm wichtig, weshalb ich mir das sofort bei Jobantritt vorgenommen habe. Wir entwickeln das zu einer unserer Stärken.

SonntagsBlick-Autoredaktor Timothy Pfannkuchen (links) und Mitsubishis Chefdesigner Tsunehiro Kunimoto (rechts) beim Interview.
Foto: Philippe Rossier

Folgt als nächstes jener Serien-SUV, den der e-Evolution andeutet?

Mitsubishi zeigt Concept Cars nie um der Concept Cars Willen. Der e-Evolution verkörpert die sportliche Designausrichtung für das B-SUV-Segment. Lassen Sie sich überraschen!

Der elektrische i-MiEV sieht eigen, der Plug-in-Hybrid-Outlander dagegen ganz «normal» aus. Brauchen neue Antriebsformen anderes Design?

Nein. Elektrifizierte Autos werden bei uns nicht mehr wesentlich anders aussehen.

Space Star oder Attrage sind keine Schönheiten. Darf billig nicht cool sein?

Bisher sollten die Kleinwagen nur freundlich wirken. Aber jetzt wird bald alles anders.

Trotzdem scheint Mitsubishi eine SUV-Marke zu werden: Es heisst, bis 2021 kämen noch vier neue SUV. Wo bleiben aber etwa Limousinen wie einst der Galant?

Wir müssen erst unsere Identität wiederfinden. Der Startpunkt ist unserer langen SUV-Geschichte wegen das SUV-Segment. Während wir das umsetzen, diskutieren wir parallel, wie wir die Palette auf Plattformen aus dem Verbund mit Renault und Nissan ausweiten.

Die zweite Richtung: Im Gegensatz zum sportlichen e-Evolution zeigt der GT-PHEV als Concept Car die andere, eher robust-bullige künftige Design-Ausrichtung von Mitsubishi.
Foto: Werk

Sie haben das Europa-Designzentrum wiederbelebt. Für europäischeres Design?

Ich glaube nicht an lokales, sondern an globales Design! Aber uns ist Authentizität wichtig. Und darin sind europäische Designer der langen hiesigen Autohistorie wegen sehr gut.

Gibts andere Automarken, deren Design Sie derzeit überzeugt?

Momentan suchen viele eine neue Strategie. Ich finde Volvo ausgewogen und authentisch.

Mit Verlaub: Sie sind 67 Jahre alt. Kein Rücktrittsgedanke?

Nein. (Lacht.) Masuko-san sagt, ich solle bleiben, also bleibe ich. Aber natürlich ziehe ich Nachwuchs heran, damit sich unser Design konsistent entwickelt.

Der Mann und die Marke

Der im August 1950 geborene Tsunehiro Kunimoto gilt in der Autobranche als Experte für die Wandlung und Stärkung des Markenimages durch prägnantes Design. Der Japaner trat 1975 nach dem Studium an der Musashino-Kunstuni nahe Tokio bei Nissan ein. Im 20. Dienstjahr wurde er Chef des US-Designzentrums, dann Designdirektor Nissan und Infiniti und 2008 oberster globale Designstratege. Er schuf zum Beispiel den Z Concept oder den Juke und diverse Infinitis. Nach 39 Nissan-Jahren wurde er 2014 Mitsubishi-Designchef.

Die Mitsubishi Motors Corporation ist der älteste japanische Autohersteller. Bereits 1917 begann der Schwerindustrie- und Werft-Riese Mitsubishi Heavy mit dem Autobau. Nach viel Erfolg rutschte die Autotochter ab 1997 in die Krise. Es folgten Skandale, Kauf und Verkauf durch DaimlerChrysler und Beinahepleite. Seit den 2010er-Jahren gehts aufwärts; seit 2016 ist Mitsubishi im Nissan-Renault-Verbund. Die ersten völlig neuen Serienautos der Kunimoto-Ära sind der nur in Asien verkaufte Xpander und der neue Eclipse Cross.

Der im August 1950 geborene Tsunehiro Kunimoto gilt in der Autobranche als Experte für die Wandlung und Stärkung des Markenimages durch prägnantes Design. Der Japaner trat 1975 nach dem Studium an der Musashino-Kunstuni nahe Tokio bei Nissan ein. Im 20. Dienstjahr wurde er Chef des US-Designzentrums, dann Designdirektor Nissan und Infiniti und 2008 oberster globale Designstratege. Er schuf zum Beispiel den Z Concept oder den Juke und diverse Infinitis. Nach 39 Nissan-Jahren wurde er 2014 Mitsubishi-Designchef.

Die Mitsubishi Motors Corporation ist der älteste japanische Autohersteller. Bereits 1917 begann der Schwerindustrie- und Werft-Riese Mitsubishi Heavy mit dem Autobau. Nach viel Erfolg rutschte die Autotochter ab 1997 in die Krise. Es folgten Skandale, Kauf und Verkauf durch DaimlerChrysler und Beinahepleite. Seit den 2010er-Jahren gehts aufwärts; seit 2016 ist Mitsubishi im Nissan-Renault-Verbund. Die ersten völlig neuen Serienautos der Kunimoto-Ära sind der nur in Asien verkaufte Xpander und der neue Eclipse Cross.

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