Dass die seit nunmehr drei Jahren anhaltende Dieselaffäre rund um den VW-Abgasbetrug nicht ohne Folgen auf die Verkaufszahlen bleibt, war Experten schon lange klar. Doch welches Ausmass der systematische Bschiss tatsächlich hat, wird erst allmählich deutlich. Laut einer neuen Studie des CAR-Instituts der Uni Duisburg-Essen (D) sind die Diesel-Neuzulassungen im ersten Halbjahr 2018 europaweit um 8,4 auf 36,8 Prozent Anteil eingebrochen. Im ersten Halbjahr 2017 lag der Selbstzünderanteil in Europa noch bei 45,3 Prozent!
Schweiz kommt bislang glimpflich davon
«Regelrecht eingestürzt ist der Marktanteil in Slowenien, wo der Diesel 15 Prozentpunkte verlor», erklärt CAR-Direktor und Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Doch auch in Spanien (-12,9%), Rumänien (-12,2%) England (-11,2%), Schweden und Litauen (-10,7%) sowie Irland (-10,6%) habe der Diesel mit hohen Rückgängen zu kämpfen. Die Schweiz, wo der Dieselanteil an Neuwagen von 37,5 auf 30,5 Prozent gefallen ist, kommt bislang noch relativ glimpflich davon.
Weitere Fahrverbote drohen
Besonders gross ist die Enttäuschung der Kunden über die manipulierten Abgaswerte und die deutlich zu hohen Stickoxid-Ausstösse indes in Deutschland. Die öffentliche Empörung zielt vor allem auf die drohenden Fahrverbote in Innenstädten, durch die Diesel massiv an Wert verlieren könnten. Laut Dudenhöffer müssten über 20 deutsche Innenstädte mit Einschränkungen für Diesel rechnen, darunter Hamburg, Stuttgart, Frankfurt, Köln, Berlin, Düsseldorf und München. Schon in den nächsten zwei bis drei Jahren könnten Dieselfahrverbote in Innenstädten flächendeckend kommen. «Eine Zeit zurück vor das Dieselgate wird es nicht geben», ist sich Dudenhöffer sicher.
Mit SUV steigt der CO2-Ausstoss
Die einbrechenden Dieselverkäufe stellen die Autohersteller dabei vor massive Probleme. Schuld daran sind die bei Kunden immer beliebteren SUV. «In den letzten zehn Jahren ist der SUV-Anteil an Neuwagen von knapp 9 auf 29,3 Prozent gestiegen», sagt Dudenhöffer. «Damit steigen auch die CO2-Emissionen und somit das Risiko der Hersteller für Milliarden-Strafzahlungen wegen Verletzung der CO2-Ziele.» Weil nämlich SUV meist grösser und schwerer sind als vergleichbare Limousinen oder Kombis, verbrauchen sie auch mehr Sprit und stossen mehr CO2 aus – und stehen so der Senkung des durchschnittlichen CO2-Ausstosses im Weg. Der EU-Grenzwert liegt momentan bei 130 g/km, ab 2020 bei 95 g/km. In der Schweiz stiess jeder Neuwagen 2017 im Schnitt 134,1 g/km aus.
WLTP bringt neue Probleme für Hersteller
Erschwerend kommt für die Hersteller die Umstellung vom alten NEFZ-Verbrauchsmessverfahren auf den neuen WLTP-Zyklus hinzu, durch den die Fahrzeuge auf dem Papier etwa 20 Prozent mehr Sprit brauchen und entsprechend mehr CO2 emittieren. Dudenhöffer rechnet allein in Deutschland mit einem Anstieg des CO2-Ausstosses pro Neuwagen von bisher 131 g/km auf mindestens 150 g/km. «Die letzte Diesel-Insel der Welt, Europa, hat ein mächtiges Problem.»