Ruedi Steck veranstaltet die World Speed Trials
Der Speed-Junkie und sein neues Projekt

Es klingt fast wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Der Schweizer Speedrekord-Jäger Ruedi Steck (56) organisiert und veranstaltet Mitte März aus dem kleinen Zürcher Nest Brüttisellen mit den World Speed Trials ein offizielles Land Speed Racing in Australien.
Publiziert: 13.01.2018 um 20:24 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2018 um 16:25 Uhr
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Speedfreak Ruedi Steck veranstaltet in Australien die World Speed Trials
Foto: zvg
Raoul Schwinnen

Wie ein Buchhalter sieht der 56-jährige Ruedi Steck nicht gerade aus. Aber würden Sie dem drahtigen Mittfünziger Töff-Speed-Rekordfahrten mit Tempi von über 600 km/h zutrauen? «Körperliche Fitness ist für Geschwindigkeitsrekorde weniger entscheidend als mentale Stärke», sagt Ruedi Steck bescheiden lächelnd. Und ergänzt: «Wenn sich der schon bei 300 km/h stark pendelnde Töff durch den Tempounterschied zwischen dem Vorder- und dem durchdrehenden Hinterrad wie auf Eiern fährt, sind vor allem starke Nerven gefragt.» Der Zürcher Unterländer weiss, wovon er spricht. Der leidenschaftliche Highspeed-Pilot, Töff-Hersteller und Event-Organisator schaffte mit seinem Swissperformance-Team bereits mehrere Einträge in die Weltrekordliste der obersten Töffbehörde FIM – herausgefahren auf den ausgetrockneten Salzseen von Bonneville in Utah/USA.

Ruedi Steck auf seiner getunten KTM Super Duke.
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Trotz seiner inzwischen 56 Jahre beabsichtigt der Familienvater mit seiner Passion nicht kürzer zu treten. Im Gegenteil: Der Brüttiseller will diesen Frühling nicht nur mit einer getunten KTM Super Duke den bestehenden Töff-Speedweltrekord von 283 km/h in der «2-Zylinder-Saugmotoren-Klasse-1350-no-Streamline» angreifen, sondern gleichzeitig vom 17. bis 19. März in Australien einen offiziell von der FIM abgesegneten Land Speed Racing-Anlass durchführen.

Ausgetrocknete Salzseen mit ihren topfebenen Flächen sind der ideale Ort für Geschwindigkeits-Rekordfahrten.
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Warum ausgerechnet in Australien? «Bonneville, seit 1912 der wichtigste und optimalste Austragungsort für Highspeed-Rennen, ist praktisch tot», erklärt Ruedi Steck pragmatisch. «In den letzten Jahren mussten aus Witterungsgründen mehrere wichtige Anlässe auf den legendären Salt Flats abgesagt werden. Der Klimawandel geht auch dort nicht spurlos vorbei.» Und weil nach dem jahrzehntelangen Salzabbau und den jüngsten El Nino-Wetterkapriolen auch die feine Unterlage litt, begann sich die Szene nach alternativen Austragungsorten umzuschauen. Allerdings keine einfache Sache, denn Land Speed Races sind logistisch aufwendig, benötigen Platz und vor allem eine rund 20 Kilometer lange, schnurgerade und topfebene Piste. «Alleine die Beschleunigungsphase dauert acht bis neun Kilometer», erklärt Steck, «also einmal den ganzen Hallwilersee entlang.» Erst danach wird die Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Länge von einer Meile (rund 1,61 km) gemessen.

Die zwei- und vierrädrigen Rekordfahrzeuge sind meist aufwendig konstruierte Einzelstücke.
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Während sich einige Veranstalter nach Bolivien orientierten und dort 2017 auf 3600 m.ü.M. auf dem grössten Salzsee «Salar de Uyuni» erstmals ein Highspeed-Event durchführten, mussten sie schnell einsehen, dass vor allem Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ohne Turbo- oder Kompressoraufladung auf dieser Meereshöhe mit dem geringeren Sauerstoffanteil im Vergleich zum auf 1250 Meter gelegenen Bonneville klar benachteiligt sind. Ruedi Steck dagegen schien vor zwei Jahren in Tunesien auf ein ideales Gelände mit perfekter Infrastruktur gestossen zu sein. Die Verhandlungen vor Ort mit dem Gouverneur und dem Sportminister waren bereits weit fortgeschritten, als Steck plötzlich feststellen musste, dass die unterhalb des Meeresspiegels liegende Salzfläche für Highspeedfahrten zu instabil ist. Im letzten März kam Steck dann aber der Zufall zur Hilfe. Über den Import eines revolutionären, zweiseitig zu öffnenden Töff-Integralhelms und dessen Hersteller kam Steck mit Australien und der dortigen Szene in Kontakt.

Der Lake Gairdner ist mit 4350 Quadratkilometer und einer Länge von 160 Kilometer der viertgrösste Salzsee Australiens.
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Seit 27 Jahren wird auf dem viertgrössten Salzsee Australiens, dem rund 450 Kilometer nordwestlich von Adelaide gelegenen Lake Gairdner, jährlich die «Speedweek» ausgetragen. «Ein inzwischen mit rund 200 Teilnehmern recht grosser Anlass – aber ohne den Segen der obersten Motorradbehörde FIM», so Steck. Und ohne diesen gibts für allfällige Rekordfahrten keinen offiziellen Eintrag ins Guinessbuch. Genau dies will der Schweizer nun ändern: Eine Woche nach dem australischen Anlass führt er deshalb vom 17. bis 19. März seine von der FIM genehmigte Word Speed Trials auf dem 160 Kilometer langen und bis zu 48 Kilometer breiten, lediglich auf rund 135 m.ü.M. gelegenen Lake Gairdner durch. Dass Steck eine Bewilligung für seinen Anlass erhielt, war nicht selbstverständlich und setzte einiges Verhandlungsgeschick voraus. So brauchte es unter anderem auch das Einverständnis der Behörde sowie der Aborigines, weil der See ein Teil des Lake-Gairdener-Nationalparks ist. Doch mittlerweile liegen Steck alle nötigen Bewilligungen vor – und dem Anlass des Brüttiseller Organsiators steht im fernen Australien nichts mehr im Weg.

Valerie Thompson möchte den gültigen Weltrekord von 605 km/h überttreffen.
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Trotz dem logistischen Aufwand und den hohen Transportkosten (ein 20-Fuss-Container aus der Schweiz nach Australien zu verfrachten kostet rund 12'000 Franken, Steck arbeitet dazu mit DB Schenker Logistik/Transport zusammen) haben bereits zahlreiche Teams für den Event zugesagt. So will beispielsweise Valerie Thompson (50) – die «American Queen of Speed» und derzeit mit 489,2 km/h schnellste Frau auf zwei Rädern – mit einem Streamliner den derzeit gültigen Weltrekord für Motorräder von 605 km/h knacken.

Korey Bligh möchte mit seinem vierrädrigen Streamliner die 550-Meilen-Marke durchbrechen.
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Und mit dem Amerikaner Korey Bligh und seinem Team haben bereits weitere verrückte Hunde aus der Speed-Szene ihr Material nach Australien verschifft. Allerdings tritt Bligh mit seinem rund 4000 PS starken, vollverschalten Vierrad-Boliden ausser Konkurrenz und lediglich zu Trainingszwecken bei Stecks World Speed Trials an. Grund: Der Ami plant mit seinem Boliden für einen Eintrag im Guinessbuch die «Schallmauer» von 550 Meilen (886 km/h!) zu durchbrechen – vielleicht offiziell schon 2019 auf dem Lake Gairdner? Denn Steck plant, klappt im März alles reibungsklos, seinen Australien-Anlass nächstes Jahr auch für die Autoklasse FIA zu homologieren. Zudem will er dann mit einem eigenen Streamliner einen neuen Highspeed-Rekord für Zweiräder realiseren. Doch das ist eine andere Geschichte.

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