Wer die Timmeljoch-Hochalpenstrasse von Österreich nach Italien fährt, muss in die Tasche greifen: Das Befahren der Ötztal-Strasse kostet von Anfang Juni bis Ende Oktober – in eine Richtung – 16 Euro pro Auto und 14 Euro pro Töff.
Das freut besonders die Tiroler Zwillingsbrüder Alban und Attila Scheiber. Die sind nämlich nicht nur Hoteliers und Gondelbahnbetreiber in Hochgurgl, sondern auch Besitzer der Mautstrasse. Alban Scheiber bringts auf den Punkt: «Wir sind moderne Strassenräuber.»
Das schönste und höchste Töffmuseum Europas
Das nimmt ihnen freilich momentan kaum jemand übel – haben sie doch umgerechnet über 25 Millionen Franken investiert in einen architektonisch sehenswerten Komplex von Restaurant, Gondelbahn, Mauthaus und über 3000 Quadratmeter grosse Ausstellungsfläche.
Dort stehen neben rund einem Dutzend alter Autos mehr als 200 Töffs von 100 Herstellern. Und damit besitzen die Scheibers das mit 2175 Metern über Meer am höchsten gelegene Töffmuseum Europas.
Familie Scheiber gibt Gummi
Dazu muss man wissen: Das Benzin im Blut der umtriebigen Brüder stammt von Vater Alban Scheiber senior, einem ehemaligen Profi-Rennfahrer und Ötztaler Tourismuspionier. Der raste einst im Lotus 23B über den Asphalt, fuhr privat Porsche 959 und gründete in den 1960er Jahren das Hoteldorf Hochgurgl.
Aus Mangel an Spielkameraden da oben auf dem Berg schenkte er seinen Söhnen im zarten Alter von sechs Jahren je eine italienische Gilera. «Damit knallten wir durch die Berge,» erinnert sich Attila Scheiber. «Und schon zwei Jahre später bekamen wir spanische Trailmaschinen der Marke Montesa.»
Spass-Fahrer
Als sie 18 Jahre alt waren, hatten sie bereits acht Bikes verschlissen – seitdem sind Motorräder aus dem Leben der Scheibers nicht mehr wegzudenken. Noch heute fährt Attila nach eigenen Aussagen täglich bis zu fünf alte Maschinen nur zum Spass.
Auch eigentlich nur zum Spass reiste er im Jahr 2012 ins deutsche Rüdesheim. «Ich hatte in einer Fachzeitschrift gelesen, dass dort ein Motorradmuseum zu verkaufen sei. Bei Auto-Kampschulte fand ich dann drei Keller voller Ölkannen, Emailschilder und Zapfsäulen sowie etwa 25 brauchbare Maschinen.» Vier Stunden später rief er Bruder Alban an und fragte, ob er einverstanden sei, wenn er jetzt das Museum kaufen würde.
Alban war Feuer und Flamme – es fehlte nur noch das richtige Gebäude. Das errichtete der Tiroler Architekt Michael Brötz, der zufällig an Scheibers jährlichem «Handshift-Motorrad-Event» teilnahm und von einer Ausschreibung erfuhr. Er stach mit seinem geschwungenen Entwurf samt Holzverkleidung, Typ «Schneewächte», alle anderen Bewerber aus.
Derweil reisten die Scheiber-Zwillinge in der Welt herum und kauften auf Auktionen und über Anzeigen weitere Maschinen zusammen. «Unser Ziel waren 170 Bikes von 100 Marken – jetzt haben wir mehr als 200.»
Fein sortiert
Der rote Faden der Ausstellung: Exponate der wichtigsten Länder sind nach Hersteller und Alter sortiert. Für die Zusammenstellung ist der englische Szenekenner Marc Upham verantwortlich, Besitzer der Marke Broug Superior. So ist das älteste Exponat eine Laurin & Klement (Vorgängerfirma von Skoda) mit 544-ccm-V2-Motor von 1905.
Viele seltene Exemplare befinden sich in der Sammlung – wie etwa die Nummer 338 von nur 550 gebauten Puch 800 (1937). Das wertvollste Exponat mit rund 550'000 Franken ist laut Upham eine deutsche Megola. Das ungewöhnliche Münchner Zweirad von 1921 besitzt einen Fünfzylinder-Sternmotor im Vorderrad.
Alles dabei
Bekannter sind da schon Harley, Jawa, Royal Enfield, Honda, Yamaha, Suzuki, Motoguzzi, Triumph, Norton, Indian, BMW, Horex, Adler, Zündapp, Dürkopp, KTM, DKW, NSU, Ducati, Benelli, Gilera, Peugeot und natürlich wertvolle Brough Superior. Unbekannter, aber deswegen fast interessanter sind New Imperial, Militaire, Pope, Neracar, Vincent, eine der gewaltigen deutschen Münch 1200 TTS «Mammut», Cotton, Aermacci, Bultaco, Sunbeam, Scott, Flying Merkel, Humber, Hecker, Ardie, eine Hercules mit Wankelmotor, Triumph, MZ, Condor, A.J.S., Henderson, Matchless, Sarolea, Terrot – sogar eine Schweizer Condor aus dem Jahr 1933 ist dabei.
Und im neuen Restaurant schauen einem kleinere Objekte wie ein Velosolex, Motom oder Victoria beim Essen zu – selbst auf dem Kassenhäuschen der neuen Gondelbahn steht eine alte Indian. Eine Website mit allen Exponaten und deren technischen Daten ist in Arbeit, aber wohl erst in gut einem halben Jahr online.
Fahrtaugliche Museums-Stücke
Zurzeit gehören etwa 85 Prozent aller Ausstellungsstücke den mobilen Brüdern. «Etwa 80 Prozent aller Maschinen sind innerhalb einer Stunde fahrfertig», sagt Attila Scheiber stolz – «Ziel sind 90 Prozent».
In zwei Jahren wollen die Scheibers das qualitativ beste Motorradmuseum Mitteleuropas anbieten. Dafür arbeiten zwei Mechaniker in der eigenen Restaurierungswerkstatt. Im Parterre gibt es ständig wechselnde Sonderausstellungen. Momentan steht dort eine beeindruckende Anzahl von Seitenwagen-Gespannen, künftig werden dort 150 Kutschen eines Freundes zu sehen sein oder andere Ausstellungsstücke der sammelwütigen Brüder wie Allradfahrzeuge oder Pistenmotorgeräte.
Nicht nur Zweirad-Klassiker
Im Museum stehen zudem ein paar alte Autos – damit auch die Autofahrer, die auf der Mautstrasse löhnten, entschädigt werden. Die freuen sich unter anderem über einen 286 PS starken Aston Martin DB5 (1965), einen Ferrari 275GTB/2 (1966), einen VW Pritschenbulli mit einer NSU 100 Fox und einer DKW RT 250/2 (beide 1954) als Ladung, einem Chevrolet Triftmaster 3600 (1951) mit einer festgezurrten 1928er Indian Scout 600 solo, einen Alfa Romeo 2300 Monza (1932), den Porsche 959 und den Lotus des Herrn Papa sowie einen unrestaurierten Messerschmitt Kabinenroller und eine BMW Isetta.
Der Eintritt ins Museum kostet zehn Euro pro Person – die nicht zu verrechnen sind mit der Mautgebühr für die Ötztal-Strasse. Einmal Strassenräuber, immer Strassenräuber...