Borgward: Die deutsche Traditionsmarke kommt zurück in die Schweiz
Bremen – Peking retour

Nach 58 Jahren Auszeit kehrt im kommenden Jahr Borgward auf den Schweizer Markt zurück. Die deutsche Marke setzt dabei auf SUV, Elektromobilität und den Pioniergeist des einstigen Gründers.
Publiziert: 20.07.2018 um 17:23 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2018 um 16:17 Uhr
China-SUV will Europa erobern
3:15
Borgward BX7:China-SUV will Europa erobern
Andreas Faust

Mini schaffte den Neustart, Rolls-Royce stand wieder auf und auch Fiat konnte den legendären Cinquecento überzeugend in die Neuzeit bringen. Jetzt versucht es auch Borgward. Im kommenden Jahr wird die einstige deutsche Traditionsmarke (siehe Box) mit gleich drei SUV in der Schweiz neu antreten. Als Retro-Marke samt altem Logo? Letzteres ja, ersteres nein.

Hilfe aus China und der Schweiz

Seit 2005 trieb der Enkel des Bremer Unternehmers Carl F.W. Borgward die Wiederbelebung der Marke voran – zunächst von Luzern aus, jetzt als Aufsichtsratsvorsitzender der Borgward Group in Stuttgart (D). Zum Fliegen brachte das Vorhaben aber erst der Einstieg des chinesischen Autobauers Beiqi Foton 2014, der auch die Markenrechte hält. «In Stuttgart sitzt das Hirn von Borgward – Bauch und Arme sind in Peking», sagt Tom Anliker. Der Schweizer amtet seit zwei Jahren als Vorstand für Marketing und Vertrieb. Und hält nichts vom Retro-Gedanken: «Gerade in China wird immer zu sehr auf Historie herumgeritten.» Dabei hätten die Kunden nach 15 Minuten kapiert: OK, ihr wart eine grosse Nummer in der Vergangenheit – und jetzt? «Viel wichtiger ist es, die Geschichte unserer Zukunft zu erzählen», sagt Anliker.

Pioniergeist und Innovation

Zeitgeist sei das Leitmotiv für den Marken-Relaunch, aber immer durch die Borgward-Brille betrachtet: «Wir fragen uns: Was würde Carl Borgward heute tun?», erklärt Anliker. Und gibt gleich die Antwort: Auf Pioniergeist und Innovation setzen. Im kommenden Jahr wird Borgward in der Schweiz mit den SUV BX5 und BX7 starten; letzterer kommt auch als Coupé-Variante BX6. Zunächst mit einem konventionellen Zweiliter-Turbobenziner, 224 PS, Allradantrieb und Sechsstufen-Automat, der später durch einen Achtgänger ersetzt werden soll. Einstiegspreis? Wohl unter 50'000 Franken. Tatsächlich innovativ wird es aber erst mit dem BXi7 später im Jahr, der Elektroantrieb und eine XXL-Batterie für 400 Kilometer Reichweite bieten soll.

Online-Verkauf und ATU-Service

Noch fehlt es aber an Vertrieb und Servicenetz. In Deutschland ist Borgward seit Juni unterwegs und arbeitet mit Werkstattbetreiber ATU zusammen. Für den Vertrieb plante Anliker die Kooperation mit Sixt; die ist aber bereits passé: Der BX7 ist im Nachbarland derzeit ausverkauft. In der Schweiz setzt er vor allem auf digitale Kanäle. Information im Internet, danach soll ein Vertriebspartner – «aber eben kein Händler mit Schauraum und entsprechend hohen Kosten» – übernehmen und Probefahrt und Kaufvertrag organisieren.

Wirtschaftswunder auf Rädern

Volkswagen motorisierte Europa nach dem 2. Weltkrieg? Nicht nur – auch Carl Friedrich Wilhelm Borgward (1890 bis 1963) hat am Siegeszug des Autos in den 1950er-Jahren seinen Anteil. Im Jahr 1924 beginnt der Teilhaber einer Bremer Kühlerfabrik mit dem Lieferdreirad Blitzkarren. Aber erst 1948 startet er mit den Marken Goliath (Weiterentwicklung des Dreirads), Lloyd (u. a. Kleinstwagen Lloyd LP 300 mit Sperrholzkarosserie) und unter seinem eigenen Namen richtig durch. 1952 lanciert Borgward den Hansa 2400, eine Oberklasse-Limousine in der Mercedes-Liga. Sein grösster Erfolg wird die Isabella – bildhübsch, schnell und als Limousine, Coupé, Cabriolet, Kombi und Pick-up im Programm. Motorsport, Export in die USA; sogar einen Hubschrauber liess der Selfmademan entwickeln. Borgward verzettelt sich, scheint zahlungsunfähig. Die Fabrik fällt 1961 an das Bundesland Bremen, das die Abwicklung einleitet. Wirklich pleite? Wohl eher nicht: Als die Gläubiger ausgezahlt sind, bleibt noch Geld übrig.

Borgward Isabella von 1960
Das beliebte Coupé Isabella von Borgward aus dem Jahr 1960.
Werk

Volkswagen motorisierte Europa nach dem 2. Weltkrieg? Nicht nur – auch Carl Friedrich Wilhelm Borgward (1890 bis 1963) hat am Siegeszug des Autos in den 1950er-Jahren seinen Anteil. Im Jahr 1924 beginnt der Teilhaber einer Bremer Kühlerfabrik mit dem Lieferdreirad Blitzkarren. Aber erst 1948 startet er mit den Marken Goliath (Weiterentwicklung des Dreirads), Lloyd (u. a. Kleinstwagen Lloyd LP 300 mit Sperrholzkarosserie) und unter seinem eigenen Namen richtig durch. 1952 lanciert Borgward den Hansa 2400, eine Oberklasse-Limousine in der Mercedes-Liga. Sein grösster Erfolg wird die Isabella – bildhübsch, schnell und als Limousine, Coupé, Cabriolet, Kombi und Pick-up im Programm. Motorsport, Export in die USA; sogar einen Hubschrauber liess der Selfmademan entwickeln. Borgward verzettelt sich, scheint zahlungsunfähig. Die Fabrik fällt 1961 an das Bundesland Bremen, das die Abwicklung einleitet. Wirklich pleite? Wohl eher nicht: Als die Gläubiger ausgezahlt sind, bleibt noch Geld übrig.

Produktionspläne für Europa

Zunächst werden die Borgwards noch in China produziert, doch ein Werk am alten Standort Bremen ist angedacht. «Aber schwierig zu realisieren», sagt Anliker: Die chinesische Regierung sei für Firmenaufkäufe im Ausland zu haben, aber nicht für den Neuaufbau einer europäischen Fabrik mit chinesischem Geld. Überhaupt, die interkontinentale Zusammenarbeit sei eine Herausforderung: «Was in Europa diskussionslos möglich ist, braucht in China ewig Zeit – und umgekehrt», sagt Anliker.

Wohl auch deshalb ist er froh über europäische Hilfe. Anders Warming und Philip Koehn verantworten bei Borgward Design und Entwicklung. Wo sie früher arbeiteten? Bei Mini. Und bei Rolls-Royce.

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