In Ihrer Freizeit lassen Auto-Ingenieure gerne ihrem Erfindungstrieb freien Lauf. Manchmal entstehen in den konspirativen Entwicklungszirkeln der Techniker bei dem einen oder anderen Bier, Fahrzeuge, die einen bleibenden Eindruck in der Auto-Geschichte hinterlassen. Der VW Golf GTI ist so ein Beispiel. Wenn aber die ohnehin schon auf leistungsfähige Boliden getrimmten Ingenieure der M GmbH Daniel Düsentrieb spielen, entstehen extravagante Kreationen.
Etwa ein Pickup der Baureihe E30, mit welcher der M3-Mythos 1986 seinen Anfang nahm. Jeder Fan der weissblauen Marke weiss um das potente Vierzylinder-Triebwerk, den legendären Motoren-Papst Paul «Nocken-Paule» Rosche und die schnellen Limousinen. In den Köpfen der Techniker spukt noch eine andere, verwegene Idee. Wie wäre es mit einem Pickup? Die Chefs schütteln entgeistert den Kopf. Doch die Ingenieure machten sich dennoch an die Arbeit. Abends, am Wochenende und mit der Hilfe der Lehrlinge. Alles freiwillig, aus Spass an der Sache eben.
Cabrio als ideale Grundlage
«Wir haben Mitte September angefangen und waren Ende des Jahres fertig», erinnert sich Jakob Polschak, Leiter Fahrzeugmusterbau und Werkstätten der BMW M GmbH. Die Basis war ein E-30-Cabrio, dessen Bauweise mit den Versteifungen ideal fürs Pickup-Projekt war. «Wir haben uns dann einfach die Teile genommen, die da waren», erzählt Polschak. Darunter auch viele des sogenannten «Italo-M3», also des 320is. Der Pickup leistet 200 PS, hat ein Targa-Dach und eine Ladefläche, die mit Riffelblech ausstaffiert ist. Damit das Gefährt seinen Job als Lastesel ausführen kann, ist die Hinterachse kurz übersetzt. Das weisse Fahrzeug mit dem Spitznamen «D’Resi» hat jedoch nie eine Strassenzulassung erhalten und wurde 25 Jahre lang als Teile-Transporter auf dem BMW-Werksgelände eingesetzt.
Für Querdynamik-Kenner
Eine echte Chance in Serie zu gehen hatte der BMW M3 Compact der Baureihe E36. Das pfeilschnelle Coupé mit 321 PS lediglich 1,3 Tonnen (also 150 Kilo weniger als der reguläre M3) sollte jüngeren M-Fans den Einstieg in den sportlichen BMW-Ableger erleichtern. In Kombination mit dem strafferen Fahrwerk legt der Prototyp eine Agilität auf den Asphalt, der die Querdynamik-Kenner noch heute mit der Zunge schnalzen lässt. «Die Abstimmung des Fahrzeugs war schwierig, um eine Kopflastigkeit zu vermeiden. Der damalige BMW-Chef Eberhard von Kuenheim hat zu uns gesagt: ,Wenn ihr im Kreis fahren wollt, müsst ihr das Geld dazu selbst verdienen‘. Also haben wir nach neuen Modellvarianten gesucht», plaudert Jakob Polschak aus dem Nähkästchen.
Der M3 Compact sollte daher seinen Teil zur Finanzierung der Motorsport-Ambitionen der M GmbH beitragen. Allerdings wäre beim Serienmodell vermutlich die Leistung etwas reduziert worden, um eine Kannibalisierung mit dem herkömmlichen M3 zu vermeiden. Doch auch die Konstruktionspläne für dieses vielversprechende Modell verschwanden in den Schubladen der Entwickler. «Das Produktmanagement hat das Geschäftsmodell nicht gesehen», erinnert sich Polschak schulterzuckend.
Der Power-Kombi
Allen, die schon bei diesen Prototypen ins Schwärmen geraten, aber von einem M3 Touring träumten, auch der war natürlich Teil von Gedankenspielen der Produktplaner. Im Jahr 2000 bauten die M-Ingenieure einen Kombi. Als Erstes fällt die grandiose Lackfarbe «Chrom Shadow» auf. Sie sieht wie flüssiges Alu aus und verleiht dem M3 Touring der Baureihe E46 ein dreidimensionales Aussehen, das in jedem Film der Terminator-Reihe seine Berechtigung hat.
Sogar der Konkurrent Mercedes interessierte sich für die neue Farbe, die bei diesem Fahrzeug zum ersten Mal grossflächig eingesetzt wurde. Unter der Haube befand sich bewährte E46 M3 Technik, sprich aus den 3,2 Litern Hubraum des Reihensechszylinders kitzelten die Ingenieure 343 PS. Ein ganz besonderes Schmankerl gab es im Innenraum, da die Mittelbahnen der Sitze aus speziellem Neopren-F1-Metallgewebe bestanden. Leider fiel der Kombi dem Rotstift zum Opfer.
Der Handwerker-Traum
Die M-Ingenieure gönnten sich aber noch einen zweiten Pickup. Diesmal war ein Cabrio der Modellreihe E92 der Technikspender. Also hat dieses M3-Derivat des Jahres 2011 vier Liter Hubraum, einen V8 mit 420 PS. Eigentlich der Traum eines jeden M-Aficionados. Vor allem, weil man auch in dieser Variante, die schneller als 300 km/h sein soll, das Targa-Dach herausnehmen kann.
Der Blaumann-M3 hat alles, was ein Handwerker braucht: eine Ladefläche mit Riffelblech inklusive Stauraum für Werkzeug und abnehmbarer Anhängerkupplung. Obwohl das Fahrzeug am 1. April 2011 präsentiert wurde, hielten es viele für keinen Aprilscherz und schnell meldeten sich erste Interessenten in München. Doch der neue Pickup trat lediglich die Nachfolge des ersten weissen PS-Lasters als BMW-interner Gütertransporter an, der nach 25-jähriger Dienstzeit etwas in die Jahre gekommen war – eigentlich schade...