Die Diskrepanz ist offensichtlich: Während die Automarken in Prospekten mit tiefen Verbrauchswerten locken, liegen die im Alltag ermittelten Werte oft bis zu 30 Prozent höher – Tendenz in den letzten Jahren steigend. Das soll sich endlich ändern. Der neue Testzyklus mit der wenig informativen Bezeichnung WLTP (World Harmonized Light Vehicle Test Procedure) löst nach 26 Jahren den NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ab und soll Verbrauchsangaben realistischer machen – also höher. Experten rechnen mit plus 20 Prozent. Ab 1. September 2018, wenn der im Herbst 2017 eingeführte WLTP obligatorisch wird, werden Autos nicht real, aber auf dem Papier höhere Verbräuche ausweisen.
Nie für Realverbräuche gedacht
Was Autofahrer oft nicht wissen: Der 1992 eingeführte NEFZ diente gar nie dazu, Alltagsverbräuche abzubilden. Vielmehr gings darum, Autos weltweit miteinander vergleichbarer zu machen. Deshalb wurde der Normverbrauch auch unter identischen Laborbedingungen ermittelt. Doch Verbräuche global zu vergleichen war ein Ding der Unmöglichkeit, da die Testbedingungen in Asien, Amerika und Europa unterschiedlich blieben. Daher scheiterte vor rund einem Jahrzehnt die Harmonisierung – und jetzt droht auch der WLTP schon vor seiner flächendeckenden Einführung zu einer Farce zu werden.
Weltweiter «Kantönligeist»
Bereits jetzt gibts zahllose Sonderregelungen und Ausnahmen, sodass vom weltweiten Vergleich nicht die Rede sein kann. So gilt der WLTP in der EU (plus Grossbritannien, Island, Israel, Liechtenstein, Schweiz und Türkei) und in abgewandelter Form in Japan und Südkorea. Aber Australien, Russland und einige Staaten im Mittleren Osten und Südamerika bleiben beim NEFZ. Amerika und Brasilien verwenden nochmals andere Zyklen – und China, Autonation Nummer 1, nutzt den WLTP nur als Testverfahren, aber zur Verbrauchsermittlung weiter den NEFZ; und für die Zukunft plant China ein eigenes Messverfahren … .
Doch selbst in Europa gibts bereits Abweichungen, da viele Länder die Testtemperatur von 23 Grad als zu hoch taxierten. Als Folge gibts eine weitere Messung bei 14 Grad.
Weiterhin ohne Klimaanlage
Immerhin ist der WLTP aber im Vergleich zum 26-jährigen NEFZ klar realitätsnäher. So dauert der Zyklus mit 30 Minuten nun 15 länger, und die Standzeit reduziert sich von knapp 24 auf 13 Prozent. Dagegen verlängert sich die gefahrene Strecke von 11 auf 23 Kilometer. Das Maximaltempo erhöht sich von 120 auf 131 km/h, um Autobahnfahrten besser abzubilden, was sich auch in einem höheren Durchschnittstempo (46 statt 34 km/h) bemerkbar macht. Ergänzend werden die Prüfvorgaben strenger: Es wird nicht mehr bloss die Basisvariante getestet, da Sonderausstattungen ja ebenfalls Einfluss auf die Messwerte haben.
Leider kein Witz: Da sich die WLTP-Verantwortlichen nicht einigen konnten, wie eine eingeschaltete Klimaanlage Einfluss nehmen soll, wird einer der neben Sitz-, Lenkrad- und Scheibenheizung grössten Energieverbraucher im Auto bis auf Weiteres einfach nicht berücksichtigt.
Auch auf der Strasse testen
Zum WLTP, der weiterhin überwiegend auf einem Rollenprüfstand gefahren wird, zählt neu auch der Realtest RDE (Real Driving Emissions) auf der Strasse, der dafür sorgen soll, dass die Grenzwerte für Stickoxide und Partikelanzahl eingehalten werden. Neu sind Schaltpunkte nicht mehr vorgeschrieben, sondern können fahrzeugspezifisch oder nach dem Gusto des prüfenden Piloten gewählt werden.
So darf künftig früher als bisher in höhere Gänge geschaltet werden. Das hilft sportlich abgestimmten Handschaltern mit hohem Übersetzungsverhältnis in den unteren Gängen. Auf längere Sicht tritt dieser Punkt aber etwas in den Hintergrund, da sich automatisierte Getriebe immer mehr durchsetzen.
Schärfere Regeln für Plug-ins
Eine wichtige Änderung ergibt der WLTP für Plug-in-Hybride mit bislang völlig illusorischen Werten. Diese Fahrzeuge absolvieren den Test zweimal – einmal wird mit vollem Akku gestartet, das zweite Mal mit leerer Batterie. Aus beiden Tests errechnet sich dann der auszuweisende Verbrauch und CO2-Mittelwert.
Klar ist: Der Aufwand für die Hersteller und Importeure, ihr gesamtes Modellangebot bis zum 31. August 2018 nach dem neuen Testzyklus gemessen zu haben, ist gigantisch und kostenintensiv. Da verwundert es uns nicht, sind derzeit europaweit kaum mehr freie Rollenprüfstände zu bekommen.
BLICK: Der WLTP-Messzyklus wird rund 20 Prozent höhere Verbrauchs- und CO2-Angaben zur Folge haben. Werden die vom Bund festgelegten Grenzwerte neu angepasst?
Andreas Burgener: Nein! Die Grenzwerte für Personenwagen von 130 g/km CO2 für 2018 und 2019 bzw. 95 g/km ab 2020 bleiben bestehen. Bis und mit 2020 wird aber die Einhaltung der CO2-Ziele weiter mit Werten nach dem alten NEFZ-Zyklus berechnet. Dazu werden entweder gemessene oder mit einem von der EU entwickelten Simulationsprogramm aus WLTP-Messungen umgerechnete Werte verwendet. Letztere werden wegen anderer Parameter – wie Temperaturen, Fahrzeuggewichte und engerer Toleranzen – messbar höher ausfallen als die bisherigen NEFZ-Werte.
Wie wirkt sich der WLTP auf die Lenkungsabgaben der Importeure aus?
Das lässt sich heute noch nicht abschätzen. Tendenziell rechnen wir aber mit höheren Sanktionen. Trotz des vom Bundesrat beschlossenen «Phasing-In» von 2020 bis und mit 2022 dürfte das Ziel von 95 g/km für Personenwagen zu happigen Sanktionszahlungen führen. Ganz zu schweigen vom CO2-Grenzwert von 147 g/km für leichte Nutzfahrzeuge, der ebenfalls 2020 eingeführt wird.
Durch die drohenden höheren Lenkungsabgaben und die Administrativkosten wird Auto-Schweiz den WLTP ja kaum begrüssen?
Auto-Schweiz begrüsst die durch den WLTP realistischeren Verbrauchs- und CO2-Angaben – trotz des enormen finanziellen und personellen Aufwandes. Problematisch ist dagegen, dass der neue Messzyklus das Erreichen der Ziele zur Senkung des CO2-Ausstosses noch anspruchsvoller macht, als es ohnehin schon war.
BLICK: Der WLTP-Messzyklus wird rund 20 Prozent höhere Verbrauchs- und CO2-Angaben zur Folge haben. Werden die vom Bund festgelegten Grenzwerte neu angepasst?
Andreas Burgener: Nein! Die Grenzwerte für Personenwagen von 130 g/km CO2 für 2018 und 2019 bzw. 95 g/km ab 2020 bleiben bestehen. Bis und mit 2020 wird aber die Einhaltung der CO2-Ziele weiter mit Werten nach dem alten NEFZ-Zyklus berechnet. Dazu werden entweder gemessene oder mit einem von der EU entwickelten Simulationsprogramm aus WLTP-Messungen umgerechnete Werte verwendet. Letztere werden wegen anderer Parameter – wie Temperaturen, Fahrzeuggewichte und engerer Toleranzen – messbar höher ausfallen als die bisherigen NEFZ-Werte.
Wie wirkt sich der WLTP auf die Lenkungsabgaben der Importeure aus?
Das lässt sich heute noch nicht abschätzen. Tendenziell rechnen wir aber mit höheren Sanktionen. Trotz des vom Bundesrat beschlossenen «Phasing-In» von 2020 bis und mit 2022 dürfte das Ziel von 95 g/km für Personenwagen zu happigen Sanktionszahlungen führen. Ganz zu schweigen vom CO2-Grenzwert von 147 g/km für leichte Nutzfahrzeuge, der ebenfalls 2020 eingeführt wird.
Durch die drohenden höheren Lenkungsabgaben und die Administrativkosten wird Auto-Schweiz den WLTP ja kaum begrüssen?
Auto-Schweiz begrüsst die durch den WLTP realistischeren Verbrauchs- und CO2-Angaben – trotz des enormen finanziellen und personellen Aufwandes. Problematisch ist dagegen, dass der neue Messzyklus das Erreichen der Ziele zur Senkung des CO2-Ausstosses noch anspruchsvoller macht, als es ohnehin schon war.