Zürich hatte die Formel E, Bern die Formel E und die Formel 1. Die Schweiz ist also durchaus attraktiv für internationale Rennserien mit Format. Doch was erhält Sion ab diesem Jahr? Ein E-Trottinett-Rennen. Was sich wie ein schlechter Scherz anhört, ist ernst und eine der verrücktesten Rennserien der Welt. Denn die E-Trottis für die sogenannte eScooter Championship sind bis zu 100 km/h schnell!
Wer steht hinter der eScooter Championship?
Die Idee zur verrückten Rennserie hatten die Ex-F1-Piloten Alexander Wurz (48) und Lucas di Grassi (37). Das Geld für die Verwirklichung stammt von Unternehmern aus dem Unterhaltungs- und Rennsportbereich.
Ihr Ziel ist nicht nur Unterhaltung zu bieten, sondern mit den Rennen auch auf das Potenzial der Mikromobilität hinzuweisen. Gleichzeitig wollen die Organisatoren die Kosten-, Komfort- und Nachhaltigkeitsvorteile der Mikromobilität in der schnell wachsenden und sich verändernden Elektromobilität fördern.
Wie funktioniert die neue Rennserie?
Zehn Teams mit je drei Fahrerinnen und Fahrern treten auf den rasanten E-Trottis in Stadtzentren gegeneinander an. Geplant sind verschiedene Heats – von Quali über Viertel- und Halbfinal bis zum grossen Finalrennen.
Wer kann mitmachen?
Die Organisatoren stellen sich vor, dass Profis aus verschiedenen Sportarten für die Teams an den Start gehen. Also zum Beispiel Motorsportler, aber auch Radfahrer, Skater oder Snowboarder. Dabei wird nicht nach Geschlechtern unterschieden. Frauen und Männer treten in derselben Kategorie an.
Der Brasilianer Di Grassi räumt ein: «Wir fahren mit superschnellen Rennmaschinen, die schneller als ein Strassenauto beschleunigen. Nur Profis können diese Geräte beherrschen.» Deshalb sind die Vorsaison-Tests nicht nur für die Abstimmung der E-Trottis, sondern auch ein Ausscheidungsverfahren für die potenziellen Fahrer. Die Tests sollen zeigen, welche Fahrerinnen und Fahrer die nötigen Fähigkeiten haben, um bei der eScooter Championship zu starten.
Womit wird gefahren?
Die eScooter Championship bewirbt seinen S1-X als den schnellsten E-Scooter der Welt. Pro Rad gibts einen 6 kW (8 PS) starken E-Motor und die beschleunigen den 40 Kilogramm leichten E-Scooter auf über 100 km/h. Die Lithium-Ionen-Batterie hat eine Kapazität von 1,33 kWh.
Im Vergleich zu den bekannten E-Trottis hat der eSC S1-X eine etwas breitere Standfläche für die Piloten. Das Chassis besteht aus Karbon, Trägerelemente um die Räder sind aus Alu gefertigt und Verkleidungen und Paneele bestehen aus Naturfasern. Entwickelt hat die E-Trottis eine Technikfirma, die zum englischen F1-Team Williams gehört.
Wo wird gefahren?
Nach ersten Showrennen 2021 startet im Mai 2022 die erste Saison der eScooter Championship in England. Der erste Lauf findet am 13./14. Mai in London statt. Zwei Wochen später gehts in Sion weiter, womit die Hauptstadt des Kanton Wallis das erste Rennen auf dem europäischen Festland austrägt. Insgesamt sind in der ersten Saison sechs Rennen geplant. Nach London und Sion folgen weitere Läufe in Frankreich (17./18. Juni), Italien (15./16. Juli), Spanien (16./17. September) und den USA (Datum noch offen). Die genauen Austragungsorte ab Juni stehen noch nicht fest.
Die Stadtkurse sind kleiner und weniger aufwendig als beispielsweise bei der Formel E. Damit sollen nicht nur die Kosten überschaubar bleiben, sondern auch die Auswirkungen für Anwohner minimiert werden.
Wieso macht Sion mit?
In der Kantonshauptstadt findet gleichzeitig das Transition Festival 2022 statt. Dabei gehts um innovative und ökologische Stadtentwicklung. Dazu gehört für Sions Stadtpräsident Philippe Varone (57) auch die Mikromobilität, weshalb die eScooter Championship perfekt passt: «Mit unserer strategischen Absicht, Sion zur Schweizer Hauptstadt der Alpen zu machen, setzen wir auf Innovation und Nachhaltigkeit, ganz besonders in den Bereichen Energie und Geowissenschaften. Das internationale Transition Festival ist ein erstklassiges Schaufenster, um unser Engagement für eine nachhaltige Entwicklung zu tragen und bestätigt unsere Führungsposition im Bereich der Elektromobilität.»
Die Stadt Sion ist überzeugt, dass die Schweiz der ideale Standort ist, um die Mikromobilität und damit E-Trottis zu einem sicheren und akzeptierten Transportmittel weiterzuentwickeln. «Gerade in Städten könnten sie helfen, die Abhängigkeit vom Auto zu reduzieren», so Varone.
Wie Tempi von über 100 km/h die Sicherheit von E-Trottis erhöhen sollen, sei mal dahingestellt. Es wird bestimmt niemand eine Töff-Ausrüstung anziehen, um durch die Stadt zu düsen. Schon Helme sind bei E-Trotti-Fahrerinnen und -Fahrern leider immer noch eher die Ausnahme als die Regel.